Südostasien: Welchen Zusammenhang gibt es zwischen Entwicklungshilfe und Verletzung von Menschenrechten? Unser Autor hat dies am Beispiel der Philippinen und Thailand untersucht.
Die Theorie der Interessenkonvergenz hinterfragt die gängigen Theorien zur ‚Entwicklungshilfe‘. Insbesondere bezweifle ich die weit verbreitete Ansicht, dass es ‚Empfängerstaaten‘ an politischer Handlungsfähigkeit und Durchsetzungskraft mangelt, um die strategischen Ziele und die Umsetzung von ‚Entwicklungshilfe’-Programmen zu bestimmen. Stattdessen betone ich die wechselseitige Abhängigkeit zwischen ideellen und materiellen Aspekten der internationalen Entwicklung.
In meinem Buch Aid Imperium: United States Foreign Policy and Human Rights in Post-Cold War Southeast Asia habe ich gezeigt, dass ‚Entwicklungshilfe‘ im Zusammenspiel mit Public Diplomacy und öffentlichem Diskurs die Art und Weise beeinflusst, wie ‚Empfängerländer‘ staatliche Repression ausüben. Dies wiederum wirkt sich auf das Ausmaß der vom Staat begangenen Menschenrechtsverletzungen aus. Der Theorie der Interessenkonvergenz von ‚Entwicklungshilfe‘ und Menschenrechten liegen drei Kernthesen zugrunde.
- Wenn die Präferenzen von ‚Gebern‘ und ‚Empfängern‘ bei einer Vielzahl von Themen und politischen Fragen (sowohl im militärischen als auch im nichtmilitärischen/sozioökonomischen Bereich) übereinstimmen, wird die Entwicklungshilfe mit größerer Wahrscheinlichkeit für die Förderung von Demokratie und Menschenrechten sowie für die sozioökonomische Entwicklung eingesetzt. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die Regierung des ‚Empfängerlandes‘ bei der eigenen Bevölkerung eine hohe Legitimität genießt.
- Ausländische ‚Hilfe‘ wird eher zur Unterdrückung jeglicher Form politischer Opposition im eigenen Land eingesetzt, wenn folgende zwei Bedingungen erfüllt sind: 1) die Legitimität der ‚Empfängerregierung‘ ist im Inland schwach, und 2) sowohl die ‚Geber‘- als auch die ‚Empfängerregierung‘ verfolgen eine militaristische politische Agenda (zum Beispiel nach dem 11. September 2001 oder in der Zeit des Kalten Krieges).
- Unabhängig von den politischen Präferenzen der ‚Geber‘- und ‚Empfängerstaaten‘ werden staatlich begangene Menschenrechtsverletzungen insbesondere dann fortbestehen, wenn eine Kultur der Straflosigkeit in der Justiz sowie in Polizei- und Militärinstitutionen fest verankert ist.
Konvergierende Interessen als Bestimmungsgrund der Entwicklungspolitik
Ich vertrete die Auffassung, dass Entwicklungshilfe für ‚Empfängerländer‘ von Natur aus weder gut noch schlecht ist, sondern dass die Auswirkungen dieser externen Ressourcen auf die Situation der Menschenrechte von den gemeinsamen politischen Präferenzen und normativen Vorstellungen über ‚Entwicklungshilfe‘ abhängen. Die konvergierenden Interessen von ‚Geber‘- und ‚Empfänger‘-Staaten – in Verbindung mit der inländischen Legitimität der Empfängerregierung – prägen also in erster Linie die Kernziele und Umsetzungspraktiken sowohl der ‚Entwicklungshilfe‘ als auch der nationalen Politiken und Ressourcen, die wiederum das Ausmaß der staatlich verübten Menschenrechtsverletzungen bestimmen.
Um diese Kernthesen zu überprüfen, habe ich untersucht, welche Unterschiede es abhängig von den strategischen Zielen und dem Umfang der von den USA bereitgestellten Auslandshilfe bei der Verwirklichung der Menschenrechte in Südostasien gab. Konzentriert habe ich mich dabei auf den Zeitraum der 1990er Jahre bis 2016. Dabei analysierte ich die Beziehungen und Einflussfaktoren zwischen der US-Auslandshilfe und der Diplomatie im Hinblick auf die Menschenrechtssituation in den Philippinen und in Thailand zum einen innerhalb dieser beiden Länder und zwischen den beiden Ländern.
