Indonesien: Jakartas Überschwemmungen sind das Ergebnis einer verfehlten Stadtplanung. Seit der Kolonialzeit folgt diese dem kapitalistischen Paradigma des schnellen Profits. Die neuen Umzugspläne der Regierung haben das gleiche Ziel.
Als dieser Artikel im April 2020 geschrieben wurde hatte die Mortalitätsrate von Covid-19 (Corona) in Indonesien acht bis neun Prozent erreicht. Damit zählt Indonesien zu den tödlichsten Ländern für Menschen, die mit dem Corona-Virus infiziert sind. Das Epizentrum dieses Zustands liegt in der Haupstadt, Jakarta. Im März 2020 verzeichnete Jakarta über 4.000 Beerdigungen, beinahe 80 Prozent mehr als in “normalen Monaten” und so viele wie noch nie in den letzten zehn Jahren.
Die Covid-19-Pandemie ist für die Bewohner Jakartas der zweite schwere Schlag in diesem Jahr. Im Januar und Februar war es in Jakarta und seinen Satellitenstädten Bogor, Depok, Tangerang und Bekasi (sog. Jabodetabek-Region, d.R.) zu schweren Überschwemmungen gekommen, die 70 Todesopfer forderten und 187.000 Menschen obdachlos machten. Die Schäden wurden auf eine Billion Rupiah geschätzt (Quelle: Bank Indonesia).
Neben Überschwemmungen ist das beinahe 500 Jahre alte Jakarta dauerhaft von drei weiteren Gefahren bedroht: Luftverschmutzung, Absinken der Böden (land subsidance) und das Ansteigen des Meeresspiegels.
Jakarta – die zubetonierte Stadt
Die Überschwemmungen von 2020 gingen als schwerste seit 2007 in die Statistiken ein. Damals hatten 70 Prozent der Hauptstadt unter Wasser gestanden. Als Ursache gaben Meteorologen die stärksten Regenfälle seit den ersten Aufzeichnungen vor 154 Jahren an. Um das Ausmaß zu verdeutlichen: Das Wasservolumen, das in Jakarta als Regen zu Boden ging, entsprach 180 Millionen Kubikmetern. Damit könnte man 72.000 Olympia-Schwimmbecken füllen.
Dass diese Regenmengen zu einer Katastrophe führen, liegt daran, dass 80 Prozent der Stadtfläche zubetoniert sind. Fünf weitere Prozent nehmen asphaltierte Straßen ein. Offene Grünflächen, wo Regenwasser versickern kann, betragen gerade einmal 9,8 Prozent der Stadtfläche. Dabei sollte in einer Stadt wie Jakarta mit mehr als zehn Millionen Einwohnern [Jabodetabek über 30 Mio., d.R.] mindestens 30 Prozent unbebaute Flächen geben, damit Wasser versickern kann und keine Überschwemmungen entstehen. Mit den bestehenden Bedingungen sind die Flüssen und Kanäle der Stadt (drei Prozent der Fläche) extremen Belastungen ausgesetzt. Die Folge sind seit jeher Überschwemmungen.
Das verfehlte Paradigma der Stadtplanung reicht in die Kolonialzeit zurück. Eigentlich war das Gebiet, auf dem die Hauptstadt erreichtet wurde, ein von dreizehn Flüssen durchzogenes Sumpfgebiet. Die Prioritäten des globalen Kapitalismus sorgen seit der holländischen Kolonialzeit, d.h. seit der Ausbeutung durch die Vereinigte Ostindische Kompanie (VOC) dafür, dass Jakarta bebaut wird, als existiere es auf Festland.
Stadtplanung folgt kapitalistischer Profitlogik
Während der Überschwemmungen im Januar 2020 machten wir eine Video-Serie zum Thema ‘Wasserstadt Jakarta’. Die Bilder sollten auch eine Art Schocktherapie sein. Es ging uns darum, einen Diskurs anzustoßen darüber, dass die Flutnothilfe die eine Sache ist, dass es aber auch darum gehen muss, dass Stadtplanung generell entsprechend geographischer Gegebenheiten erfolgen sollte. Wir filmten Menschen, die sich an die Bedigungen eines Lebens am Fluss angepasst hatten, zum Beispiel Mittelschicht-Vertreter*innen, die jetzt in Stelzenhäusern leben. Aber wir stellten auch ärmere Stadtviertel in den Mittelpunkt unserer Filme, wo die Menschen sich einer Vertreibung durch die Stadtregierung widersetzt hatten und jetzt ihre Hütten nicht mehr direkt am Ufer errichten, um den natürlichen Schutz durch ein von Bäumen und Büschen bewachsenes Flussufer zu erhalten.
