Timor-Leste: Der Gebrauch von Einweg-Kunststoffprodukten soll künftig verboten werden. Bis 2030 möchte die sich entwickelnde Inselnation alle Kunststoffabfälle recyceln. Entsprechende Gesetzesentwürfe und Vereinbarungen hat der Staatssekretär für Umwelt des Landes, Demétrio do Amaral de Carvalho, jüngst auf den Weg gebracht.
„Wir wissen, dass Plastik ein großes Problem für die Umwelt ist. Wenn wir uns einig sind, dass unser Ozean unser Vermächtnis ist, dann liegt es in unseren Händen, den zukünftigen Generationen einen gesunden und produktiven Ozean zu hinterlassen“, betonte der Staatssekretär für Umwelt, Demétrio do Amaral de Carvalho, im Herbst 2018 auf der Our Ocean Conference (OOC2018) in Bali/Indonesien.
Wechsel in die Politik
Der frühere Direktor der Umweltorganisation HABURAS, ausgezeichnet mit dem Goldman Environmental Prize, war 2017 in die Politik gewechselt. Er ist Mitglied der Partidu Libertasaun Popular (PLP). Die von Taur Matan Ruak (Präsident von Timor-Leste 2012 – 2017) geführte Partei nahm erstmals bei den Parlamentswahlen 2017 teil und erreichte passable 10,58% der Stimmen. Zu den vorgezogenen Neuwahlen 2018 trat sie mit den Parteien CNRT und Khunto im Bündnis Aliança para Mudança e Progresso (AMP) an. Das Bündnis erreichte die absolute Mehrheit im Parlament und löste die von der FRETILIN und Partidu Demokratiku gebildete Minderheitsregierung ab. Nach fast einjährigem politischem Stillstand wurde Taur Matan Ruak im Juni 2018 als Premierminister vereidigt.
Im Wahlkampf prangerte die PLP die um sich greifende Korruption an. Auch setzte sie weniger auf Großprojekte zur Entwicklung des Landes als ihre politischen Gegenspieler. In der PLP finden sich auffallend viele, auch jüngere, Persönlichkeiten, die sich bislang aus politischen Ämtern fern gehalten hatten. In den von der „Generation 1975“ (Politiker*innen und Widerstandskämpfer*innen der ersten Stunde) geführten Parteien sahen sie keinen Platz für sich.
Demétrio do Amaral de Carvalho hat sich Besonderes vorgenommen: er möchte eine ‚Null Plastik Politik‘ einführen und das Land zur ersten plastik-neutralen Nation der Welt machen. Timor-Leste stehe vor großen Entwicklungsherausforderungen in den Bereichen Gesundheit, Bildung und Armut. Doch das Land habe auch die Gefahr der Plastikbelastung erkannt und müsse sie angehen.
Wachsende Müllberge
„Allein in Dili (der Hauptstadt) wächst die tägliche Abfallproduktion von 190 Tonnen im Jahr 2015 auf 200 Tonnen 2018. Wenn wir diesen Trend fortsetzen, werden wir bis 2030 im ganzen Land täglich 400 Tonnen Abfall produzieren“, prognostiziert de Carvalho. Aktuell machen Kunststoffabfälle 20 Prozent des gesamten Abfalls aus. Auf das ganze Land gesehen erzeugt Timor-Leste täglich etwa 70 Tonnen Kunststoffabfälle, die größtenteils an Stränden und in städtischen Gebieten gesammelt und im Freien verbrannt werden. Und nicht wenige Kunststoffabfälle finden ihren Weg ins Meer.
Timor-Leste selbst produziert keinen Kunststoff. Die Geschäfte aber sind voll mit Produkten aus Plastik und solchen, die in Plastik verpackt sind. Mit dem Wiederaufbau des Landes nach dem Votum für die Unabhängigkeit 1999 und der damit einhergehenden wirtschaftlichen Entwicklung sind die Importe enorm gestiegen. Täglich werden Tonnen von Einweg-Wasserflaschen verkauft. Selbstverständlich sind alle Einkäufe in Einweg-Plastiktüten verpackt.
