Timor-Leste: Joviana Guterres, Kiera Zen und Ego Lemos erklären in diesem Interview, wie nationale Identität, Kampf um die Befreiung, aktuelle politische Themen und einzigartige osttimoresische Ideale in traditionellen und neuen Liedern verständigt werden.
Zuallererst: Könnten Sie unseren Leser*innen etwas über sich erzählen? Wie würden Sie sich beschreiben?
Ego Lemos: Ich bin ein osttimoresischer Sänger und Songwriter. Ich wurde 1972 geboren. Im täglichen Leben bin ich Permakultur-Bauer und –Aktivist. Wir arbeiten daran, im ganzen Land Schulgärten und Wasserspeicher einzurichten, um die Umweltsysteme wiederherzustellen. Außerdem organisieren wir alle zwei Jahre ein Permakultur-Jugendcamp. Meine Musik ist von meiner Arbeit inspiriert und meine Arbeit ist von Musik inspiriert.
Kiera Zen: Ich bin ein gewöhnlicher Osttimorese, der versucht, etwas für sein Land zu tun. Ich bin auch Songwriter. Ich weiß nicht, ob man mich als Künstler bezeichnen könnte. Wir haben das erste Orchester in Timor gegründet, Berliku Fanu Rai (BFR). Wir wollen den jungen Timores*innen mehr Möglichkeiten geben, ihren Weg dorthin zu finden, wo sie hinpassen, in diese Gesellschaft.
Joviana Guterres: Ich bin 30 Jahre alt, habe in Hawaii studiert und arbeite bei der Menschenrechtsorganisation AJAR Timor-Leste. Seit 2017 trete ich mit eigenen Songs auf. Für mich war und ist die Musik wie ein Segen. Es war endlich eine Gelegenheit mich selbst zum Ausdruck zu bringen. Meine Musik ist stark aus dem Umfeld meiner Arbeit geprägt.
Musik wird häufig für politischen Protest genutzt. Könnten Sie uns erläutern, wie Musik als Mittel von Bewegungen in Timor-Leste verwendet wird? Welche Rolle hat Musik während des Widerstandes gegen die Besatzung durch Indonesien 1975 – 1999 gespielt?
Ego Lemos: Während des Widerstands war nicht vielen Menschen bewusst, dass Musik und Kultur mächtig und einflussreich sind. Wir hatten einen diplomatischen Widerstand, wir hatten einen zivilen (Clandestino-)Widerstand, wir hatten einen bewaffneten Widerstand. Aber wir haben vergessen, dass kultureller Widerstand eine sehr wichtige Rolle dabei gespielt hat, die Kultur der Osttimores*innen lebendig zu halten. Der Geist der Musik erweckte die Willenskraft und Stärke, für die Unabhängigkeit zu kämpfen.
Kiera Zen: Wie ihr wisst war der Kampf gegen Indonesien sehr schwierig. Wir mussten einen Weg finden, uns zu widersetzen. Und auch einen Weg finden, mehr Einfluss zu erlangen; nicht nur mehr Osttimores*innen zu überzeugen, sondern auch mehr Indonesier*innen, mehr Außenstehende. Dazu diente auch Musik. Während des Widerstands im Dschungel benutzten die Freiheitskämpfer*innen Musik als heilende Kraft und um den Revolutionsgeist zu stärken. Und noch immer, bis heute, wird anerkannt, dass Musik viel zur Bewegung beigetragen hat.
Joviana Guterres: Im Film Generation 99 (Truth, Reconciliation and Rock & Roll in Timor-Leste), den wir bei AJAR gerade gemacht haben, wurde über die Rolle der Musik im Widerstand berichtet. Während der Zeit des Widerstandes gab es drei Fronten: den studentischen Widerstand durch die Clandestinos, die diplomatische Front und den bewaffneten Widerstand durch die Falintil. Die Front der Kunstbewegung wurde nicht erwähnt. Musik gab der Widerstandsbewegung Mut und den Willen weiterzukämpfen. Die Widerstandskämpfer*innen in den Wäldern hatten auch Instrumente mit – so haben mir es andere erzählt – und sie haben ihre eigenen Lieder komponiert. Die Songs erzählten vom Widerstand, aber sie waren immer ‚verpackt‘. Zum Beispiel als ganz einfache Liebeslieder, damit die Besatzer sie nicht erkennen konnten. Nur wir Osttimores*innen konnten wirklich die Metaphern verstehen. Wir konnten diese Lieder so überall singen. Auf diese Weise bekam die Musik eine starke Rolle in der Widerstandsbewegung.
