Indonesien: Am 1. Mai 2017 traten ca. 8.000 Angestellte und Leiharbeiter*innen der zweitgrößten Kupfermine der Welt, der Grasbergmine in Westpapua, einen Streik an. Sie reagierten damit auf die Zwangsbeurlaubung und Massenentlassungen von über 30.000 Arbeiter*innen durch das globale Bergbauunternehmen Freeport McMoRan. Hintergrund ist die Neuregulierung der Bergbauindustrie in Indonesien.
“Wenn sich Elefanten bekriegen, stirbt das Reh in Ihrer Mitte”, so beschreibt der Anwalt Haris Azhar der Organisation Lokatbaru die Situation. Die Arbeiter*innen sind die Leidtragenden der Machtkämpfe der beiden “Elefanten”, der indonesischen Regierung und dem Unternehmen Freeport McMoRan. Sie streiten um die Umsetzung des Bergbaugesetzes von 2009, das den Export von Roherz verhindern und den Aufbau von Weiterverarbeitungsindustrien in Indonesien begünstigen sollte. Der Bergbauriese weigerte sich, die Forderung der indonesischen Regierung zu erfüllen und drohte, sich auch gerichtlich gegen die neuen Bestimmungen zu wehren. Doch 2017 machte die indonesische Regierung Ernst: Zwischen Januar und April durfte der Weltkonzern kein Kupfer mehr aus Indonesien exportieren.
Freeports giftige Spur
Die Zerschlagung der linken Bewegung und ein Massenmord mit hunderttausenden Toten hatten 1965/66 die Etablierung von Diktatur Suharto und die Umgestaltung der Wirtschaft im Sinne des internationalen Kapitals begleitet. Freeport war (nach langen erfolglosen Bemühungen um eine Konzession bei der Vorgängerregierung unter Sukarno) der erste ausländische Konzern, der 1967 eine Lizenz zum Abbau von Kupfer und Gold in Westpapua erhielt. Die Grasbergmine ist die zweitgrößte Kupfermine der Welt und in dem Gebiet befindet sich zudem das größte bis heute bekannte Goldvorkommen der Welt. Das Unternehmen bezog mächtige Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Militär in die Firmenstrukturen ein, auf indonesischer sowie US-amerikanischer Seite. So entstanden komplexe Patronage-Netzwerke, die von Macht und Abhängigkeiten geprägt sind. Der Konzern ist wegen seiner Menschenrechtsverletzungen und Umweltverbrechen immer wieder angeprangert worden. Das Unternehmen leitet jeden Tag hunderttausende Tonnen giftiger Bergbauschlämme in das Aikwa-Flussnetzwerk ein. Gerade die Bewohner*innen der betroffenen Region, die Amungme und Kamoro, leiden unter der Zerstörung ihrer Ökosysteme.
Zwangsurlaub und Massenentlassungen
Freeport reagierte auf das Exportverbot mit der Zwangsbeurlaubung von 12.000 Angestellten und der Massenentlassung von 20.000 Leiharbeiter*innen. Die beurlaubten Arbeiter*innen bekamen nur noch ein Grundgehalt und verloren über die Hälfte ihres Einkommens. Sie wurden aufgefordert, innerhalb von zwei Tagen das Gebiet zu verlassen. Viele der Arbeiter*innen lebten schon seit 15-20 Jahren in der Minenstadt Timika und sollten nun in ihre ehemalige “Heimat” zurückkehren. Unterkünfte wurden durch den Sicherheitsdienst unter Gewalteinsatz geräumt. Gewerkschafter berichten, dass die staatliche Krankenkassenkarte BPJS (Badan Penyelenggara Jaminan Sosial) und Bankkonten der Arbeiter*innen ohne Ankündigung gesperrt wurden.
Verhandlungen und Kriminalisierung
Im Februar und März 2017 bemühte sich die Gewerkschaft PUK SPKEP SPSI (Pimpinan Unit Kerja, Serikat Pekerja Kimia, Energi dan Pertambangan, Serikat Pekerja Seluruh Indonesia) mehrfach darum, mit Freeport friedlich zu verhandeln. Aber das Unternehmen ließ sich auf keine Verhandlung mit der Gewerkschaft ein. Die Zwangsbeurlaubung und Massenentlassungen sind für Freeport ein Druckmittel in den Verhandlungen mit der Regierung und außerdem ein willkommener Vorwand, unliebsame Gewerkschaftler loszuwerden. Sie bezichtigten den Gewerkschaftsführer Sudiro der Veruntreuung von Geldern. Sudiro war seit den Streiks von 2011, bei der Freeport Arbeiter*innen und Leiharbeiter*innen gemeinsam mit der lokalen Bevölkerung für Lohnerhöhungen kämpften, der Konzernleitung ein Dorn im Auge. Freeport versuchte damals erfolglos, Sudiro zu bestechen. Während der Gerichtsverhandlungen um seinen Fall, am 12. und 20. April 2017 in Timika, kam es zu Demonstrationen vor dem Bezirksgericht. Bei der zweiten Anhörung kam es zu Ausschreitungen, vier Arbeiter*innen wurden durch Schüsse der Polizei verletzt.