Hinzu kommen eine mangelnde Umweltbildung bei der Bevölkerung und ihr daraus folgender leichtfertiger Umgang mit Müll. Zwar stehen in Dili an öffentlichen Plätzen und in den Stadtvierteln gemauerte, offene Abfallsammelstellen bereit. Doch davon gibt es viel zu wenige. So verteilt sich rund um die Sammelstellen häufig der Müll. Er wird zu Timors einziger Müllkippe in Tibar, nahe der Hauptstadt Dili, gebracht und dort verbrannt. Mülltrennung gibt es nicht. Noch immer entsorgen viele Haushalte, aber auch Restaurants und Ladenbesitzer ihren Müll vor der Haustür oder werfen ihn in Bewässerungskanäle. In der Regenzeit wird der Müll dann ins Meer hinaus geschwemmt. Müllbrigaden sammeln zwar den Müll und räumen Strände, Straßen und Viertel, doch die derzeitige Abfallentsorgungswirtschaft kann den Anforderungen nicht ausreichend nachkommen.
Wachsendes Engagement
Mehr und mehr zivilgesellschaftliche Initiativen engagieren sich beim Säubern der Strände und in der Bildungsarbeit. So haben z.B. die Studierenden des Ajuda atu Estuda Stipendien-Programms, das durch die Stiftung Asienhaus unterstützt wird, eine öffentliche Umweltschutzaktion durchgeführt. Unter dem Motto: „Gemeinsam säubern wir unsere Küste – Eine sauberer Umwelt schützt unser Leben!“ befreiten sie Strandabschnitte vom Müll. „Wir hoffen, dass durch unsere kleine Aktion, das Bewusstsein für den Umweltschutz bei anderen Timores*innen wächst und den lokalen Behörden gestärkt wird“, betont Adilson da Costa, Koordinator des AAE Stipendienprogramms.
Damit die Gesellschaft bei der Entsorgung ihrer Abfälle mehr Sorgfalt walten lässt, möchte der Staatssekretär Demétrio do Amaral de Carvalho die Verordnung von 2008 über den Umweltschutz und die Abfallwirtschaft gezielter umsetzen. Dazu sollen in der Hauptstadt Kontrollen durchgeführt und Geldbußen für illegale Müllentsorgung verhängt werden.
Um die Menge an Plastik im Müll zu reduzieren, hat de Carvalho dem Ministerrat am 8. Mai 2019 eine Gesetzesverordnung über den Verkauf, die Einfuhr und die Produktion von Plastiktüten, Verpackungen und anderen Gegenständen vorgelegt. Die Verordnung setzt auf Verursacherprinzip, Wiederverwendung und Recycling.
Gesetzliche Weichenstellung
Der Gesetzesentwurf sieht eine schrittweise Umsetzung des Verbots von Einwegplastik vor. Zunächst müssen die Bedingungen geschaffen werden. Zu Anfang sollen die 500 ml Wasserflaschen im Import nicht mehr erlaubt sein und Einweg-Kunststoffe werden mit einer Sonderabgabe belegt. „In Zukunft muss jeder, der Einweg-Plastik, einschließlich Plastiktüten, importiert, eine spezielle Lizenz besitzen. Und wir werden eine Recyclingabgabe von etwa 30% auf den Wert dieser importierten Produkte erheben“, sagte Demétrio de Amaral. „Diese Maßnahme wird zumindest dazu beitragen, das Bewusstsein für die Umweltproblematik zu schärfen. Plastiktüten gehören zu den Dingen, die unsere Umwelt am meisten belasten. Dieser Eingriff soll die Menge an Plastik im Müll reduzieren“.
Die Umstellung soll nicht nur Hand in Hand mit Maßnahmen zur Umweltbildung der Bevölkerung gehen, sondern auch die Privatwirtschaft ist konkret gefordert. „Bevor die Regierung interveniert, sollten die Unternehmen kreative Lösungen finden. Wir brauchen Verantwortlichkeit bei den Händlern. Die Regierung kann nicht für alles Lösungen anbieten“, erläutert de Carvalho gegenüber der Presse.
