Laos: Die Pandemie hat Auswirkungen auf alle Laot*innen, doch sie betrifft den Alltag verschiedener Personengruppen auf unterschiedliche Weise. Dieser Beitrag lässt Hotelmanager, Arbeitsmigrantinnen und Bauern selbst zu Wort kommen.
Bereits seit Mitte Dezember 2019 machte Covid-19 die Runde in laotischen Medien und sozialen Netzwerken. Anfang Februar 2020 beschlossen der stellvertretende Premierminister und der Finanzminister die Einrichtung eines Sekretariats zur Prävention und Bekämpfung von Covid-19. Auf dieser Basis wurde Ende März 2020 ein nationaler Lockdown verhängt, der später schrittweise wieder aufgehoben wurde. Zugleich richtete die Regierung eine Informationswebsite ein. Laut dieser Seite gab es am 27. Januar 2021 (zum Zeitpunkt der Entstehung dieses Beitrags) nur 45 Fälle von Ansteckungen, über 40 Genesene, keinen Todesfall.
Trotz dieser niedrigen Zahlen hat die Pandemie Auswirkungen im gesamten Land. Doch sie betrifft den Alltag verschiedener Personengruppen auf ganz unterschiedliche Weise. In diesem Beitrag kommen in kurzen Ausschnitten Vertreter*innen verschiedener gesellschaftlicher Gruppen aus der Hauptstadt Vientiane sowie der gleichnamigen Provinz zu Wort: Hotelmanager in Vang Vieng, in Thailand arbeitende Arbeitsmigrantinnen und Landwirte aus dem ländlichen wie städtischen Umfeld. Sie berichten von ihrem Umgang mit der Pandemie. Die Gespräche wurden Ende Januar 2021 geführt.
Sichtweisen auf die Pandemie
Obwohl Covid-19 alle trifft, so trifft es doch alle unterschiedlich. Wie die folgenden Interviewausschnitte zeigen, sind die Auswirkungen der Pandemie komplex. Zwar verlaufen sie entlang sozio-ökonomischer Strukturen, dennoch scheint eine simple Einteilung in ‚Gewinner’ und ‚Verlierer’ nur schwer möglich.
Hotelmanager
Zu den Gruppen mit höherem Einkommen – zumal im Verhältnis zu den anderen Gruppen in diesem Beitrag – zählen Hotelmanager. Der Manager eines Hotels im Touristen-Hotspot Vang Vieng berichtet: „Wir, die Hotelvereinigung von Vang Vieng, sind sehr beunruhigt über die Auswirkungen von Covid-19. Normalerweise ist zwischen Ende Dezember und Anfang Januar die ‚Goldene Saison‘ für die Hotels im Land.“
Und der Manager eines anderen, sehr populären Hotels im Ort erklärt: „In unserem Hotel sind die Räume leer und der Pool ist still und verstaubt. In der Hotelvereinigung in Vang Vieng machen sich alle gegenseitig Mut, denn viele Mitglieder haben Schulden bei der Bank und sind deshalb sehr besorgt. Mein Hotel ist eines der beliebtesten in Vang Vieng, wir haben normalerweise zwanzig dauerhaft Angestellte. Vor Covid-19 hatten wir Tausende Buchungen, damit konnte ich sie bezahlen. Doch während Covid-19 sank die Zahl der Buchungen so stark, dass ich die Entscheidung treffen musste, Menschen zu entlassen. Und zwar zwei Drittel der Belegschaft, ohne jegliche Unterstützung. Die sind natürlich sehr unglücklich über meine Entscheidung. Doch selbstverständlich werden sie nach Covid-19 wieder eingestellt.“
Den derzeitigen Arbeitsalltag beschreibt der Manager so: “Normalerweise muss ich Anzug und Krawatte tragen, aber gerade bin ich Manager und Reinigungskraft in einem. Mir geht es momentan nicht viel besser als den anderen Angestellten. Gewöhnlich verdiene ich mehr Geld als Regierungspersonal oder die Angestellten in unserem Hotel, aber auch mein Einkommen hängt vom Einkommen des Hotels ab. Derzeit erhalte ich nur ein Viertel meines vorherigen Einkommens. Ich arbeite hier seit zehn Jahren und dachte bisher nie, dass diese Arbeit unsicher sein könnte. Doch jetzt müssen der Besitzer und ich Angestellte entlassen, um das Überleben des Hotels zu sichern. Ich habe da noch Glück, dass ich mit einer Frau aus Vang Vieng verheiratet bin und wir daher etwas Land hier haben, auf dem wir Geflügel halten und Gemüse für uns selbst anbauen können. Für unsere Angestellten, die kein Land haben, sieht es da schwieriger aus.”
Arbeitsmigrantinnen
Weitaus schlechter als der Manager haben es die Arbeitsmigrantinnen, die in Thailand arbeiten und nun aufgrund der Pandemie zurückgekehrt sind. Eine von ihnen sagte: “Wir sind aus Thailand zurückgekehrt, da es in den Textilfabriken, in denen wir sonst arbeiten, keine Arbeit mehr gibt. Wir arbeiten dort schon seit fünf Jahren. Nach unserer Quarantäne in einem Militärcamp östlich der Hauptstadt Vientiane gingen wir zurück aufs Dorf zu unseren Familien. Aber bei unserer Ankunft zu Hause hatten viele Menschen Angst, da Anfang März 2020 die meisten Ansteckungsfälle aus dem Ausland kamen. So mussten wir für weitere vierzehn Tage in unseren Häusern bleiben, bevor uns die Bewohner*innen wieder akzeptiert haben und wir von ihnen aufgenommen wurden.“
Eine andere Textilarbeiterin ergänzt: „Nun sind wir zurück bei unseren Familien, aber ohne Job. Wir arbeiten in Thailand ja in Fabriken, in denen es keine wirkliche Ausbildung gibt. So kommen wir hierher zurück, aufs Land, ohne besondere Fähigkeiten. Und so wissen wir nicht, wie wir uns über Wasser halten sollen. Wir helfen zwar unseren Eltern beim Hühnerhalten und beim Gemüseanbau. Aber unsere Familie hängt normalerweise von unseren Rücküberweisungen ab, die zum Beispiel unseren Geschwistern die Realschule finanzieren. Aber Hühner und Gemüse können eben kein finanzielles Einkommen ersetzen.”
