Indonesien

Kenntnisreiche Einführung in die indonesische Gegenwartskunst

Ausschnitt Buchcover: Spielmann: Indonesische Kunst der Gegenwart © Logos Verlag Berlin

Rezension zu:
Yvonne Spielmann: Indonesische Kunst der Gegenwart
Logos Verlag, Berlin, 2015, 204 Seiten, 49 €

S­pätestens seit 2008, als Sotheby’s und Christie’s Werke indonesischer Künstler für bis zu einer Million US-Dollar versteigerten, hat die indonesische Kunstszene international einen neuen Stellenwert erhalten. Yvonne Spielmann beschreibt, wie sich Künstler seit den 1990er Jahren von den Zwängen der Suharto-Diktatur befreiten und den Weg aus der Moderne in die Gegenwart fanden.

Wie in vielen postkolonialen Staaten zeugt ein Großteil der Werke von der Suche nach einer eigenen Identität: Die Künstler behaupten sich gegen ein postkoloniales Kulturverständnis, das den globalen Kunstmarkt weltweit immer noch bestimmt. Dazu experimentieren sie häufig mit traditionellen Elementen wie Batik und Schattentheater, Kunsthandwerk oder Performance Art – und mischen diese mit Medien und Produkten der Gegenwartskultur wie Comics oder Werbung. Weil Indonesien aufgrund der unterdrückten Ausdrucksfreiheit auch in der neuen Medienrealität erst verzögert ankam, dominieren die Malerei und Mixed-Media-Werke aus low-tech-Alltagsmaterialien.

Trotz des internationalen Erfolgs und obwohl heimische Biennalen und andere regelmäßige Ausstellungen immer beliebter werden, gibt Indonesien bis heute kaum öffentliche Gelder für die Kunst. So entstehen Abhängigkeiten von Sammlern und privaten Förderern – aber auch zahlreiche unabhängige Initiativen, in denen sich die Künstler in Gruppen oder Kollektiven zusammentun, um ihre Vorstellungen gemeinsam zu verwirklichen. Die Autorin gibt an einigen Stellen Einsicht in die Arbeitsweisen einflussreicher Gruppen, wie etwa Ruang Rupa. Man hätte sich hier als Leser allerdings gern noch etwas mehr Hintergründe gewünscht. Ein eigenes Kapitel widmet sie den Künstlerinnen, die bis heute signifikant unterrepräsentiert sind, wie Spielmann wiederholt feststellt.

Das letzte Drittel des Buches bietet einen tieferen Einblick in die Arbeit von zwölf ausgewählten Künstlern, darunter FX Harsono, Eko Nugroho und Melati Suryodarmo, und vertieft so das Verständnis für deren Motivation und die gesamte Entwicklung der Kunstszene in Indonesien. Mit ihrer umfassenden Analyse zur indonesischen Gegenwartskunst zeigt Spielmann vor allem, wie eng diese mit historischen und sozial-politischen Entwicklungen – im eigenen Land und weltweit – verwoben ist.

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Die Autorin

Christina Schott hat 20 Jahre lang aus Indonesien und anderen südostasiatischen Ländern berichtet. Seit 2021 lebt die Mitbegründerin von weltreporter.net in Berlin und arbeitet als freie Journalistin.

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Christina Schott

Christina Schott hat 20 Jahre lang aus Indonesien und anderen südostasiatischen Ländern berichtet. Seit 2021 lebt die Mitbegründerin von weltreporter.net in Berlin und arbeitet als freie Journalistin.

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Christina Schott
Tags: Kunst

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