Mit der Video-Serie wollten wir aussagen: “Ihr könnt nicht einfach aus Venedig eine ‘trockene’ Stadt auf Festland machen, ohne dass dies sehr weitreichende und sehr teure Konsequenzen für diese Art von Megaprojekt hat.” Und wer jetzt an die ‘Erfolgsstory’ Amsterdam denkt, sollte nicht vergessen, dass die Mittel zum Aufbau vom Amsterdams Infrastruktur zu einem nicht geringen Teil aus der kolonialen Ausbeutung Indonesiens (damals noch Ostindien genannt) durch die Niederlande stammten.
Stadtviertel tragen ‘Sumpf’ in ihrem Namen
Viele Viertel in Jakarta tragen heute noch ‘Sumpf’ im Namen, was auf Indonesisch ‘rawa’ heisst. Rawa Belong (Sumpfiger Teich), Rawa Buaya (Krokodilssumpf), Rawa Mangun (Bebauter Sumpf), Rawa Sari (Blütensumpf), Rawa Bebek (Entensumpf) sind nur einige Beispiele. Diese überlieferten Namen sind der anthropologische Beweis dafür, dass es ein kollektives Gedächtnis für die geografischen Gegebenheiten Jakartas als einem von Wasser geprägten Gebiet gibt. Jahrhundertelang versuchten die Holländer, die Überschwemmungen von Jakarta zu beherrschen. Immer wieder scheiterten sie.
Vom Architektonischen bis zum Sozialen wurde der Stadt die Möglichkeit genommen, Wasser aufzunehmen. Das Wasser wurde zu einer Bedrohung stilisiert, anstatt es als natürliche Gegebenheit anzunehmen und zu einem Teil des städtischen Lebensstils zu machen. Das begann, als im damaligen Batavia Flüsse begradigt und Kanäle angelegt wurden, so dass die natürlichen ‘Parkplätze’ für Wasser verloren gingen. Damit einher ging eine beschleunigte Sedimentation. Trotz dieses massiv vorangetriebenen ‘Infrasrukturmanagements’, kam es in den Jahren 1895 und 1899 zu großen Überschwemmungen. Am 19. Februar 1909 erschien die Zeitung De Locomotief wegen der erneut aufgetretenen großen Flut mit dem Titel: “Batavia Onder Water” (Batavia unter Wasser).
Batavia wurde in den Händen des neuen Staates Indonesien zu Jakarta. Die rasant wachsende Bevölkerung traf erneut auf ein Paradigma der Stadtplanung, das die natürlichen Gegebenheiten von Sumpf und Flüssen ignorierte. Die Kommerzialisierung von Land, die ‘Real-Estate-Industrie’ und eine Genehmigungsbürokratie, die auf Patronen-Klienten-Beziehungen und entsprechenden beiderseitigen finanziellen Vorteilen beruht, verschärfen das Problem bis heute. Ökologische Faktoren wie der Erhalt von natürlichen Flussläufen oder soziale Faktoren wie die Anpassung an geographische Gegebenheiten, gelten in diesem herrschenden Paradigma als nicht relevant.
Flüsse als Hinterhof und Müllhalde der Anwohner
Betrachtet man die Häuser an den Flussläufen, sieht man ebenfalls, wie weit sich Jakarta von seinen natürlichen Gegebenheiten als Wasser-Gebiet entfernt hat. Wurden früher die Häuser in Richtung der Flüsse ausgerichtet (die auch Transportwege waren), stehen sie heute mit ihrer Rückseite zu den Flüssen. Die Flüsse wurden zum ‘Hinterhof’, zum Abfluss und zur Müllhalde der Haushalte.
Zugleich treibt die Stadt den Bau von Dämmen und Deichen voran und vermindert damit erneut den natürlichen Raum, wo Wasser versickern könnte. Da Deiche auf beiden Flussseiten Platz brauchen, werden die Bewohner armer Viertel an den Flüssrändern mit der Begründung vertrieben, dass ihr Siedeln am Ufer zu Überschwemmungen führt. Dabei haben diese Dämme in der Geschichte Jakartas die Stadt noch nie vor Überschwemmung bewahrt. Sie sind lediglich ‘schöner anzusehen’ in den Augen jener Stadtplaner*innen, die es ‘gerade und symmetrisch’ mögen. Im Jahr 2015 gab es 113 Fälle von Vertreibungen von Siedlungen, 2016 sogar 139. Einige dieser Fälle, die im Namen der ‘Flut-Prävention’ geschahen, haben wir im Film Jakarta Unfair dokumentiert.