Gemüsebauern
Für einen Gemüsebauern aus der Stadt stellt sich der Alltag unter Covid-19 wie folgt dar: “Ich bin aus Hadxaifong direkt am Mekong. Dort baue ich auf einem Hektar verschiedene Gemüsesorten an, von Frühlingszwiebeln und Salat über Gurken bis hin zu Auberginen und Chili. Der Beginn der Pandemie war für mich eine ‚goldene Zeit’, weil ich die gesamte Ernte an lokale Händler verkaufen konnte, die sie auch gleich direkt bei mir und anderen im Dorf abholten, da die Leute Nahrung zu Hause horteten. Doch nach dem Lockdown wurde es schwierig für uns, unsere Produkte zu verkaufen aufgrund der geringen Nachfrage. Ich denke, es gibt dafür drei Gründe: Erstens die geringeren Einkünfte bei unseren Kunden, und dass viele sich nicht wie sonst trauen, auf den Markt zu gehen. Es gibt auch keine Feste wie Hochzeiten, Neujahr oder das Raketenfestival, die große Mengen an Gemüse benötigen würden. Zweitens können die Menschen in Vientiane auch selber Gemüse anbauen, wenn sie von zu Hause arbeiten. Drittens leben in Vientiane viele, die aus dem ganzen Land zum Studieren oder Arbeiten gekommen sind. Wenn alles hier dicht macht, gehen viele von denen zurück in ihre Heimat. Das alles hat Auswirkungen auf mich als Gemüsebauer.“
Die Erfahrung eines ländlichen Gemüsebauers sieht ganz anders aus: “Meine Familie baut Gemüse zum Verkauf auf Märkten in der Hauptstadt und im Umland an, vor allem Kohl, Chinakohl und Zwiebeln. Normalerweise läuft der Verkauf über Mittelsmänner. Doch obwohl Händler reisen dürfen, finden sie keine Zeit mehr, Gemüse in die Stadt zu bringen. Weil viele Menschen aus Vientiane zurück in mein Dorf gekommen sind, werden wir Bauern dank der großen Nachfrage unseren gesamten Ertrag in unseren Dörfern los. Manchmal kommen Käufer direkt zu mir und ernten ihre Ware selbst. Was wir aber nicht tun dürfen, ist, die Preise zu erhöhen, da alle hier für ihren eigenen Konsum kaufen, nicht um Profit zu machen.“
Folgen der Pandemie
Diese Äußerungen verschiedener Personengruppen geben nicht nur Einblick in die alltäglichen Erfahrungen mit der Pandemie. Es zeigt sich auch, dass die Auswirkungen zwar entlang sozialer Unterschiede verlaufen, es aber dennoch schwierig ist, eindeutige Gewinner oder Verlierer dieser Krise auszumachen. Dennoch sind von den hier vorgestellten Personengruppen die Arbeitsmigrantinnen sicherlich am stärksten betroffen. Ihre Einkommen sind wichtig für das Vorankommen von Familienmitgliedern in Sachen Bildung – DEM Schlüssel zu sozialem Aufstieg und besseren Aussichten in der modernen laotischen Gesellschaft. Nun, da die Fabriken in Thailand geschlossen und sie zur Familie zurückgekehrt sind, fehlen ihnen aufgrund ihrer eigenen mangelnden Ausbildung die Mittel, um die Familie mit mehr zu unterstützen als ‚bloß’ durch Mithilfe in der Subsistenzwirtschaft.
Auch wenn er selbst seinen Job behalten konnte, musste der Hotelmanager mit der Kündigung seiner Mitarbeiter eine schwere und ihn belastende Entscheidung treffen. Auch sein Gehalt ist erheblich geschrumpft und bleibt abhängig vom Überleben des Unternehmens, welches wiederum über Kredite finanziert ist, deren Rückzahlung nun infrage zu stehen droht.
Bei den städtischen und ländlichen Gemüsebauern zeigte sich eine interessante Umkehr der Verhältnisse mit der pandemiebedingten Abwanderung zugezogener Vientianer in ihre Heimatdörfer. Bemerkenswert ist, dass bei allen Befragten das Thema der Subsistenzwirtschaft aufkommt – als eine altbewährte Strategie der Absicherung in unsicheren Zeiten. Was in diesem Zusammenhang die eindeutige Einteilung in Gewinner und Verlierer ebenfalls verkompliziert, ist das Zusammenrücken der Familien und die gegenseitige Hilfe innerhalb der erweiterten Verwandtschaft im Rahmen solch hergebrachter Absicherungsstrategien.
Die Interviews wurden vom Autor auf Lao geführt und ins Englische übersetzt.
Übersetzung aus dem Englischen von: Michael Kleinod.