Welche Musiktraditionen wurden im Widerstand gepflegt, auf welche Vorbilder konnte zurückgegriffen werden? Inwiefern hat die Musik die Identität und Einheit der Menschen in Timor-Leste gestärkt?
Ego Lemos: Viele traditionelle Lieder, beliebte Lieder, erhielten revolutionsbezogene Songtexte. Wie allgemein bekannt wurde das traditionelle Lied Kolele Mai (in der Fassung der australischen Band Midnight Oil zur solidarischen Unterstützung von Osttimors Kampf) von Fransisco Borja da Costa verändert [Anmerkung der Autorinnen: Borja da Costa wurde am 8. Dezember 1975, dem Tag nach Beginn der indonesischen Invasion in Osttimor, von indonesischen Streitkräften hingerichtet. Er war Mitglied im Zentralkomitee der Partei Fretilin]. Er hat dem Lied eine ausdrucksstarke revolutionäre Lyrik gegeben, um die Menschen damit aufzurufen, weiter für Unabhängigkeit zu kämpfen. Und so haben viele Lieder den Menschen geholfen. Musik war inspiriert von der Situation und dem politischen Druck. Also schrieben wir auch Lieder über Frieden und Einigkeit.
Ich war drei Jahre alt, als Indonesien 1975 einmarschierte. Während ich erwachsen wurde, war Kolele Mai Tanzmusik. Der Rhythmus war weiterhin derselbe, die Melodie ebenso, Menschen sangen es mit einem fröhlichen Text. Aber die meisten wussten, es ist ein Revolutionslied. Es ist ein sehr beliebtes Lied. ein traditionelles Lied aus Baucau. Nach demselben Prinzip schrieb ich 1999 das Lied Hadomi Timor (Liebe zu Timor). Der Liedtext ist nicht so freimütig, ich musste viele Metaphern benutzen. Aber alle Osttimores*innen verstanden, welches Gefühl mit diesem Lied zum Ausdruck gebracht wurde. Zum Beispiel hat Soe Isin Lemorai, einer unserer strahlendsten Singer-Songwriter, der bereits verstorben ist, ein Lied namens Hau hakarak kaer ba fitun geschrieben. Er schrieb es, als er im Gefängnis war. Die Menschen mögen denken, dass er damit einfach meinte, ‚Ich will nach den Sternen greifen.‘ Aber was er wirklich sagen wollte war, dass Timor-Leste früher oder später unabhängig werden würde.
Ich denke viele Songwriter*innen haben eine Menge Metaphern in ihrer Musik benutzt, um die Menschen damit in Richtung Unabhängigkeit zu bewegen. Selbst unser Unabhängigkeitsführer Maun Xanana schrieb Lieder während des Widerstands im Dschungel, auch wenn er sie nicht aufnahm. Und auch einige Guerillakämpfer*innen komponierten Lieder. Ich denke die Bedeutung der Lieder liegt darin, die Tatkraft und den Kampf für die Unabhängigkeit aufrecht zu erhalten. Deshalb sind Musik und Kultur sehr wichtig. Sie haben einen großen Einfluss darauf, Menschen zusammenzubringen. Ob sie aus Los Palos, aus Tutuala, aus dem Osten, Süden, Norden und Westen von Osttimors kommen, der Rhythmus und die Bedeutung der Lieder bleiben die gleichen. Die Liedtexte mögen anders sein. Die Instrumente, die die Menschen benutzen, wie etwa die Trommel, bleiben die gleichen.
