Indonesien: Die Strukturen kolonialer Handelsmonopole wirken bis heute nach: Plantagen und Bergbau bringen mächtigen nationalen und internationalen Konzernen große Gewinne. Die „Zeche zahlen“ die lokale Bevölkerung und ihre Umwelt.
Es waren fremde und zugleich anregende Gerüche, die vor 500 Jahren die Aufmerksamkeit der ersten europäischen Seefahrer in Südostasien auf sich zogen. Pfeffer, Zimt, Nelken und Muskatnuss wurden zu Entdeckungen, die der westlichen Welt neue Geschmackserlebnisse ermöglichten. Gewürze dienten bis dato in Südostasien ’nur‘ als Tauschobjekte für chinesische Seide, indische Baumwolle, arabischen Kaffee und afrikanisches Elfenbein.
Nach der Ankunft der europäischen Händler begann ein globaler Kampf um die Kontrolle der Rohstoffe aus dem fernen Osten. Gewürze wurden im Europa des 16. Jahrhunderts so wertvoll wie Gold. Der Aufbau eines gigantischen kolonialen Handelsmonopols war die Konsequenz. Geschäftsleute strömten zu den Molukken, den Philippinen und in benachbarte südostasiatische Regionen, um Plantagen aufzubauen und mit Zwangsarbeit und Landenteignung einen enorm gewinnbringenden Seehandel voranzutreiben.
Suhartos Nelkenhandel nach Vorbild kolonialer Monopole
Das Geschäft mit Nelken war eines der profitabelsten und korruptesten Handelsmonopole der Kolonialzeit. Die Strukturen dieses Monopols dauerten fort. So etablierte die autoritäre Suharto-Regierung (1967–1998) nach kolonialem Vorbild unter anderem ein Handelsmonopol auf Nelken durch die Gründung der Badan Penyangga dan Pemasaran Cengkeh (Behörde für Marketing und Unterstützung des Gewürznelkenhandels, BPPC). Diese Agentur kontrollierte den gesamten Nelkenhandel in Indonesien, einem der weltweit größten Produzenten dieses Gewürzes. Allein der indonesische Binnenmarkt hat wegen der Produktion von Kretek-Zigaretten schon eine sehr große Bedeutung.
Suhartos Sohn Tommy hatte über die BPPC die exklusive Kontrolle über den Kauf, Verkauf und Vertrieb von Nelken im Land. Gemäß kolonialer Vorbilder waren dabei noch bis zum Jahr 2000 alle Kleinbauern gezwungen, ihre Nelken zu einem festgelegten Preis an die BPPC zu verkaufen, die dann die Nelken zu einem höheren Preis an die Tabakindustrie weiterverkaufte. Dieses Monopol führte zu massiven wirtschaftlichen Verzerrungen. Nelkenbauern erhielten oft viel weniger Geld für ihre Produkte, als sie auf einem freien Markt hätten bekommen können. Die BPPC konnte die Preise manipulieren, um den Profit zu maximieren, während die Kleinbauern um ihre Existenz kämpfen mussten.
Konzerne setzen auf Palmöl, Erdgas, Nickel und Zinn
Der Gewürzhandel hat im Vergleich zu anderen Rohstoffen inzwischen seine Bedeutung verringert. Palmöl, Kohle, Erdgas, Nickel und Zinn bringen jetzt den großen Gewinn und sind für das wirtschaftliche Wachstum des Landes von entscheidender Bedeutung.
Als ein Beispiel sei hier der indonesische Palmölsektor in den Fokus genommen. Er ist einer der wichtigsten Wirtschaftsbereiche des Landes und hat enorme Auswirkungen auf die lokale und globale Wirtschaft: Indonesien ist vor Malaysia der weltgrößte Produzent von Palmöl. Die indonesische Sinar Mas Group und Wilmar International mit Sitz in Singapur sind die beiden größten Palmölkonzerne der Welt. Diese Unternehmen kontrollieren Millionen Hektar Plantagen in Indonesien und Malaysia und sind mit zahlreichen Raffinerien und Produktionsstätten stark in die Verarbeitung und den Export von Palmöl involviert. Weitere bedeutende indonesische Konglomerate sind die Salim Group, Astra Agro Lestari und Musim Mas Group, die ihre Plantagen vornehmlich auf den indonesischen Außeninseln betreiben.
