Südostasien/Philippinen: Obwohl die Region stark von den Folgen des Klimawandels betroffen ist, sind Vertreter*innen aus Südostasien in internationalen Klima-Gremien kaum präsent. Um Ursachen des Klimawandels zu bekämpfen und seine Folgen abzumildern, ist sektorübergreifende Kooperation von lokaler bis internationaler Ebene unerlässlich.
Während als Auswirkungen des Klimawandels in Südostasien vor allem starken Taifune und Überschwemmungen bekannt sind, haben auch die so genannten slow onset events (SOE) gravierende Folgen. Zu den SOEs zählen unter anderem der Anstieg des Meeresspiegels, steigende Temperaturen, Versauerung der Meere, Rückgang der Gletscher, Versalzung, Entwaldung, Verlust der Artenvielfalt und Wüstenbildung. Die schleichende Entwicklung von SOEs macht sie manchmal für das Klimaregime unsichtbar. Ihre direkte Zuschreibung zum anthropogenen Klimawandel ist nicht immer leicht zu ermitteln.
Die Kluft zwischen der Dringlichkeit der Wissenschaft und dem Handeln der führenden Politiker*innen der Welt ist in den letzten Jahren größer geworden. Während der Pariser Klimagespräche 2015 beauftragten die Länder den Zwischenstaatlichen Ausschuss für Klimaänderungen (IPCC) mit der Erstellung von Berichten über die Erwärmungsschwelle von 1,5 Grad Celsius. Bei den letzten beiden großen Klimakonferenzen der Vereinten Nationen in Kattowitz und Madrid kam es jedoch zu Unstimmigkeiten zwischen den Ländern darüber, wie diese Berichte anerkannt und umgesetzt werden sollten. Beide Konferenzen endeten daraufhin damit, dass die Teilnehmenden diese Entwicklungen – eigentlich ein Weckruf für politische Entscheidungsträger*innen weltweit – lediglich „anerkannten“, ohne sich auf konkrete gemeinsame Maßnahmen zu einigen.
Südostasien (SOA), eine Region, die sehr anfällig für die Auswirkungen des Klimawandels ist, hat keinen eigenen Verhandlungsblock in den UN-Klimaverhandlungen. Die Association of Southeast Asian Nations (ASEAN) veröffentlicht jedoch häufig gemeinsame Erklärungen zum Klimawandel, um ihre Verpflichtungen gegenüber der United Nations Framework Convention on Climate Change (UNFCCC) zu bekräftigen und Pläne zur Eindämmung und Anpassung aufzuzählen. Obwohl die ASEAN keine gemeinsame Verhandlungsposition hat, sind einige ihrer einzelnen Mitgliedsländer wie Kambodscha, die Philippinen und Vietnam Teil des Climate Vulnerable Forum (CVF), einer Partnerschaft von 48 Ländern des Globalen Südens, die den Aufruf zur Verankerung der 1,5-Grad-Celsius-Schwelle im Pariser Abkommen und zur Beauftragung der IPCC-Sonderberichte ausgelöst hat.
Obwohl das CVF kein formeller Verhandlungsblock ist, bietet diese Kooperationsplattform den Mitgliedsländern die Möglichkeit, sich auf gemeinsame Prinzipien zur Klimapolitik und -finanzierung zu einigen, die die Länder in die UN-Verhandlungen einbringen können. Die Staaten der Region bringen sich also auf verschiedenen Ebenen ein. Wie stark sie dies tun, hängt jedoch von der eigenen Regierung ab. Das Engagement multisektoraler Vertreter*innen südostasiatischer Länder im CVF ist ein Beispiel für eine starke sektorübergreifende Allianz und eine Plattform für die sektorübergreifende Zusammenarbeit auf internationaler Ebene.
Mehrere Begriffe beschreiben sektorübergreifende Zusammenarbeit, so zum Beispiel Multi-Akteurs-Partnerschaften (MAP). Diese können als ein kooperativer Prozess definiert werden, an dem verschiedene Akteure beteiligt sind, die gemeinsam komplexe Probleme angehen. Oft werden MAPs von zivilgesellschaftlichen Akteuren initiiert und eher mit gemeinnütziger Arbeit verbunden, die auf die Durchführung von Projekten vor Ort ausgerichtet ist.