Bis heute werden Viertel wie Bukit Duri, wo die Menschen vertrieben wurden, um Deiche zu errichten, vom Wasser überflutet. Die Bewältigung der Überschwemmungen belastet das kommunale Budget nun sogar noch mehr, weil das Wasser aus den überfluteten Vierteln in den Fluss zurück gepumpt werden muss. Mit dem Konzept des ‘Einmauerns’ der Flüsse (anstelle zum Beispiel der Planung von Vierteln mit Pfahlbauten) muss Jakarta inzwischen 478 permanente und 122 mobile Wasserpumpen betreiben.
Teufelskreis aus Energieverbrauch und Ausstoß von Kohlendioxid
Damit schließt sich ein Teufelskreis aus dem Verbrauch von Energie und dem Ausstoß von CO₂. Denn 62 Prozent des indonesischen Energieverbrauches stammen aus der Verbrennung von Steinkohle, weitere 25 Prozent werden auf der Basis von Erdöl und Erdgas generiert.
Während die ärmsten Bewohner der Stadt von den Ufern der Flüsse vertrieben werden, wird die Besetzung des städtischen Raums durch die Interessen des Kapitals in Form der Real-Estate-Industrie geduldet und gesetzlich geschützt. Diese ‘internen’ Faktoren sind das Vorspiel zu dem, was wir nun erleben, wo die ‘externe’ Variable namens Klimawandel hinzukommt. Dessen Folgen treffen auf Jakarta wie Feuer auf trockenes Stroh.
Von 1981 bis 2020 nahm die Zahl der Regentage in Indonesien um 1,1 Tage pro Dekade zu. Im Jahr 2016 verzeichnete die Behörde für Meteorologie, Klimatologie und Geophysik (BMKG) eine Jahresdurchschnittstemperatur, die um 1,2 Grad höher lag als der Durchschnitts-Wert der vergangenen 25 Jahre.
Die hohen Temperaturen (bis 2035 wird mit einer durchschnittlichen Erhöhung von 2 Grad gerechnet) wirken sich auf die Luftfeuchtigkeit aus. Sie bedeuten häufigere und stärkere Regenfälle, die das Risiko von Überschwmmungen erhöhen. Doch es gibt noch weitere Faktoren, die Jakarta zu einem der Orte in Südostasien machen, die von den Folgen des Klimawandels am meisten bedroht sind.
Absenkung des Bodens und steigender Meeresspiegel
Aus Richtung der oberen Flußläufe und in der Stadtmitte ist Jakarta ohnehin von Überschwemmung bedroht. Dazu kommt, da wo die Flüsse münden, der ansteigende Meeresspiegel. Doch bevor wir erneut den Klimawandel als ‘Feuer’ verurteilen, sollten wir uns die Bedingungen des ‘trockenen Strohs’ anschauen.
Selbst wenn man den steigenden Meeresspiegel, verursacht durch die Gletscherschmelze in der Antarktis, die jährlich mit rund 300 Milliarden Tonnen voranschreitet, außer Acht lässt, dringt wegen der absinkenden Böden bereits Meerwasser in die Bucht von Jakarta ein. In einigen Gebieten im Norden von Jakarta wurden Dämme errichtet, wie zum Beispiel in Muara Baru, wo ein sechs Kilometer langer Damm das Land schützen soll, das bereits einen Meter unter dem Meeresspiegel liegt.
An manchen Orten liegt die Geschwindigkeit des Absinkens der Böden bei 22-25 Zentimeter im Jahr. Sicher, das geschieht auch in anderen Städten. In Tokio zum Beispiel sank der Boden zwischen 1900 und 1970 um insgesamt 4,5 Meter. Doch das Tempo, in dem Jakarta ‚sinkt’, sucht seinesgleichen. Innerhalb von zehn Jahren sank der Boden in einigen Stadtteilen um bis zu 2,5 Meter. Das World Economic Forum bezeichnete Jakarta als eine der am schnellsten sinkenden Städte der Welt.