Die Nachfrage nach dem pflanzlichen Rohstoff ist ungebrochen und geht seit zehn Jahren steil nach oben. Unilever, Nestlé und Procter & Gamble sind nur einige der bekannten Hauptabnehmer, die in ihren Fabriken das Öl in eine breite Palette von Lebensmitteln, Kosmetika und anderen Konsumgütern für die Supermärkte weiterverarbeiten.
Während der Kolonialzeit waren die Missachtung von Menschenrechten und unfaire Handelsbedingungen kaum Thema für die westliche Welt. Kritische Stimmen, wie die der 1899 in Surabaya geborenen Journalistin Madelon Lulofs, die in ihren in den 1930er Jahren erschienenen Romanen „Rubber“ und „Koelie“ die sklavenähnlichen Zustände auf holländischen Plantagen auf Sumatra beschrieb, waren nur sehr vereinzelt zu vernehmen.
Heute versuchen Entwicklungsorganisationen mit verschiedenen Programmen die Palmölwirtschaft nachhaltiger zu gestalten. Die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) zum Beispiel will Kleinbauern besseres Know-how vermitteln. Faire Arbeitsbedingungen und besserer Zugang zu Marktpreisen stehen dabei im Fokus. Mit Hilfe dieser Programme sollen die Bauern lernen, nachhaltigere Anbaumethoden zu implementieren und dennoch wettbewerbsfähig zu bleiben. Die Produktivität soll erhöht werden, ohne die Umwelt zu schädigen – gleichzeitig sollen sich die sozialen Standards verbessern. Um zugleich die Ausweitung von Palmölplantagen in Regenwaldgebieten zu stoppen und die Zerstörung von wertvollen Ökosystemen zu verhindern, gibt es Schulungen für Kleinbauern und Projekte zur Aufforstung und zum Schutz von Regenwäldern.
Koloniale Kontinuitäten verhindern nachhaltige Entwicklung
Diese Maßnahmen mögen punktuell einige Erfolge erzielt haben. Sie lösen jedoch strukturell nicht den sozio-ökologischen Konflikt im Land: Für viele Kleinbauern und ländliche Gemeinden ist der Palmölanbau – trotz der zum Teil unmenschlichen Arbeitsbedingungen – häufig die einzige Einkommensquelle.
Nachhaltigkeitsvorgaben, die etwa die Ausweitung von Plantagen oder den Einsatz von Pestiziden einschränken, stehen oft im Widerspruch zum sozialen und wirtschaftlichen Druck, kurzfristig Einkommen zu generieren. Das verringert die Bereitschaft aller Beteiligten, langfristige Nachhaltigkeitsstrategien umzusetzen. Große Palmölkonzerne bremsen darüber hinaus durch ihren erheblichen politischen Einfluss den Fortschritt hin zu einer vollständig nachhaltigen Produktion.
Ungleiche Machtverhältnisse zeigen sich besonders dort, wo internationale Handelsinteressen mitspielen und Entwicklungszusammenarbeit ihre Anforderungen kaum durchsetzen kann. Dies verringert den Zugang zu Ressourcen für die lokale Bevölkerung. Vor allem Kleinbauern und indigenen Gemeinschaften leiden stark unter den sozialen und ökologischen Folgen der Expansion der Palmölplantagen. Ihre Lebensgrundlagen und traditionellen Landnutzungsrechte sind bedroht. Zugleich geht der Ausbau von Palmölplantagen mit Abholzung, Verlust der Biodiversität und Verschmutzung von Wasserquellen einher.