Der Begriff ‚transdisziplinär’ beschreibt Ansätze zur Bewältigung von Herausforderungen oder bezieht sich auf die Zusammensetzung von Teams. Transdisziplinarität wird als ‚echter Modus der Nachhaltigkeitsforschung’ angesehen, bei dem gemeinsame Lernprozesse zwischen Wissenschaft und Gesellschaft stattfinden. Transdisziplinäre Ansätze nehmen, ähnlich wie MAPs, das Beste aus verschiedenen fachlichen Welten und nutzen deren vielfältige Expertise, um Lösungen für Nachhaltigkeitsprobleme wie den Klimawandel zu erarbeiten. Mittels der Stärken von Transdisziplinarität und MAPs könnten die Auswirkungen des Klimawandels, insbesondere die von SOEs verringert werden.
Die Auseinandersetzung mit SOEs auf regionaler Ebene könnte auf einer kollaborativen Plattform geschehen. Diese könnte eine Form von MAP sein und Expert*innen und Akteure aus der Praxis einbeziehen. Die Land- und Forstwirtschaft und die Artenvielfalt sind die am stärksten vom Klimawandel in Südostasien betroffene Bereiche. Ohne Anpassung (Adaption) und Abmilderung (Mitigation) würden die klimatischen Auswirkungen zu großen Verlusten an landwirtschaftlichen Erträgen und biologischer Vielfalt in den Tropen und den maritimen Ökosystemen wie dem Korallendreieck führen. Die Asian Climate Experts, ein Netzwerk aus Wissenschaftler*innen aus Indonesien, den Philippinen, Vietnam und Thailand, verweisen ständig auf die gering ausfallende Repräsentation von südostasiatischen Wissenschaftler*innen auf dem globalem Parkett.
Die IPCC-Berichte basieren zwar auf fachlich begutachteter Forschung, jedoch fehlt es an Einsichten und Einfluss von südostasiatischer Seite. Die Einbeziehung von Expert*innen aus der Region in einen gemeinsamen Diskurs ist ein dringend notwendiger Schritt, um die Stimmen Südostasiens in internationalen Diskussionen über den Klimawandel sichtbar zu machen. Während auf regionaler Ebene noch viel zu tun ist, sind Initiativen auf Länderebene immer noch der Schlüssel zur Förderung der Forschung auf lokaler und kommunaler Ebene.
Die Philippinen stehen laut Global Climate Risk Index 2019 von Germanwatch an vierter Stelle unter den Ländern, die von 1998 bis 2018 von langfristigen Klimarisiken betroffen sind. Die Klimapolitik auf den Philippinen, wie z.B. das Klimaschutzgesetz von 2009, das durch den People’s Survival Fund geändert wurde, setzt nicht nur Schwerpunkte für Anpassungs- und Minderungsstrategien, sondern förderte auch Partnerschaften zwischen Regierungsbehörden, dem privaten und nichtstaatlichen Sektor und der Wissenschaft.
Die östliche Visayas-Region der Philippinen, eines der Gebiete, das 2013 vom Taifun Haiyan verwüstet wurde, ist ein gutes Beispiel für Multi-Akteurs-Partnerschaften. Im Jahr 2016 wurde der Entwicklungsplan für die Region der östlichen Visayas vom regionalen Entwicklungsrat genehmigt. Dieser Plan befasst sich mit Katastrophen- und Klimarisiken und stellte erfolgreich umfassende Pläne zum Umgang mit SOEs zusammen. Dies geschah in einem mehrstufigen Prozess, der von der Zivilgesellschaft angeführt wurde.
Der erste Schritt bestand darin, das politische Gremium der Provinz dazu zu bewegen, die Klimagrundsätze ihres Entwicklungsplans zu stärken. Eine politische Empfehlung, die sich herauskristallisierte, ist die Gewährleistung eines eigenen Budgets für die Forschung über SOEs in lokalen akademischen Einrichtungen. Ziel dieser Forschung ist es, einen Leitfaden für die sektorübergreifende Planung der Anpassung an den Klimawandel und der Abschwächung seiner Folgen zu entwickeln. Im Idealfall sollten die auf subnationaler Ebene entwickelten Strategien mit den Strategien auf lokaler Ebene einhergehen. Aber auch auf lokaler Ebene entstehen unabhängig von einem verbesserten subnationalen Plan bemerkenswerte, proaktive Klimaschutzmaßnahmen.
