2 | 2020

Bioanbau mit Solidarität und Vertrauen

Philippinen Reisanbau Bäuer*innen

Ein Bauer auf einem Feld in den Philippinen © Alex Salceanu

Philippinen: Dieser Foto-Essay zeigt, wie ein Sozialunternehmen Bäuer*innen und Verbraucher*innen zusammen bringt. Gemeinsam versuchen sie, neu zu definieren, wie Lebensmittel angebaut, gehandelt und gegessen werden.

Die Philippinen sind ein Agrarland mit ganzjährigen Anbaumöglichkeiten und reichen tropischen Böden. Trotzdem zählen die Bäuer*innen zu den Ärmsten und die Landwirtschaft bleibt ein durch den Staat vernachlässigter Sektor. Obwohl die Philippinen eine Nation mit hohem Reiskonsum sind, reicht der heimische Reis nicht aus und das Land importiert Reis.

Bäuer*innen, die konventionellen Reisanbau betreiben, sind permanent toxischen Pestiziden und chemischen Düngemitteln ausgesetzt. Hinzu kommen Marktschwankungen und abrupte und extreme Wetterveränderungen. Aktuelle bedenkliche Entwicklungen sind die umstrittene Zulassung des gentechnisch veränderten ‚Goldenen Reis‘ und das Reis-Zolltarifierungsgesetz - ungeachtet öffentlichen Widerstands.

Sieben von zehn philippinischen Bäuer*innen besitzen nicht das Land, das sie bestellen. Deshalb bleibt ihnen allzu oft keine andere Wahl, als Pachtverträge abzuschließen, die sie in Schulden treiben. Zu den größten Herausforderungen für Kleinbäuer*innen auf den Philippinen gehört der mangelnde Zugang zu Krediten und Unterstützung bei Logistik und Infrastruktur. Um dem zu begegnen, arbeitet das Sozialunternehmen Good Food Community mit den Bäuer*innen zusammen, um gemeinsam einen Versorgungsplan zu erstellen, sich auf feste Preise und Mindestmengen zu einigen, die das ganze Jahr über eingekauft werden können und einen Markt und eine Nachfrage für die Bioprodukte in den städtischen Zentren zu schaffen. Good Food verbindet Landwirt*innen und Verbraucher*innen in der Stadt durch eine Wirtschaftsgemeinschaft (Community-Supported Agriculture, Solidarische Landwirtschaft) und eine Plattform, um mehr über ihre Interdependenz und Solidarität zu erfahren.

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Das Durchschnittsalter der philippinischen Bäuer*innen liegt bei 60 Jahren. Die alternde kleinbäuerliche Bevölkerung nimmt ab und ist bislang in der Lage, die jüngere Generation ausreichend anzuwerben. Obwohl sie eine Nation von 100 Millionen Menschen ernähren, gehören die philippinischen Bäuer*innen zu den am stärksten gefährdeten und am stärksten enteigneten Bevölkerungsgruppen. Sie sind kaum in der Lage, das Ernährungssystem des Landes mitzugestalten.
Foto © Nayna Katigbak
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Das Durchschnittsalter der philippinischen Bäuer*innen liegt bei 60 Jahren. Die alternde kleinbäuerliche Bevölkerung nimmt ab und ist bislang in der Lage, die jüngere Generation ausreichend anzuwerben. Obwohl sie eine Nation von 100 Millionen Menschen ernähren, gehören die philippinischen Bäuer*innen zu den am stärksten gefährdeten und am stärksten enteigneten Bevölkerungsgruppen. Sie sind kaum in der Lage, das Ernährungssystem des Landes mitzugestalten.
Foto © Giulia Erika Soria
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Chayote braucht Spaliere, um zu wachsen, und erfordert daher die Rodung wertvoller Waldflächen. Der Monokulturanbau beeinträchtigt auch die Bodenqualität, die für ein gesundes Pflanzenwachstum erforderlich ist, und zwingt die Landwirt*innen zur Verwendung von chemischen Düngemitteln.
Foto © Nayna Katigbak
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Good Food Community hingegen setzt auf biologische Vielfalt. Nutzpflanzen werden innerhalb eines größeren Systems von Begleitpflanzen und sequentiellen Bodenaufbaumethoden angebaut. Die Partnerlandwirt*innen von Good Food Community folgen damit einem modularen landwirtschaftlichen System.
Foto © Drei Castillo
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Auf den Philippinen ist die Arbeit von Frauen in der Landwirtschaft ‚unsichtbar’ - und unbezahlt. Die Mehrheit der Bäuer*innen, die mit Good Food arbeiten, sind Frauen. Die Frauen betreiben die Landwirtschaft meist im Nebenerwerb und von Zuhause aus. Dadurch können sie ein wöchentliches Einkommen erwirtschaften. Auf dem Foto ist Marie Cajuguiran zu sehen, eine Bäuerin aus Capas, wie sie Wasser in ihre kleine Hinterhofplantage bringt.
Foto © Drei Castillo

Abnahmegarantie und stabile Nachfrage, die durch das im Voraus bezahlte Abonnement der Konsument*innen in Metro Manila ermöglicht werden, sichern den Lebensunterhalt der Biobäuer*innen, stärken ihr Engagement für die biologische Landwirtschaft und ermöglichen es ihnen, Geld zu sparen und einen Existenz sichernden Lohn zu erhalten.