Ein möglicher Lösungsansatz im Widerstreit der Interessen schien zunächst der Zertifizierungsansatz des Round Table on Sustainable Palm Oil (RSPO): Die weltweite Organisation wurde 2004 auf Initiative des World Wildlife Fund (WWF) gegründet und bringt mehrere Tausend Interessenvertreter aus der gesamten Palmöl-Lieferkette an einen Tisch. Deren selbst erklärtes Ziel ist es, ökologische und soziale Standards in der Palmölproduktion zu fördern, wie zum Beispiel die Vermeidung von Entwaldung, den Schutz von Biodiversität und die Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Der RSPO setzt auf freiwillige Standards und erfreut sich internationaler Anerkennung. Firmen nutzen das Label weltweit für die Vermarktung ihrer Produkte.
Lückenhafte Zertifizierung: Wirtschaftliche Interessen gehen vor
Doch auch hier zeigen sich die großen Lücken, die in der ungleichen Machtverteilung der Interessengruppen erkennbar werden. Wo Plantagen auf sehr großen, unübersichtlichen Flächen angebaut werden, ist die Durchsetzung von Nachhaltigkeitsstrategien nach wie vor schwierig. Viele kleinere Produzenten, insbesondere in abgelegenen Gebieten, können die Anforderungen für eine RSPO-Zertifizierung nicht erfüllen. Sie sind zu komplex und teuer in der Umsetzung. Wenn solche Unternehmen doch einmal zertifiziert werden, profitieren sie bisweilen indirekt von einer früheren, illegal bereits vorhandenen Entwaldung.
Die gesamte Lieferkette lässt sich kaum zurückverfolgen. Kritiker bemängeln zudem, dass mächtige Akteure wie die Konzerne Unilever oder Nestlé ihre Mitgliedschaft nutzen, um Entscheidungen des RSPO im Sinne ihrer wirtschaftlichen Interessen zu beeinflussen. Umweltzerstörung, Arbeits- und Menschenrechtsverletzungen und Landraub werden so in der Außendarstellung häufig marginalisiert.
Hinzu kommt, dass die Arbeitsbedingungen auf Palmölplantagen unzureichend sind. Niedrige Löhne, fehlender Arbeitsschutz und Kinderarbeit halten sich hartnäckig, weil viele Menschen von der Plantagenarbeit abhängig sind und sich auch keine Alternativen für ein menschenwürdiges Leben mit ausreichendem Einkommen bieten.
Mitbestimmung ist zwingend nötig
Durch verstärkte Mitbestimmungsmöglichkeiten und Transparenz in der Entscheidungsfindung könnten die Interessen der Bevölkerung verstärkt berücksichtigt werden. Dorfversammlungen und Gemeinschaftsräte bieten eine Plattform, auf der Landbewohner*innen ihre Meinung äußern und am Planungsprozess teilnehmen können. Würden die Bedürfnisse der Landbevölkerung bei Projektplanungen sehr viel stärker berücksichtigt werden und würden sie beim Schutz und Management ihrer natürlichen Ressourcen stärker einbezogen, könnten Interessengegensätze verringert werden.
In der Folge würde ein verbesserter Zugang zu Land und Rohstoffen für lokale Gemeinschaften eine wirklich nachhaltige und gerechte Nutzung von natürlichen Ressourcen bedeuten. Eine schrittweise Landreform unter Beteiligung der betroffenen Bevölkerung würde die sozial-ökologische und auch die wirtschaftliche Dynamik sicherstellen. Erst dadurch könnten sich alte koloniale Machtstrukturen langsam auflösen und könnte eine gerechte Verteilung der Ressourcen langfristig ermöglicht werden. Das reicht weit in nationale Regierungsstrukturen hinein. Ein Prozess, der mit viel Energie angegangen werden muss, auch wenn er lange dauert.