3 | 2023

Die Kinderjockeys von Sumbawa – eine Fotoreportage

Die Kinderjockeys bei den Pferderennen auf Sumbawa sitzen barfuß und ohne Sattel auf den Pferden – oft haben sie noch nicht einmal einen richtigen Helm auf. Bei Stürzen kommt es daher oft zu schweren Verletzungen. © Romi Perbawa

Indonesien: Sumbawa ist bekannt für traditionelle Pferderennen, bei denen es um viel Geld geht. Die Kinder, die die kleinen Sumbawa-Pferde reiten, gehen hohe Risiken ein. Der Fotograf Romi Perbawa kämpft für ihre Rechte und ihre Sicherheit.

„Als ich zum ersten Mal bei einem Pferderennen auf Sumbawa war, konnte ich kaum glauben, wie klein die Jockeys waren. Ich machte Bilder, viele Bilder, und dann stürzte genau vor mir ein Junge vom Pferd“, erzählt der Fotograf Romi Perbawa. „Der Junge schrie vor Schmerz, er hatte sein Schlüsselbein gebrochen, es gab keine Ambulanz vor Ort. Also brachte ich ihn mit meinem Wagen in die nächste Klinik, wo er verbunden wurde. Bis heute bin ich mit seiner Familie befreundet.“ Seit diesem Erlebnis ließ den heute 52-Jährigen das Schicksal der Kinderjockeys nicht mehr los.

Die kleinen Jockeys treiben ihre Pferde mit Reitgerten an. Es gibt kaum Sicherheitsvorkehrungen, so dass Zuschauer und Familienangehörige häufig über die Absperrungen springen, um die Reiter direkt an der Rennbahn anzufeuern. © Romi Perbawa

Perbawa, der auf Java lebt und selbst zwei Kinder hat, fuhr immer wieder zurück auf die 700 Kilometer weiter östlich gelegene Insel Sumbawa, um die Geschichten der kleinen Jockeys zu dokumentieren. Er ging zu ihren Familien, sprach mit Eltern, deren Söhne bei Rennen verletzt worden oder sogar gestorben waren. Er wollte herausfinden, was sie dazu trieb, ihre Söhne schon im Kleinkindalter einer solchen Gefahr auszusetzen. Er traf auch Pferdebesitzer, meist hohe Beamte oder reiche Geschäftsleute – teils aber auch echte Pferdefreaks – sowie deren Mittelsmänner, Trainer und Pferdepfleger. Und er lernte vor allem eines: Es gibt keine einfache Antwort.

Rituelle Waschung eines kleinen Jockeys vor dem Rennen: Wasser und Segen gehören genauso zur Vorbereitung des Wettkampfs wie ein kleiner Talisman, etwa ein getrockneter Geckoschwanz. © Romi Perbawa

Ein deutsch-amerikanisches Filmteam drehte zwischen 2016 und 2018 zusammen mit Romi Perbawa die Dokumentation Riders of Destiny, in der das Schicksal der kleinen Jockeys dargestellt wird. Der Film lief in deutschen Kinos sowie im Fernsehen und ist in der ZDF-Mediathek verfügbar.

Ein Mann versucht, Pferde und Reiter mit einer Peitsche zusätzlich anzuspornen. Da die Jockeys oft willkürlich auf Tiere gesetzt werden, die sie nicht kennen, können solche Aktionen dazu führen, dass ein Pferd außer Kontrolle gerät. © Romi Perbawa

Lange Tradition

Dass Jungen auf Sumbawa Pferderennen reiten, hat eine lange Tradition: Die stämmigen Sumbawa-Pferde werden nur 1,2 Meter hoch – zu klein für Erwachsene. Auf diese Tradition berufen sich lokale Politiker und Organisatoren, wenn es Proteste von Menschenrechtler*innen und Kinderschutzorganisationen gegen den brutalen Sport gibt, bei dem immer wieder Kinder verstümmelt werden oder gar umkommen. Erst im August 2023 gab es wieder einen tödlichen Unfall bei einem der Rennen, bei denen es um viel Geld geht.

Die Zuschauertribüne der Arena in Bima: Ganze Familien fiebern bei den traditionellen Pferderennen mit. © Romi Perbawa

Sumbawa ist eine der ärmsten Regionen Indonesiens, für Reisanbau ist es dort zu trocken. Doch die Menschen sind stolz auf ihre alte Kultur. Schon im einst mächtigen Sultanat Bima spielten Pferde eine wichtige Rolle. Wer heute etwas auf seinen sozialen Status hält, muss ein Rennpferd besitzen. Tatsächlich berichten die Dorfältesten überall auf Sumbawa davon, dass es schon in ihrer Jugend Pferderennen gab und in der Jugend ihrer Eltern ebenfalls.