Unternehmen in der Pflicht
Bei den Unternehmen ist diese Botschaft angekommen. Die Kmanek-Supermarktgruppe bietet inzwischen ökologische Taschen aus Maniok an. Clarence Lim, Leiter der Kmanek-Gruppe, betont, dass dies zumindest ein Schritt seines Unternehmens zur Förderung eines besseren Umweltmanagements und ein Beitrag für die timoresische Gesellschaft sei. „Wenn ich ihnen eine Plastiktüte gebe, gebe ich ihnen etwas Giftiges, und das will ich nicht“, sagte er. Andere Supermärkte ziehen inzwischen mit. Sie setzen auf die Strategie: Müssen die umweltgerechten Taschen bezahlt werden, so gewinnen sie bei den Verbrauchern an Wert und werden mehrfach benutzt.
Bereits im September 2018 hat das Go Green Entwicklungsunternehmen Scope Asia Timor-Leste gemeinsam mit lokalen Unternehmen das Seminar ‚Weniger Kunststoff, mehr Lebensqualität’ ausgerichtet. Fachleute und engagierte Unternehmer stellten innovative Lösungsvorschläge vor. Sie diskutierten konkrete Maßnahmen wie z.B. zu ‚Maniok als ökologische Alternative’, ‚Lösungen für den Wasserverbrauch ohne Kunststoffflaschen` und ‚EcoBox für organische Abfälle, Biogas und organische Düngemittel‘. Staatssekretär de Carvalho vertrat die Regierungsseite und warb für seine ‚Zero Plastic Policy’, die eine nachhaltige Strategie für Unternehmen sei.
Erstes kunststoff-neutrales Land der Welt?
Timor-Leste sagt Plastik nicht nur beim Gebrauch und der Eindämmung von Importen den Kampf an. Sondern es möchte auch zum ersten Land der Welt werden, das alle anfallenden Kunststoffabfälle recycelt. Zum Einsatz kommen soll ein katalytischer hydrothermaler Reaktor (Cat-HTR), eine an der University of Sydney von den Professoren Thomas Maschmeyer und Len Humphreys neu entwickelte Technologie. Nach Angaben der Entwickler seien in der Anlage hocheffizient „praktisch alle Kunststoffabfälle“ zu recyceln.
Zur Vermarktung haben die beiden Forscher das Unternehmen Licella gegründet. Diese wiederum hat die Mura Technology LtD. lizenziert, die Technologie weltweit einzusetzen. Im Mai 2019 unterzeichnete die Regierung von Timor-Leste mit Mura eine Absichtserklärung zum Bau einer 40 Millionen US-Dollar teuren Anlage. Mura verzichtete dabei auf seine Lizenzgebühren. Die Regierung trägt Land und Logistik bei und betrieben werden soll die Anlage, so die Vereinbarung, von einer gemeinnützigen Organisation namens RESPECT. Geplant ist, die Anlage bereits Ende 2020 in Betrieb zu nehmen. Die Betriebskosten gehen nicht zu Lasten des Staates. Er muss aber zunächst die Mittel für den Bau der Recyclinganlage aufbringen. Mit den Gewinnen sollen Gemeindeprojekten zu Umweltschutz unterstützt werden. Und sie sollen in die Bereitstellung kostengünstiger Energie und sauberem Trinkwasser für die Bevölkerung fließen.
„Das ist eine spannende Zusammenarbeit für uns“, sagte Demetrio do Amaral de Carvalho. „Es wird einen großen Unterschied bei der Reduzierung von Kunststoffabfällen machen und den Schaden für unser geschätztes Meeresleben verringern. Timor-Leste kann auch ein Beispiel für den Rest der Welt sein.“
Bis zum Jahr 2030 möchte Timor-Leste kunststoff-neutral sein und den Anteil von Plastik im Müll auf unter 5% bringen. Demetrio de Carvalho ist zuversichtlich, dass der Ministerrat seinen Gesetzesentwurf in Kürze bewilligen wird. Auf der Sitzung am 8. Mai 2019 billigte der Rat bereits den vom Minister der Staatsverwaltung, Abílio José Caetano, vorgelegten Antrag für ein Vergabeverfahren zur Umsetzung einer Investitionsstrategie für die Bewirtschaftung fester Abfälle in Dili. Dieser sieht zur Verbesserung der städtischen Umwelt eine effiziente Abfallentsorgung mit Containern, Müllfahrzeugen und moderner Ausrüstung der Deponie Tibar vor. Zur Erreichung der ambitionierten Klima- und Umweltziele braucht es noch viele weitere Schritte und Anstrengungen von allen Seiten.