Dieses Absinken des Bodens hat vier hauptsächliche Gründe: Die Entnahme des Grundwassers, die Verdichtung der Bodenstruktur, Druck/Bodenbelastung sowie tektonische Faktoren. Am meisten Einfluss hat die Entnahme von Grundwasser für Trinkwasser, sanitäre Anlagen und Bewässerung. Von den rund zehn Millionen Einwohnern, die pro Jahr ungefähr 846 Millionen Kubikmeter Wasser verbrauchen, sind nur 40 Prozent an die städtische Wasserversorgung angeschlossen. Die Mehrheit der Einwohner Jakartas – eingeschlossen Büros und Unternehmen des formellen und des informellen Sektors – nutzen Grundwasser, das sie aus dem Boden pumpen. Die Verringerung des Wassers im Aquifer (der Grundwasser enthaltenden Gesteinsschichten) führt zum Absinken der Böden. Dieser Prozess wird durch die starke Bebauung Jakartas, durch die ein enormer Druck auf den Böden lastet, zusätzlich verschärft. Außerdem verdichten sich die Bodensedimente durch die oben genannten Faktoren von lockeren zu festeren Schichten.
Die ersten Opfer der sinkenden Stadt sind die vier bis fünf Millionen Menschen, die in den nördlichen Teilen Jakartas nahe der Küste leben. Manche von ihnen, wie die Bewohner von Kapuk, Muara Baru und Muara Angke leiden schon jetzt beinahe täglich unter Überschwemmungen durch in Landgebiete eindringendes Meerwasser (banjir rob). Diese Gebiete sind in der Regel von Menschen mittleren bis niedrigen Einkommens bewohnt. Die Überschwemmungen fügen den strukturellen Ursachen von Armut also noch neue, zusätzliche Belastungen hinzu, unter denen die Betroffenen leiden.
Ansteigender Meeresspiegel lässt Inseln versinken
Der steigende Meeresspiegel verstärkt das Absinken der Böden. Dies lässt sich eindrucksvoll am Beispiel der so genannten ‚1000 Inseln’ (Kepulauan Seribu) in der Bucht von Jakarta betrachten. Das Gebiet, das tatsächlich aus 180 Inseln besteht, erfährt massiven Landverlust. Von der Insel Onrust zum Beispiel, die einst 40 Hektar umfasste, ragt nur noch die Hälfte dieser Fläche aus dem Wasser.
Im Durchschnitt steigt der Meeresspiegel an Jakartas Küsten um sechs Milimeter im Jahr. Die Regierung möchte deshalb einen 30 Kilometer langen Damm entlang der Küste errichten. An den Flußläufen sollen weitere Dämme mit einer Gesamtlänge von 30 Kilometern gebaut werden. Doch damit nicht genug. Die Regierung treibt in einem fragwürdigen gigantischen Küstenentwicklungsprojekt die Landgewinnung von 5.100 Hektar Fläche im Norden von Jakarta und den Bau eines ‚Riesen-Damms’ voran. Im Rahmen dieses Projekts sind bereits drei künstliche Inseln entstanden, die kommerziellen Interessen von Grundstücks-und Immobilienunternehmen dienen. Ein Teil der Bautätigkeit wurde gestoppt, weil sich die politischen Verhältnisse in Jakarta nach den Gouverneurs-Wahlen von 2017 geändert hatten.
2016 produzierten wir einen Dokumentarfilm mit dem Titel Die Verlockungen der falschen Inseln (Rayuan Pulau Palsu). Die Regierung beteuerte, das Megaprojekt der Landreklamation stehe in Verbindung und die Giant Sea Wall, für die entlang von Jakartas Küste Straßen vom Damm zu den Inseln gebaut würden, sei eine ‚Riesenanstrengung’, damit Jakarta nicht versinke. Eine solche Argumentation beleidigt die Intelligenz der Öffentlichkeit. Denn Landgewinnung und Bebauung dieses Landes verschärften die Probleme dort, wo die Flächen schon jetzt am sensibelsten sind. Zugleich bedeutet das Projekt Giant Sea Wall eine gigantische Energieverschwendung. Denn den Flüssen, aus denen jetzt schon das Wasser mit Pumpen abgepumpt wird, wird ihr natürlicher Ablauf zum Meer genommen.
Damit die Öffentlichkeit ihr das Megaprojekt ‚abkauft’, argumentierte die Regierung, das die Giant Sea Wall auch als Trinkwasserreservoir diene. Dabei schafft sie es nicht mal, die Stadt mittels eines Leitungssystems mit Wasser aus dem Oberlauf der Flüsse, wo es noch relativ sauber ist, ausreichend zu versorgen. Wie sollte das dann wohl am Unterlauf mit seiner viel stärkeren Verschmutzung und Verzweigung aussehen?
Luftverschmutzung
In Südostasien gelten Jakarta und Hanoi als Städte mit der höchsten Luftverschmutzung. Die jährliche Feinstaubbelastung (PM2,5) Jakartas beträgt das Vierfache dessen, was die Weltgesundheitsorganisation als gesundheitsgefährdenden Grenzwert bezeichnet. Greenpeace Indonesia nennt dafür zwei Hauptursachen: Verkehrsabgase und Kohlekraftwerke.