Auch wenn Indonesien ein mächtiges Land ist, so konnten sie uns nicht auseinanderdividieren, weil die Musik durch das gesamte Land floss. Es ist etwas Gutes, dass die Kultur in Timor sich noch bis heute so zeigt.
Kolê lele mai rade kokodelê kôle hele laloi kôlele mai
I
Was sorgt dafür, dass dein Korn nicht wächst?
Was sorgt dafür, dass dein Reis nicht blüht?
II
Was sorgt dafür, dass dein Bauch nicht satt wird?
Was sorgt dafür, dass euer Schweiß nicht trocknet?
III
Manche sagen, du seist faul, manche sagen, du seist dumm
Manche sagen, es sei Dummheit, andere sagen, es sei die Armut
IV
Was ist der Grund dafür?
Wer, wer, ist wirklich verantwortlich?
(Text von Fransisco Borja da Costa zum Lied Kolele Mai, übersetzt aus dem Englischen aus: Jolliffe, Jill (1976). Revolutionary Poems in the Struggle Against Colonialism. Timorese Nationalist Verse. Sydney. S. 31)
Kiera Zen: Musik als Mittel zum Widerstand begann mit Borja da Costa und seinen Gedichten über Timor-Leste. Sie waren sehr neu, inspirierend und motivierend für viele Osttimores*innen. Borja da Costa und Abilio Araujo sind für mich diejenigen, die die Basis dafür geschaffen haben, dass Musik als Teil der Bewegung genutzt wird. Und es gab die Band Cinco do Oriente (The 5 Do Oriente 1972). [Anmerkung der Autorinnen: Von den fünf Bandmitgliedern sind während der indonesischen Besetzung drei nach einem Auftritt vor dem Hotel Dili ‚verschwunden‘ und kehrten nie zurück. Toto Lebre gründete die Band 1995 neu. Heute hat die Band fünf neue Mitglieder und spielt weiterhin traditionelle timoresische Musik in Verbindung mit modernen Klängen]
In Australien schrieb beispielsweise Agostinho Moniz den romantischen Song Maria (das Original auf Youtube sowie eine Live-Coverversion der Dili Acoustic Community (DAC) von 2018). Deshalb dachten die Indonesier*innen, wenn wir dieses Lied sangen, ‚Oh, das ist ein Liebeslied‘, aber wir Osttimores*innen wussten, dass es ein Lied über Timor-Leste ist.
Die jüngere Generation hat sehr von diesen Künstler*innen gelernt. Und später in den 1980ern bis in die 1990er etablierten sich einige Musikgruppen. Lieder wurden einzig dafür geschrieben, die Bewegung zu mobilisieren und den Kampfgeist junger Osttimores*innen anzufachen. Eins der Lieder, an das ich mich erinnere, ist Lemorai. Es handelt davon, dass alle Osttimores*innen in die Welt hinausziehen, um für Unabhängigkeit zu kämpfen. Sie bringen sich mit allem in die Bewegung ein, was sie können. Und dann später, 1999, veröffentlichte die Lahane Group die Lieder Oras to’o ona (Die Zeit ist gekommen) – was das Lied der Mission der Vereinten Nationen in Osttimor (UNAMET) zur Durchführung der Volksbefragung 1999 war – und Loron aban hahu ohin (Das Morgen beginnt heute).
Das Lied erlange Kultstatus im Rahmen des Referendums 1999 und hielt alle dazu an, für unsere Freiheit wählen zu gehen. Musik spielt also verschiedene Rollen und hat eine Menge beigetragen. Um diesen Geist aufrechtzuerhalten und sich an diese Lieder und ihre Rollen im Kampf um die Befreiung zu erinnern, ließ ich unser Orchester Berliku Fanu Rai diese Lieder in Orchesterformaten schreiben. So werden sie an die jungen Generationen weitergegeben.
Ist Musik heute noch ein Instrument, um politische, soziale und ökologische Anliegen auszudrücken? Und ist Musik auch ein Mittel zur Förderung von Bildung?