Vom Fokus auf Demokratie und Menschenrechte zum Antiterrorkampf
Nach dem Ende des Kalten Kriegs war die Zeit nach 1990 zunächst geprägt von Forderungen nach verfassungsmäßig garantierten Menschenrechten und demokratischer Regierungsführung. Die US-Regierung unter Clinton erhöhte ihre Auslandshilfe für Thailand und die Philippinen und legte einen besonderen Fokus auf die Förderung von Demokratie, Menschenrechten, bilateralem Handel und sozioökonomischer Entwicklung. Die menschenrechtsorientierte Entwicklungszusammenarbeit der USA in den 1990er Jahren traf einerseits auf Unterstützung der ‚Empfängerregierungen’ als auch der dortigen Bevölkerung. Die beiderseitige Unterstützung von Menschenrechten beförderte eine Abkehr vom Militarismus, sowohl auf Seiten des ‚Geberlandes‘ als auch der ‚Empfängerländer‘.
Die schweren Menschenrechtskrisen in den Philippinen (Arroyo-Regierung, 2001-2010) und in Thailand (Thaksin-Regierung, 2001-2006) ereigneten sich nach dem 11. September 2001, als im Rahmen des von den USA geführten Krieges gegen den Terrorismus zahlreiche Hilfsgelder zur Terrorbekämpfung bereitgestellt wurden. Die Bush-Regierung tolerierte im Zuge der Hilfe bei der Terrorbekämpfung die gewaltsame Unterdrückung bewaffneter und unbewaffneter politischer Opposition, die als Bedrohung für die äußerst instabilen Regime von Thaksin in Thailand und Arroyo in Philippinen angesehen wurden.
China als neuer Akteur in der US-dominierten Entwicklungspolitik?
Mit dem Aufstieg Chinas und seiner wachsenden Bedeutung als Gegenpol zur US-dominierten Entwicklungspolitik, stellt sich die Frage, welche Auswirkungen die oben erwähnte Geschichte der US-Entwicklungshilfe in Südostasien nach dem Kalten Krieg für das Verständnis der gegenwärtigen Rivalität zwischen den USA und China hat.
In dieser Ära globaler Umwälzungen ist das Überleben des derzeitigen Regimes und seiner verfassungsmäßigen Ordnung das wichtigste Ziel der Kommunistischen Partei Chinas, einschließlich des Präsidenten Xi Jinpings. Das Überleben des Regimes hängt in erheblichem Maße von der Fähigkeit des Staates ab, auch weiterhin ein großes Wirtschaftswachstum zu erzielen und öffentliche Güter bereitzustellen, und dabei gleichzeitig die politische Opposition im In- und Ausland zu unterdrücken.
Der Erfolg von Chinas Streben zur Weltmacht hängt letztlich davon ab, inwieweit es Peking gelingt, die militärische Vorherrschaft der USA im indopazifischen Raum nachhaltig zu brechen. Hierzu gab Peking die rechtswidrige Errichtung von künstlichen Inseln und Infrastrukturen im so genannten südchinesischen Meer in Auftrag, eine Meeresregion, durch die fast 60 Prozent des Welthandels fließen. Mit der Präsenz in dem umstrittenen Territorium dehnt Peking seine maritime und militärische Kontrolle aus, über seinen traditionellen Machtbereich hinaus und mit dem Ziel, in einer hart umkämpften Weltwirtschaft mehr Einfluss zu erlangen.
Während die USA in Bezug auf Umfang und Ziele der verschiedenen Hilfsprogramme und Finanzierungsinstrumente bemerkenswert transparent sind, fehlt im Falle Chinas noch eine klare Übersicht über den Umfang der offiziellen Entwicklungshilfe- und Finanzprogramme, um es mit Geberländern im globalen Norden vergleichen zu können.
Unterschiede zwischen Peking und Washington gibt es auch hinsichtlich der Rechtfertigung der Entwicklungszusammenarbeit. Washington beruft sich auf demokratische Regierungsführung und Menschenrechte als Kernprinzipien für globale Entwicklung. Peking hingegen rechtfertigt sein Engagement mit Süd-Süd-Kooperation, einem bedingungslosen Altruismus und einem staatszentrierten Entwicklungsrahmen.
Daher sollten weder China noch die USA als ‚wohlwollende Akteure‘ im globalen Entwicklungssektor betrachtet werden, wo Machtkämpfe und antagonistische Identitätsunterschiede zwischen rivalisierenden Staaten eine entscheidende Rolle spielen.