Indonesien: Obwohl in der Verfassung festgeschrieben ist, dass jede*r Indonesier*in ihren Glauben frei ausüben darf, wird die LGBT-Community zunehmend von Religionsgemeinschaften diskriminiert und ausgeschlossen.
„Wenn ich bete, trage ich immer noch Peci [Kappe für muslimische Männer] und Sarong [zusammen genähtes Tuch], wie es Männer immer zum Beten tragen.“ Ayu Chantika ist eine Transfrau aus Brebes, Zentraljava. Sie erzählt ihre Geschichte, als sie ihr islamisches Gebet so verrichtet, wie sie es von ihren Eltern und vom Imam gelernt hat. Sie fährt fort: „Früher bin ich immer zur nächst gelegenen Moschee gegangen, um über den Islam zu lernen, obwohl ich schlechte Erfahrungen gemacht hatte, und von meinen Freunden aufgrund meines andersartigen Verhaltens gemieden wurde.“
Riri Wirayadi, eine Transfrauen-Aktivistin bei Srikandi Pasundan, berichtet von ähnlichen Erfahrungen: „Ich bin trotz meines Glaubens an die Existenz Gottes derzeit ziemlich unreligiös. Ich war lange Zeit in einer Kirche, aber die heute existierenden Religionen diskriminieren häufig die anderen, vor allem die Gender-Minderheit.“ Sie fügt hinzu: „Aber Gott bleibt in meinem Herzen, so dass ich weiter bete, in welcher Situation auch immer.“
Auch Restu, ein Transmann, der in Bandung lebt, hebt die Bedeutung der Religion für sein Leben hervor: „Meiner Meinung nach bestimmen Glaube oder Überzeugungen unser Leben. Ich habe lange nach dem richtigen Glauben gesucht, bevor ich mich entschieden habe, beim Islam zu bleiben.“ Er fügt hinzu: „Ich habe den Islam 2014 sehr umfassend studiert. Zu dieser Zeit war ich noch nicht in der Lage, mich zu meiner Geschlechtsidentität zu bekennen.“ Am Idul Fitri-Festtag 2021 [Feiertag am Ende des Fastenmonats Ramadan] trug er zum ersten Mal Männerkleidung zum Beten und saß mit seinen Brüdern in der Männerreihe zusammen.
Während des Freitagsgebets saß Randy, ein 28-jähriger Homosexueller, widerstrebend da und hörte dem Prediger zu, der sagte, dass LGBT- Menschen in dieser Welt niemals akzeptiert werden würden. Er sagte auch, dass ihre Gebete von Gott nicht angenommen würden.
Rechte von Gender-Minderheiten auf Glaubensfreiheit und Religiosität in Indonesien
Die Mehrheit der Gläubigen in Indonesien hält das Leben von LGBT für sündhaft. 2018 unterstützte der damalige Minister für Religionsangelegenheiten, Lukman Hakim Saifuddin, die Verurteilung von LGBT, obwohl er zugleich die Menschen aufforderte, Empathie für die Gruppe zu zeigen. Er fügte hinzu, dass es die Aufgabe von jedem religiösen Führer sei, „diese Menschen zu führen, dass sie ihre Lebensweise ändern„.
Zu Religion und Glauben heißt es in der indonesischen Verfassung in Artikel 28E Absatz (1): „Jeder hat die Freiheit, seine Religion zu wählen und nach seiner Überzeugung zu beten, seine Aus- und Schulbildung zu wählen, seine Nationalität zu wählen, in einem Territorium seiner Wahl zu leben bzw. es zu verlassen, sowie das Recht auf Rückkehr.“ Im 2. Absatz heißt es, dass der Staat jedem das Recht zusichere, seine Religion und Glauben frei zu wählen. Darüber hinaus besagt Artikel 29 Absatz 2, dass der Staat jedem Bürger die freie Ausübung seiner Religion bzw. seines Glaubens garantiert.
Indonesien hat den Internationalen Vertrag über bürgerliche und politische Rechte (International Covenant on Civil and Political Rights – ICCPR) durch das Gesetz Nr. 12 aus dem Jahr 2005 ratifiziert. Artikel 18 Absatz 1 des Gesetzes erwähnt, dass jeder das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit hat. Es umfasst die Freiheit, Religionen oder Weltanschauungen selbst auszuwählen, und die Freiheit, Religion oder Weltanschauung zu interpretieren, sowohl in Gottesdiensten als auch durch eigene Observation oder gemeinsames Lernen mit anderen Personen an öffentlichen oder geschlossenen Orten. Der Artikel 2 Absatz 1 ICCPR legt fest, dass sich jeder Vertragsstaat dieses Paktes verpflichtet, allen Personen in seinem Hoheitsgebiet und vorbehaltlich seiner Gerichtsbarkeit die in diesem Pakt anerkannten Rechte ohne jegliche Unterscheidung, wie zum Beispiel Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politische oder sonstige Anschauung, nationale oder soziale Herkunft, Vermögen, Geburt oder sonstiger Status, zu achten und zu gewährleisten.