Streiks der Freeport arbeiter*innen
Im April 2017 kündigte die Gewerkschaft geplante Streiks vom 1.-22. Mai 2017 gegenüber Freeport und bei der Polizei in Jayapura, der Provinzhauptstadt Westpapuas, an. Freeport war auch nach dreimaliger Verlängerung des Streiks bis zum 30. Juli 2017 nicht bereit, mit der Gewerkschaft zu verhandeln. Stattdessen erklärte Freeport den Streik als illegal und drohte, alle Arbeiter*innen, die sich länger als fünf Tage im Streik befanden, zu entlassen. Während eines erneuten Streiks am 19. August 2017 eskalierte die Lage. 2.000 Arbeiter*innen und Familienangehörige wurden von Soldaten und Spezialeinheiten der Polizei erwartet. Diese schlugen die Demonstration unter Einsatz von Wasserwerfern, Tränengas und Gewehren nieder, teilweise sogar, während sich die Demonstranten im Gebet befanden. Neben schweren Verletzungen und Schusswunden wurden einzelne Personen verhaftet, getreten und gedemütigt. Scheinbar gezielt wurden Gewerkschaftsmitglieder, die gar nicht an der Demonstration teilgenommen hatten, verhaftet. Inhaftierte wurden von der Polizei gefoltert.
Strategien der Arbeiter*innenbewegung
Neben den Streiks reichte die Gewerkschaft eine Beschwerde beim Arbeitsministerium ein, welches versprach, sich um den Fall zu kümmern. Das Ministerium betonte, Freeport hätte gegen das Gesetz verstoßen und kriminell gehandelt. Weiterhin sei der Streik legitim gewesen und Freeports Handeln verstoße gegen das Gewerkschaftsrecht. Das Arbeitsministerium beschloss letzten Endes jedoch, sich aus dem Fall herauszuhalten. Es handele sich um individuelle Klagen und daher solle es bilaterale Verhandlungen zwischen Freeport und den Gewerkschafter*innen geben. Bei einem Mediations-Treffen mit Freeportvertreter*innen, Gewerkschafter*innen und dem Abgeordnetenhaus kam es zu keiner Einigung. Freeport bot den betroffenen Arbeiter*innen Kompensationzahlungen an. Da diese weit unter den Vorstellungen der Arbeiter*innen lagen, lehnten sie ab. Daher schaltete die Gewerkschaft die Organisation Lokatbaru als legale Vertretung ein, die sich seither für die Rechte der Arbeiter*innen einsetzt.
Tödliche Folgen des Ausschlusses vom Gesundheitssystem
Arbeiter*innen versuchen, mit regelmäßigen Demonstrationen in Jakarta sowie vor Gericht weiter für Gerechtigkeit zu kämpfen. Der Protest wird unter schwierigen Bedingungen ausgetragen, nachdem die Betroffenen Arbeitsausfälle, Folter, Obdachlosigkeit, die Sperrung ihrer Bankkonten und Lohnausfälle erlitten. Einige Arbeiter*innen halten sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser, wie z.b. Motorradtaxifahrer*innen oder als Straßenverkäufer*innen, doch viele haben Schwierigkeiten genug Geld zum Überleben zu bekommen. Viele Kinder können nicht mehr in die Schule gehen, weil ihre Eltern die Kosten nicht mehr tragen können. Der Ausschluss der Arbeiter*innen vom Gesundheitssystem BPJS hatte schon tödliche Folgen – bisher sind 39 Menschen wegen fehlender medizinischen Behandlung gestorben. Dennoch kämpfen die Freeportarbeiter*innen unermüdlich weiter. Sie drücken Ihre Enttäuschung gegenüber der fehlenden Unterstützung der eigenen Regierung zum Beispiel durch Gedichte, Lieder und Demonstrationen aus.
Win-Win-Lose?
Seit Dezember 2018 ist eine neue Situation eingetreten. Nach jahrelangen Verhandlungen hat Freeport McMoRan einem Deal zugestimmt, bei dem der Bergbauriese Rio Tinto seine Aktienanteile an der Grasbergmine an das indonesische Staatsunternehmen PT Indonesia Asahan Aluminium (Inalum) für 3,85 Milliarden US-Dollar verkauft. Damit bekommt Inalum und so letztlich der indonesische Staat eine Aktienmehrheit von 51,23% an der Grasbergmine. Richard C. Adkerson, CEO von Freeport McMoRan, freute sich öffentlich über die künftige Zusammenarbeit mit der indonesischen Regierung und erwartet ein “vorbildliches Umweltmanagement und noch größere Vorteile für die Bevölkerung Papuas sowie den Arbeitnehmer*innen.” Zum Schicksal der von ihm entlassenen Arbeiter*innen verlor er kein Wort.
Zur Zeit der Fertigstellung dieses Artikels Anfang Februar demonstrierten ca. 50 Arbeiter*innen seit mehreren Tagen und Nächten ununterbrochen vor dem Präsidentenpalast in Jakarta. Sie wollen dort bleiben bis ihre Forderungen und die Versprechen des Stabschefs des Präsidenten, sich um den Fall zu kümmern, sobald die Regierung 51% der Anteile an Freeport übernommen hat, erfüllt wurden!
Dass Freeport Indonesia inzwischen mehrheitlich in staatlicher Hand ist, könnte die Grundlage dafür sein, die Wiedereinstellung der entlassenen Arbeiter*innen zu bewirken. Gerade im Wahljahr (im April werden Parlament und Präsident gewählt) könnte eine breite – auch internationale – Solidaritätsbewegung, Druck auf Präsident Jokowi ausüben. Die Frage ist, ob die Ressourcen des Landes nun tatsächlich für das Wohl der Bevölkerung genutzt werden.
Zum Weiterlesen:
- Azhar, H., Hidayat, N. (2018). Freeport’s Workers in Limbo: Report on the Condition of the Strike Workers of PT. Freeport Indonesia. Lokatbaru.
- Leith, D. (2002). Freeport and the Suharto Regime, 1965—1998. The Contemporary Pacific, 14 (1): 69-100.
- Linksammlung über Freeport in Westpapua
- Earthworks and MiningWatch Canada (2012): Troubled Waters: How Mine Waste Dumping is Poisoning Our Ocean, Rivers, and Lakes.
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