Bei den Rennen geht es auch um viel Geld: Obwohl das Wetten auf der islamischen Insel Sumbawa verboten ist, wird es bei jedem Wettkampf kaum verdeckt praktiziert. © Romi Perbawa

Allerdings handelte es sich damals eher um eine Art Initiationsritus für Jungen, die in die Pubertät kamen – viele sprechen von mindestens 12- bis 14-Jährigen. Zudem fand das Kräftemessen auf einer geraden Strecke ohne Kurven und auf weichem Untergrund statt. Die ersten Rennen in einer festen Arena veranstalteten die niederländischen Kolonialherren in den 1930er-Jahren in Bima. Auch gewettet wurde erst später – was in der streng islamischen Kultur zumindest auf dem Papier noch heute illegal ist, aber dennoch eifrig bei jedem Rennen praktiziert wird.

Der neunjährige Furka ist bei einem Rennen in Bima vom Pferd gestürzt und hat sich ein Bein gebrochen. Häufig gibt es keine ärztliche Versorgung vor Ort. Verletzte Jockeys werden zu traditionellen Heilern gebracht. © Romi Perbawa

Sicherheitsvorkehrungen für Kinderjockeys sind nötig

„Die Jockeys werden immer jünger – mittlerweile werden schon Vierjährige trainiert“, beklagt Romi Perbawa. „Je leichter die Jungen, desto schneller die Pferde, desto besser die Preisgelder, das ist die perfide Rechnung.“ Dabei kommt der Reiternachwuchs immer aus bedürftigen Familien. „Man kann es den Familien nicht übel nehmen, dass sie ihre Kinder aufs Pferd setzen – sie haben kaum andere Perspektiven, sich aus der Armut zu befreien“, erklärt Romi Perbawa. Er sagt aber auch: „Die Eltern verlassen sich vollkommen auf das Einkommen der Kinder. Die meisten suchen keine andere Arbeit mehr und nur wenige legen das Geld sinnvoll an – etwa in Landbesitz oder Tierzucht.“

Der schönste Teil des Trainings: Am Nachmittag bringen Jockeys und Pfleger die Pferde zum gemeinsamen Bad ins Meer. © Romi Perbawa

Kein reicher Besitzer der bis zu 10.000 Euro teuren Pferde würde seine Söhne dem Risiko der gefährlichen Rennen aussetzen. Die Entschuldigung ist in der Regel, dass die eigenen Kinder „kein Talent“ hätten. Stattdessen ‚mieten’ sie die Jockeys an, die für jedes einzelne Rennen nach festen Sätzen bezahlt werden. Bei einem Sieg – wenn der Pferdebesitzer großzügig ist – dürfen sie vielleicht die Prämie behalten, etwa ein Moped, eine Kuh oder einen Kühlschrank.

Zwei kleine Jockeys ruhen sich nach dem Training vor dem Fernseher aus. Während der Rennsaison verpassen die Kinder oft viele Wochen Schulunterricht. © Romi Perbawa

Fotograf Perbawa versucht, mit Betroffenen und Menschenrechtler*innen eine stärkere Lobby für die Kinderjockeys aufzubauen. Unter anderem fordert er mehr Sicherheitsvorkehrungen: Die Jungen reiten barfuss und ohne Sattel, meist nur geschützt durch einen einfachen Helm. Oft ist nicht einmal eine Ambulanz vor Ort. „Es ist klar, dass man die Tradition der Pferderennen nicht verbieten lassen kann. Aber es müssen dringend ein Mindestalter für die Reiter und strengere Sicherheitsvorschriften festgelegt werden.“

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Die Autorin

Christina Schott hat 20 Jahre lang aus Indonesien und anderen südostasiatischen Ländern berichtet. Seit 2021 lebt die Mitbegründerin von weltreporter.net in Berlin und arbeitet als freie Journalistin.

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Der Autor

Romi Perbawa ist ein freischaffender Fotograf, der sich auf Langzeit-Dokumentationen spezialisiert hat. Seine Fotos wurden unter anderem in Stern, Time Magazine, Guardian und De Standaard veröffentlicht.

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C. Schott, R. Perbawa

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