Guiuan in den östlichen Visayas, war der Ort, wo der Taifun Haiyan als erstes auf Land getroffen ist. Guiuan liegt an der südöstlichsten Spitze der Insel Samar und verfügt über eine vielfältige Meeresflora und –fauna. Diese ist sowohl durch SOEs als auch durch extreme Wetterereignisse gefährdet. Nach dem Taifun Haiyan bildete die Lokalregierung die Guiuan Recovery and Sustainable Development Group for Resilience, um die Gemeinde beim Ausbau ihrer Widerstandsfähigkeit zu stärken. Die Gruppe diente als MAP-Plattform für die Anpassungsstrategien Guiuans an den Klimawandel.
Es wurden mehrere Risiko- und Verwundbarkeitsbewertungen und Übungen durchgeführt, um sicherzustellen, dass die Schaffung eines starken Klimaschutzplans, der übersichtlich und umsetzbar ist, gewährleistet ist. Die Kommunalverwaltungen haben dabei den Auftrag, einen lokalen Aktionsplan gegen den Klimawandel zu erstellen. Guiuan ging über dieses Mandat hinaus und entwickelte einen Aktionsrahmen für den Klimawandel. Dieser Aktionsrahmen bietet einen forschungsorientierten Planungsmechanismus mit einem 10-jährigen Anpassungsrahmen und dreijährigen Umsetzungsplänen.
Jüngste Studien, insbesondere in der östlichen Visayas-Region, weisen darauf hin, dass SOEs sogar schneller als die prognostizierten Klimatrends auftreten. Trotz Bemühungen wie der Anpassungsstrategie Guiuans an den Klimawandel sind also weiterhin Aktionspläne nötig. Philippinische Wissenschaftler*innen betonen, dass dafür kontinuierlich weitere Studien durchgeführt werden sollten. Um die Entwicklung in Guiuan weiter zu stärken, wurde die Expertise einer lokalen Universität, der Visayas State University, hinzugezogen, um Forschungsarbeiten, z.B. zur Versauerung der Ozeane durchzuführen.
Die Universität schulte dabei auch Gemeindemitglieder in der Datenerfassung vor Ort. Die Forschungsarbeiten liefern politische Empfehlungen, die die Kommunalverwaltung von Guiuan in die Entwicklungspläne der Gemeinde und die Umsetzung der Klimaanpassung einbezog. Dies führte zu einer anpassungsfähigen und sich ständig weiterentwickelnden Klimabilanz der Gemeinde.
Neben diesen Akteuren sind die NGOs Institute for Climate and Sustainable Cities (ICSC) und CORDAID in Guiuan aktiv. Diese vereinbarten eine Zusammenarbeit aufgrund des gemeinsamen Ansatzes bei der Stärkung lokaler Ansätze für integriertes Risikomanagement und der Planung der Anpassung an den Klimawandel durch ihre Partner-Lokalverwaltungseinheiten und Gemeindeorganisationen.
Das Erreichen einer funktionierenden Strategie zur Anpassung an den Klimawandel bei SOEs ist keine einmalige Sache, sondern ständige Kommunikation, die auf Partnerschaften mit diversen Akteuren aufbaut. Die Stadtverwaltung von Guiuan war bestrebt eine transdisziplinäre Klimapolitik zu entwickeln und umzusetzen, die aus jahrelangem Lernen mit ihren Partnern hervorgegangen ist. Erfolgreiche Klimamaßnahmen auf Gemeindeebene könnten sicherlich einen Dominoeffekt auslösen, der den Erfolg politischer Reformen auf lokaler und nationaler Ebene auslösen würde. Ihre Erfolge und Erfahrungen auf dieser Basis könnten die Philippinen wiederum in internationale Plattformen einbringen.
Übersetzung aus dem Englischen von: Kathrin Spenna
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