Kiera Zen: Ich denke, Musiker*innen haben eine wichtige Aufgabe darin, Menschen mit ihrer Musik zu unterstützen und zu mobilisieren. Zwischen 2002 und 2005 war ich in einer Band namens Rai Nain (Indigene). In fünf Songs, die ich geschrieben habe, habe ich den damaligen Premierminister Mari Alkatiri von der Partei Fretilin kritisiert. Für mich war er ein ziemlicher Diktator, also habe ich mit einem Lied namens Keta protestiert. Er hat Menschen wie uns, die in Indonesien ihren Universitätsabschluss machten, beleidigt. Er nannte uns ‚Sarjana Supermie‘, also ‚Instantnudel-Absolvent*innen’. In einem meiner Lieder habe ich geantwortet, „Ja, wir sind ‚Sarjana Supermie‘, aber wir essen Pflanzen, die aus der Natur kommen. Aber Sie essen Käse, der vom Tier kommt. Deshalb ist Ihre Mentalität so verbittert im Umgang mit Menschen.“
Es ist wahr! Meine Eltern waren auf Seiten der Fretilin. Nun wurde ich so wahrgenommen, als wäre ich gegen die Partei. Ich habe ihnen gesagt: „Schaut, ich war mit euch drei oder vier Jahre im Dschungel. Und was ich während des Kampfes gelernt habe ist doch, dass es um Konsens und um Selbstkritik geht. Es geht darum, Unterschiede zu akzeptieren und zusammen eine Lösung zu finden. Man darf anderen die eigene Vorstellung als den richtigen Weg nicht diktieren.“ Ich sehe, dass diese Ansätze nicht mehr Teil des Geistes von Fretilin sind. Ich habe einen anderen Song namens Nasionalismo geschrieben, um diese Sorge, wie die Fretilin mit Menschen umgeht und welch unmenschliche Ansätze sie in der Politik verfolgt, auszudrücken.
Viele Musiker*innen in Timor-Leste sind und waren politisch motiviert. Glauben Sie, dass dies sich so fortsetzen wird, und engagieren sich junge Menschen?
Ego Lemos: Ja. Ich denke, während des Widerstands wurde Musik genutzt für Einigkeit und um die Menschen zusammenzubringen. Auch heute spielt Musik noch eine wichtige Rolle für die Entwicklung des Landes. Ich glaube mittlerweile sind viele überrascht, wenn sie Singer-Songwriter*innen sehen, die inspirierende Lieder schreiben. Wir haben heute auch weibliche Singer-Songwriterinnen, wie Cidalia und Joviana. Es gibt viele weitere junge Talente, wie zum Beispiel Izu. Zuvor hat man nur Cinco do Oriente gehört. Es haben aber viele junge Bands wie etwa Alcatraz mehrere Songs über die sozialen Probleme von Timor-Leste geschrieben. Zum Beispiel haben junge Künstler*innen wie Otopsy sich kritisch mit der Korruption des Landes auseinandergesetzt. Und Izu und einige andere, darunter Alcatraz, schrieben Lieder darüber, wie die Leute Held*innen, die zur Unabhängigkeit beigetragen haben, respektlos behandeln. Verschiedene Künstler*innen tragen zu verschiedenen sozialen Entwicklungen bei.
Joviana Guterres bei einem Auftritt beim Konsertu Populár des Solidarity Festivals am 29. August 2019 in Dili. Das Lied beschreibt die Sehnsucht eines Kindes, das während der Besatzungszeit (1975 – 1999) gewaltsam nach Indonesien verschleppt wurde, nach Hause zu kommen. Joviana arbeitet bei Ajar Timor-Leste, einer Menschenrechtsorganisation, die sich zusammen mit Assosiasaun Chega Ba Ita (ACbit) um Familienzusammenführung bemüht.
Joviana, Sie gehören zu dieser neuen Generation von Singer-Songwriter*innen. Wie oder von was werden Sie inspiriert?