Jakarta investiert nicht ausreichend in öffentlichen Nahverkehr. Im Gegenteil: Unsere Hauptstadt ist Spitzenreiter in der Privatisierung des Transportsektors. 4,4 Millionen Autos und 30 Millionen Mopeds fahren durch die Stadt. Dazu kommen die ‚Durchreisenden’ aus dem Großraum Jakarta (Jabodetabek). Täglich verkehren 3,5 Millionen Pendler zwischen Jakarta und ihrem Wohnort. Nicht einmal die Hälfte von ihnen nutzt öffentliche Verkehrsmittel.
Kohleverstromung ist die zweite Hauptursache für Jakartas Smog. In einem Radius von 100 Kilometern finden sich um Jakarta herum 22 Kohlekraftwerke. Damit ist Jakarta die von den meisten Kohlekraftwerken umgebene Stadt der Welt. Der Anteil von Kohleverbrennung an der Luftverschmutzung beträgt in Jakarta 33 bis 38 Prozent. Betrachtet man die Grenzwerte für Luftverschmutzung, gelten 22 Tage pro Monat in Jakarta als ungesund. Im August 2019 wurde Jakarta sogar als Stadt mit der schmutzigsten Luft weltweit ‚gekürt’.
Schon vor der Corona-Pandemie hatte das Umweltministerium bekannt gegeben, dass 57 Prozent der Einwohner Jakartas durch die Luftverschmutzung bedingte Gesundheitsschäden erleiden. Die entsprechenden Kosten, die die Bürger*innen für medizinische Behandlungen aufbringen müssen, wird auf 38,5 Billionen Rupiah geschätzt.
Über die Folgen der Umweltverschmutzung durch Kohlekraftwerke haben wir die Bevölkerung auch in unserem Dokumentarfilm Sexy Killers aufgeklärt (siehe Rezension des Films auf suedostasien.net). 30 Millionen Menschen haben diesen Film auf youtube gesehen. Doch weiterhin wird an den schmutzigen Energiequellen festgehalten, weil sie den Interessen von Indonesiens Oligarchen dienen.
Betrachtet man nun die Prognosen für die Klimawandelfolgen, die uns erwarten – Treibhauseffekt, Schmelzen der Polkappen, extreme Wetterereignisse – kann man sich ausmalen, dass Jakarta über kurz oder lang auf eine Katastrophe zusteuert.
Was tut die Regierung?
Die Regierung plant, Jakarta zu verlassen und ihren Amtssitz nach Kalimantan zu verlegen. Das ambitionierte Projekt, das bis 2030 vollzogen sein soll, bedeutet: Die Regierung lässt die alten Probleme hinter sich und schafft woanders neue Probleme der gleichen Art. Denn an den Ursachen, an der Ignoranz gegenüber nachhaltigen und umweltfreundlichen Entwicklungsperspektiven, ändert sie nichts. Die natürlichen Bedürfnisse der Menschen unterliegen einmal mehr der Herrschaft des Geldes.
Wenn dann in Kalimantan der Wald endgültig zerstört ist, wenn die Flüsse begradigt und eingedeicht sind und das Grundwasser erschöpft, beginnt möglicherweise das gleiche Spiel wieder von vorn. Inzwischen ist bekannt, dass eine Verbindung zwischen unserem Umgang mit der Umwelt und dem Auftreten von zoonotischen Infektionen [die von Tieren auf Menschen und umgekehrt übertragen werden können] besteht. Trotzdem setzen wir die Zerstörung unserer Umwelt und die Ausrottung von Wildtieren fort. Wir müssen schon verdammt viel Glück haben, wenn wir damit nicht schon bald nächste Pandemie verursachen.
Übersetzung aus dem Indonesischen von: Anett Keller.
Dandhy Dwi Laksono ist Journalist, Dokumentarfilmer und Gründer der Filmproduktionsfirma Watchdoc. Seit vielen Jahren beschäftigt er sich mit Landkonflikten, Umweltzerstörung und den ihnen zugrunde liegenden ökonomischen Interessen. Die Filme, die er dazu mit seinem Team veröffentlicht, sind auf dem youtube-Kanal von Watchdoc zu sehen.
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Indonesien – Jakartas Überschwemmungen sind das Ergebnis einer verfehlten Stadtplanung. Seit der Kolonialzeit folgt diese dem kapitalistischen Paradigma des schnellen Profits. Die neuen Umzugspläne der Regierung haben das gleiche Ziel.