Diskriminierung von LGBT nimmt zu
In den letzten Jahren wurden verfassungsmäßige Rechte zunehmend angegriffen, vor allem die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender (LGBT). Sie werden als ‚Abweichungen‘ eingestuft und erfuhren verschiedene Formen von Diskriminierung und Hass. Ihsan Gumilar, ein Neuropsychologe von der Al-Azhar-Universität Indonesien, sagte, dass LGBT eine psychische Erkrankung sei und auch andere anstecken könne. Er betonte dies bei einem Treffen der Arbeitsgruppe für Prävention und Eindämmung von Pornographie des Ministeriums für Frauenförderung und Kinderschutz.
Aus Padang in West-Sumatra kam ein weiteres schockierendes Erlebnis: 18 schwule Paare wurden von der Polizei festgenommen. Sie wurden dann von der Agentur für Sozialdienste gezwungen, sich einem „psychologisches Rehabilitationsprogramm“ für ihre Genesung zu unterziehen, das in bemerkenswerter Weise der islamischen Exorzismuspraxis Rukyah ähnelt. Erschreckenderweise sagte der damalige Chef der Nationalen Menschenrechtskommission, Ahmad Taufan Damanik, ausdrücklich, dass der Vorschlag zum Verbot von LGBT-Aktivitäten nicht gegen das geltende Gesetz verstoße. Er fügte hinzu, dass es angemessen sei, wenn dies ohne Gewalt durchgeführt werde, solange es nicht dazu führe, dass die LGBT ihrer Grundrechte verwehrt würden.
Humanität ohne Ausnahme, aber …
Beim Beten unterscheiden sich Menschen nicht in ihrem Geschlecht, auch nicht diejenigen, die hinsichtlich ihrer sexuellen Orientierungen in der Minderheit sind. Spirituell akzeptieren die meisten Vertreter*innen von Gender- Minderheiten ihre Identität. Sie sind stark, obwohl die meisten Indonesier*innen sie ablehnen. Die Mehrheitsbevölkerung sollte ihre Würde als Menschen sowie ihre Rechte respektieren, einschließlich ihrer Spiritualität und Religiosität.
Indonesien basiert auf Pancasila, der indonesischen Staatsphilosophie mit den fünf Prinzipien: der Glaube an einen Gott; Humanismus oder Internationalismus; Nationale Einheit; Beratung oder Demokratie; soziale und gerechte Wohlfahrt. Alle diese Prinzipien sind in der Regel in jedem geltenden Recht abgesichert. Darüber hinaus hat der Staat die Religionsfreiheit gesetzlich geschützt, wie zuvor erwähnt, in der indonesischen Verfassung UUD 1945, im Artikel 28E Absatz 1 und im Artikel 29 Absatz 2. Indonesien hat auch den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPBPR) ratifiziert durch das Gesetz Nr. 12 aus dem Jahr 2005, insbesondere im Artikel 18 Absatz 1 über das Recht auf Religions- und Weltanschauungsfreiheit.
Aber in Wirklichkeit wird die LGBT- Gemeinschaft von den meisten Indonesier*innen immer noch gering geschätzt und stigmatisiert. Schlimmer noch, Vertreter*innen des Staates versuchen anscheinend sogar, ihre Existenz und ihr Verhalten zu kriminalisieren, obwohl die bestehenden Gesetze und die Rechtsprechung ganz klar ihre Rechte garantieren. In diesem Bereich hat die indonesische Regierung noch einige Herausforderungen zu bewältigen, um Gerechtigkeit für die Gender- Minderheit in Bezug auf ihre Religions- und Glaubensfreiheit zu schaffen.
Übersetzung aus dem Englischen von: Hendra Pasuhuk
Dieser Essay wurde als Schreibprojekt nach Abschluss des Fellowship of Journalism Writing for Freedom of Religion and Faith präsentiert, das von der Pantau Foundation und der Deutschen Botschaft in Jakarta von März bis Mai 2021 durchgeführt wurde.
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Fanny Syariful Alam ist Regionalkoordinator der Bandung School of Peace Indonesia (SEKODI-Bandung), Preisträger des Nuffic Neso the Netherlands 2023 sowie Mitglied des Multi-Stakeholder-Forums zur Förderung des Gesetzentwurfs gegen gewalttätigen Extremismus in West-Java.
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