Joviana Guterres: Ich habe schon in der Schule mit der Musik angefangen. Für mich war und ist die Musik ein Segen. Mit 16 habe ich begonnen selbst Lieder zu schreiben. Mein erster Song handelte von einer Person, die sehr speziell ist. Das Lied erzählt davon, wie jemand viele und wichtige Botschaften weitergeben könnte, aber keine Gelegenheit dazu findet. Ich fing an, meine eigene Musik zu machen und ich suchte Inspiration. Zu dieser Zeit fing ich an bei AJAR Timor-Leste zu arbeiten. Ich interpretierte und vertonte einen Text in Tetum, in dem um die nach Indonesien verschleppten Kinder ging. In dem Lied Labarik Lakon (Verschleppte Kinder) (siehe der Film Nina & the Stolen Children of Timor-Leste). erzählte ich die Geschichte direkt aus der Sicht eines Kindes, das seine Mutter und die Liebe zu ihr wieder finden und nach Hause zurückkehren möchte.
Hau kaer metin o tais rohan, wainhira sira mai.
Militar ida dehan „ lori ida ne´e“, hau hanoin ba eskola.
Husi karreta laran haree o matan ween suli, tinan 30 liu neineik.
Maibe ohin hau fila, fila ba hau moris fatin.
Tau iha ro laran hakur tasi husik hau uma fuik.
Ema sira hanesan laran di´ak mai hau, maibe hau tauk wainhira nakukun
Mama, Mama, Mama, Mama mai foti hau, keta husik hau mesak.
Hakuak hau, mai salve hau, hau hakarak fila, fila ba hau horik fatin.
Hau hakarak fila, fila ba hau horik fatin.
Dook tebes iha tasi balun, suli hau isin no fuan ran Timor.
Labarik lakon, feto no mane lao namkari laiha lian.
Loron la´o, kalan mos lakon, lori ai-funan ba mutu,
Teki-tekir inan feton mosu, lori lia menon, nia hetan hau.
Mama husik nia-an fiar katak, lia loos bele mosu no milagre mos.
Mama hau iha dalan fila ba uma, fila ba hau moris fatin.
Hau fila ba uma, fila ba hau horik fatin.
Hau fila ba uma, fila ba hau moris fatin
Hau fila ba uma, fila ba hau horik fatin, Timor Lorosa´e
—
(Übersetzung)
Ich klammerte mich an deinen Tais, als sie kamen.
Ein indonesischer Militär sagte: „Nimm den mit “, doch ich dachte, zur Schule.
Aus dem Auto heraus sah ich deine Tränen laufen, 30 langsam vergehende Jahre lang.
Aber heute komme ich zurück, zurück an meinen Geburtsort.
Im Boot festgehalten überqueren wir das Meer, mein Zuhause ist verloren
Die Menschen sind freundlich zu mir, aber in der Dunkelheit habe ich Angst.
Mama, Mama, Mama, Mama komm mich holen, lass mich nicht alleine.
Umarme mich, rette mich, ich möchte zurückkehren, zurück in mein Zuhause
Ich möchte zurückkehren, zurück in mein Zuhause.
Weit weg, auf der anderen Seite des Meeres, vergießt mein Körper das Herzblut für Timor
Verlorene Kinder, Frauen und Männer laufen verstreut ohne Stimme.
Tage vergehen, auch die Nächte sind verloren, Blumen zum Strauß gebunden
Plötzlich taucht eine Frau auf, bringt die Nachricht, sie hat mich gefunden.
Mama hatte das Vertrauen, dass die Wahrheit auftauchen und das Wunder geschehen wird.
Mama, ich bin auf dem Weg nach Hause, zurück an meinen Geburtsort.
Ich kehre zurück nach Hause, zurück in meine Heimat.
