Timor-Leste: Viele Mitglieder der Filmcrew von „Beatriz’s War“ haben die Zeit der indonesischen Besatzung erlebt und ihre Erfahrungen in den Film eingebracht. Dieser erzählt von der Zeit des Widerstandes aus der Perspektive der Frauen.
Beatriz stolpert durch einen Haufen von Leichen, auf der Suche nach ihrem Ehemann. Dies ist eine der Schlüsselszenen in „Beatriz’s War“, dem ersten Spielfilm aus dem jungen Timor-Leste. Der Film erzählt die Liebesgeschichte von Beatriz und Tomas, die in der Zeit des osttimoresischen Widerstandskampfes gegen die indonesischen Besatzer spielt.
Beatriz beginnt zu kämpfen
Der Film beginnt im Jahr 1975, als indonesische Truppen in Osttimor einmarschierten, nachdem das Land seine Unabhängigkeit von Portugal erklärt hatte. Beatriz flieht als Kind mit ihrer Mutter aus ihrem Dorf in ein Versteck der Widerstandsbewegung in den Bergen. Im Alter von elf Jahren wird Beatriz dort mit dem gleichaltrigen, schwächlichen Jungen Tomas verheiratet. Die beiden wachsen auf in einer Zeit, die geprägt ist von Flucht, Hunger und Tod. Die junge Beatriz wird zur aktiven Widerstandskämpferin. Während eines Waffenstillstandes 1983 ergibt sie sich – müde und hochschwanger – den Besatzern. Sie wird mit ihren Mitstreitern in das Dorf Kraras umgesiedelt.
Kurz nach der Geburt von Beatriz‘ und Tomas‘ Sohn richten die Besatzer in Kraras ein Massaker an und erschießen nahezu alle männlichen Bewohner des Dorfes. Beatriz wird aus einem entfernten Versteck Zeugin der Gräueltat, kann aber ihren Ehemann unter den Toten nirgends finden. Bald ist Beatriz die einzige unter den überlebenden Frauen in Kraras, die die Hoffnung noch nicht aufgegeben hat, dass Tomas noch am Leben ist.
Beatriz wird zur Anführerin der Frauen. Um zu überleben, hält sie Tomas‘ Schwester Teresa dazu an, die Frau des indonesischen Captain Sumitro zu werden, der das Dorf in seiner Gewalt hat.
Filmtrailer: „Beatriz’s War“
Der verschollene Mann kehrt zurück
Sechzehn Jahre später taucht Tomas plötzlich wieder auf. Aus dem zurückhaltenden Jungen, der der tapferen Beatriz früher nie Schutz bieten konnte, ist ein kräftiger Mann geworden. Doch schon bald überkommen Beatriz Zweifel: Ist dieser Mann, zu dem sie sich von Tag zu Tag mehr hingezogen fühlt, wirklich ‚ihr Tomas’ oder ein Betrüger?
Der Plot dieser fiktiven Liebesgeschichte ist dem französischen Spielfilm Die Wiederkehr des Martin Guerre entliehen, der wiederum auf einer wahren Begebenheit beruht. Martin Guerre war ein französische Bauer, der im 16. Jahrhundert spurlos verschwand, bis sich viele Jahre später ein Mann, der sich als der vermisste Guerre ausgab, seinen Platz im Leben der Ehefrau und des Umfeldes für sich beanspruchte.
Die Geschichte ist eingebettet in einen Hintergrund historischer Fakten. Sie spielt während der 24 Jahre dauernden indonesischen Besatzung bis zum 1999 von den Vereinten Nationen durchgeführten Referendum, bei dem die Mehrheit der Bevölkerung für die Unabhängigkeit Timor-Lestes stimmte.
Das Leid der Frauen
Der Film beschäftigt sich mit der Rolle der Frauen im Widerstand – ein Thema mit weltweiten Parallelen – das das heutige Timor-Leste im Zuge seiner Vergangenheitsbewältigung und Geschichtsaufarbeitung direkt betrifft. Deutlich wird dies im Film unter anderem in der Szene, als der zurück gekehrte Tomas seine Schwester Teresa eine „Verräterin“ nennt, als er von ihrer Ehe mit dem indonesischen Unterdrücker erfährt.
