Rezension zu:
Reimar Schefold: Ein bedrohtes Paradies. Meine Jahre bei den Sakkudei in Indonesien. Quintus Verlag, Berlin, 2017, 376 Seiten, 22€
Geister- und Ahnenglaube spielen eine große Rolle im Leben der Sakkudei, einer ethnischen Gruppe, die teilweise heute noch so wie schon seit Jahrhunderten tief im Innern der indonesischen Insel Siberut lebt. In ihrer Lebenswelt hat jeder Baum, jedes Tier eine Seele – und wer das seelische Gleichgewicht stört, indem er etwa Tiere jagt oder Bäume fällt, muss dementsprechende Opfer bringen und die Natur um Entschuldigung bitten. Ansonsten drohen Krankheit und Unglück. Auch die eigene Seele muss immer wieder neu motiviert werden, im dazugehörigen Körper zu bleiben und nicht für immer zu den Ahnen zu wandern: etwa durch Feste oder „Seelenspielzeug“ wie zum Beispiel schöne Schnitzereien.
Der niederländische Anthropologe Reimar Schefold taucht in seinem Buch tief in die Lebenswelt der Sakkudei ein. 1967 reiste er zum ersten Mal auf das Mentawai-Archipel, um die erhaltenen Sprachen und Gemeinschaftsstrukturen der dort lebenden Ethnien zu erforschen. Mühsam erlangte er schrittweise das Vertrauen der Ureinwohner, die vom indonesischen Staat und christlichen Missionaren bedrängt wurden (und werden), ihre traditionelle Lebensweise und animistischen Rituale abzulegen. Der Autor berichtet sehr anschaulich über seine Erfahrungen, ohne dabei jemals überheblich zu wirken. Im Gegenteil: Nicht selten musste er feststellen, wie absurd das „moderne“ Leben erscheint – etwa, wenn er versucht, seine Umzugskisten in einem Einbaum flussaufwärts mitten in den Regenwald zu transportieren. Oder wenn seine Fragen über Zuständigkeiten in der egalitären Stammesgemeinschaft auf völliges Unverständnis stoßen.
Spannend ist, dass Schefold seine jahrzehntealten Tagebuchaufzeichnungen noch einmal reflektieren kann, als er 2009 erneut zu den Sakkudei reist – diesmal mit seiner Frau und seinen zwei halbwüchsigen Kindern, die von den wenigen „Überlebenden“ der alten Gemeinschaft wie die eigene Familie aufgenommen werden. Mit einer gewissen Genugtuung stellt der Autor fest, dass sich seine alten Freunde trotz Bedrohungen und Verlockungen des modernen Lebens die meisten ihrer Traditionen bewahrt haben – genauso wie ihre naturverbundene Lebenseinstellung, die unsere westliche Gesellschaft erst jetzt wiederentdeckt.
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