Ich kehre zurück nach Hause, zurück an meinen Geburtsort
Ich kehre zurück nach Hause, zurück in meine Heimat, Timor Lorosa´e
Die Inspiration zu dem Song Feto Eroi (Heldinnen) habe ich aus den Geschichten, die ich von Frauen gehört habe, von den Überlebenden der vergangenen Zeit des Unabhängigkeitskampfes. Die Organisation ACbit sammelte diese Geschichten und veröffentlichte sie in einem Buch. Ich habe den Song dann bei der Buchveröffentlichung vorgetragen. Viele Inspiration und Impulse bekomme ich aus meiner Arbeit. Ich beobachte einfach das Leben, die Menschen, die Situationen. Ich brauche diese nur zu beschreiben, ich muss nichts erfinden. Meine Lieder haben alle einen Bezug zur Menschenrechtsarbeit. Momentan schreibe ich an einem Song zum Gedenken an das Marabia-Massaker (Marabia Community Exhibition), das sich am 10. Juni 1980 zutrug. Wieder erzähle ich die Geschichte aus der Sicht der Überlebenden, samt ihrer Klagen und ihrer Trauer. Musik hat eine starke Rolle während des Widerstandes gespielt und das tut sie auch heute noch.
Wie schätzen Sie die politische motivierte Musikszene ein? Denken Sie, sie wird weiter bestehen, und sind junge Menschen bereit, sich dort einzubringen?
Ich denke, dass dies sicher fortbestehen wird. Momentan haben wir ganz starke Bands, wie Galaxy, Klamar, Naran-Laek und weitere aufstrebende Gruppen. Viele Lieder erzählen von der Liebe, aber sie haben doch eine Botschaft, um Bewusstsein für soziale Ungerechtigkeit zu schaffen. Ich glaube fest daran, dass die politisch motivierte Musikszene weitergehen wird. Es gibt sehr viele junge Menschen, die Musik machen wollen und die Bands gründen. Da sind einige aus der Rap- und Hiphop-Szene, die viele soziale und politische Themen aufgreifen. So hat die Musikgruppe Black Jesus zum Beispiel Songs zu LGBTIQ*, zu den Geschichten der Überlebenden und der Opfer der Besatzungszeit und zu Menschenrechtsthemen.
Sehr viele junge Osttimores*innen sind Künstler*innen, auch wenn sie sich nicht als solche sehen, aber sie sind aktiv. Sie lernen das nicht, viele bringen das Talent für die Musik mit, können von Natur aus spielen, singen. Oft greifen sie die Lieder zum Beispiel von Ego Lemos auf, mit all den Themen in seinen Songs. Die Lieder werden verstanden und weiter getragen. Musik wird meiner Meinung nach weiterhin ein Instrument für das Eintreten für Menschenrechte und andere politische und soziale Themen, wie soziale Gerechtigkeit, Diskriminierung, Gendergleichheit, bleiben.
Was ist Ihr Traum, wie sieht Ihr perfektes Osttimor in der Zukunft aus? Und was lässt Sie stolz werden auf Timor-Leste, 20 Jahre nach dem Unabhängigkeitsreferendum?
Joviana Guterres: Ich wünsche mir ein demokratisches Timor-Leste. Eins, das auf einer inklusiven Gesellschaft fußt. Ich bin stolz darauf, dass wir heute über unser Schicksal bestimmen können und wir frei sind von Kolonisation und Fremdbestimmung.
Ego Lemos: Mein Traum ist, dass die Menschen in Timor-Leste ein Bewusstsein für ihre Umwelt haben, sodass wir im Einklang mit der Natur leben können. Ich denke, dass Natur die wichtigste Ressource ist, die wir schützen müssen. Und mein Traum ist auch, dass eine jüngere Generation den Kampf des Volkes für die Unabhängigkeit versteht und wertschätzt. Dass wir Timor-Leste als Ganzes schätzen, die Umwelt und Gemeinschaft, damit wir für das gesamte Land Harmonie schaffen können.
Kiera Zen: Ein Paradies. Wir hatten dies schon von 2002 bis 2004 erreicht. Also keine Kämpfe, keine Streitereien, keine Zusammenstöße, es war so friedlich. Und ich würde das wirklich gerne zurückbekommen.
Die Interviews führten die Autorinnen in Dili und Maliana, im September 2019.