In der Realität gibt es sie, die osttimoresischen Frauen, deren Männer tot oder untergetaucht waren und die gezwungen wurden, ihre indonesischen Vergewaltiger zu heiraten. Diese Frauen werden auch heute noch von ihrem sozialen Umfeld geächtet und ausgegrenzt. Der Film leistet einen Beitrag zur Aufarbeitung der Situation dieser Frauen und zur Solidarität mit ihnen.
Prominent erwähnt wird im Film auch die Untätigkeit Australiens und der USA im Wissen über die indonesische Invasion. [Indonesiens Truppen hatten mit stillschweigendem Einverständnis der westlichen Welt die ehemalige portugiesische Kolonie Osttimor besetzt. Vor allem die USA und Australien sahen in Osttimor einen möglichen, potentiell kommunistischen Unruheherd, ein ‚zweites Kuba’, Anm. d. Red.]
Zeitzeugen als Statisten
Das Dorf Kraras ist ein echter Schauplatz, in dessen Umgebung indonesische Soldaten tatsächlich Morde an Zivilisten verübten. Bei vielen der Statisten, die in der Massakerszene zum Einsatz kommen, handelt es sich um Überlebende aus Kraras, die ihre Erinnerungen an das Massaker in den Film einbrachten. Dazu gehört auch das Detail, dass die Indonesier die zusammengetriebenen Osttimoresen vor der Erschießung zwangen, die verbotene Hymne des Widerstandes, Foho Ramelau, zu singen. Dies wurde dann als Vorwand genutzt, um das Feuer zu eröffnen. Insgesamt wird von mehr als zweihundert ermordeten Osttimoresen in Kraras berichtet.
Viele Mitglieder des größtenteils osttimoresischen Filmteams haben die Zeit der indonesischen Besatzung noch selbst miterlebt, wie etwa der frühere Falantil-Widerstandskämpfer Funu Lakan (im Film in der Rolle des Celestino dos Anjo, der kurz nach dem Kraras-Massaker ermordet wird). Regie führten die Osttimoresin Bety Reis, die 16 Jahre alt war, als ihr Land sich per Referendum für die Unabhängigkeit entschied, und der australische Filmemacher Luigi Acquisito, der mehrere Dokumentarfilme über Timor-Leste produzierte. Das Drehbuch schrieb die osttimoresische Hauptdarstellerin Irim Tolentino, die im Film die erwachsene Beatriz spielt, gemeinsam mit Acquisito.
Tolentino und weitere Darsteller in „Beatriz’s War“ hatten schon in dem australischen Spielfilm Balibo (2009) mitgewirkt. Er erzählt die Geschichte von fünf australischen TV-Journalisten, die im Zuge der indonesischen Invasion in Timor-Leste ermordet wurden. „Balibo“ gilt als der erste Spielfilm, der in Timor-Leste gedreht wurde. [In Indonesien wurde „Balibo“ von der Zensurbehörde verboten, da er angeblich den Beziehungen zu Timor Leste und Australien schaden könne, Anm. d. Red.]
Von Osttimoresen erzählt
„Die timoresischen Politiker sagten ihrem Volk, sie sollen vergeben, sich versöhnen und sich ein neues Leben aufbauen“, schreiben die Produzenten des Films. „Beatriz beschließt zwar, ein neues Leben aufzubauen, verweigert jedoch die Vergebung der Verbrechen gegen sie und ihr Volk. Sie will Gerechtigkeit und dies ist die Dialektik, mit der das heutige Osttimor konfrontiert ist.“
Beatriz’s War ist ein wichtiger Film, weil darin die Geschichte Timor-Lestes von Osttimoresen selbst erzählt wird: kritisch und zuweilen auch selbstkritisch. Eine international viel zu wenig beachtete Geschichte aus einer oft vergessenen Perspektive.
Der Film lief im Rahmen der Filmreihe „Südostasien auf der Leinwand“, veranstaltet von Stiftung Asienhaus, Deutsch-Indonesischen Gesellschaft, philippinenbüro im Asienhaus und dem Allerweltskino in Köln.
Rezension zu: Beatriz’s War (A Guerra da Beatriz), Luigi Acquisto, Bety Reis, Timor-Leste 2013, 105 min