Good Food Community ist bekannt dafür, dass die wöchentlichen Lieferungen an biologischem Obst und Gemüse in einem Tampipi, einem traditionellen Koffergeflecht aus Palmblättern, verschickt werden. Die Abonnent*innen erhalten etwa neun bis zwölf verschiedenen Produkte. Darunter sind ungewöhnliche Sorten, die wegen der geringen Nachfrage in städtischen Supermärkten kaum zu finden sind, wie Tamarillo (Baumtomate); oder solche, die ihnen unbekannt sind und sie normalerweise nicht auf dem Palengke (Freiluftmarkt) kaufen würden, wie Caimito (Sternapfel), Bananenherz (Blüte der Bananenpflanze) oder Tarowurzel (Wasserbrotwurzel).

Foto © Drei Castillo

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Good Food baut auch die Fähigkeit der Bäuer*innenkooperativen zur kollektiven Vermarktung auf, so dass sie auf Märkte außerhalb ihrer lokalen Gemeinschaften expandieren können.
Foto © Alex Salcenau
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Bio-Zertifizierung kann wegen der damit verbundenen Kosten für Kleinbäuer*innen und Kleinunternehmen wie Good Food sehr einschränkend sein. Good Food arbeitet mit den Bäuer*innen zusammen, um sicherzustellen, dass die Anforderungen des philippinischen nationalen Standards für ökologische Landwirtschaft in der Praxis umgesetzt werden.
Foto © Charlene Tan
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Links: Anfang 2020 erhielten das Good Food-Team und Mitglieder des Chico River Organic Producers Cooperative (CROPC) Orientierungshilfen zum Partizipativen Garantiesystem (PGS), das als alternatives (oder ergänzendes) Instrument zur Zertifizierung dienen kann. Als Qualitätssicherungssystem zertifiziert PGS Lebensmittelproduzierende auf Grundlage der aktiven Beteiligung verschiedener Interessengruppen des lokalen Lebensmittelsystems. Foto © PJ Santos

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Unten: PGS räumt Solidarität als Ansatz Vorrang ein. PGS-Prozesse basieren auf gegenseitigem Vertrauen und Transparenz, dem Austausch von Wissen und Entscheidungsfindung, der Sensibilität für lokale Kontexte und der Entwicklung der lokalen Wirtschaft - alles Prinzipien, denen sich eine solidarische Landwirtschaft verpflichtet fühlt und die sie aufrechterhält. Foto © PJ Santos

 
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Good Food hat eine aktive Online-Community aufgebaut, um ihren Abonnent*innen in der Küche zu helfen und Verschwendung von Lebensmitteln zu vermeiden. Die Küchenchef*innen des Teams und erfahrene Hobbyköch*innen geben Informationen über die richtige Lagerung und Zubereitung von Lebensmitteln, gesunde Kochtechniken und pflanzen-zentrierte sowie rein pflanzliche Rezepte.

Foto © Charlene Tan

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Zudem gibt es viele Aktivitäten vor Ort, die darauf abzielen, die Verbraucher*innen zu engagieren und aufzuklären und ihnen die ‚Gesichter’ hinter ihren Lebensmitteln zu zeigen, wie z.B. Gemeinschaftsessen, Ausflüge auf Bauernhöfe und Kochdemos, die Diskussionen über Themen integrieren, die unsere Bäuer*innen und das Lebensmittelsystem betreffen. Diese wurden jedoch aufgrund der Mobilitätseinschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie eingestellt.

Foto © PJ Santos

Solidarische Landwirtschaft stellt die Weltsicht in Frage, dass die Essenden nur Konsument*innen und passive Bestandteile am Ende einer industrialisierten Nahrungskette sind. Vielmehr können wir Ko-Produzent*innen eines gerechten, nahrhaften und nachhaltigen Ernährungssystems sein. Um unseren Platz am Tisch einzunehmen, müssen wir uns beteiligen und die lebenswichtige gegenseitige Abhängigkeit von Landwirt*innen und Verbraucher*innen sowie die Verantwortung anerkennen, die wir einander schulden.

Übersetzung aus dem Englischen von: Anna Grimminger

Zum Weiterlesen:

    Ein Projekt zur Selbstversorgung: Chalin Food Forest

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    Malaysia – Permakultur ist eine Anbau- und Lebensweise, die sich nach dem Kreislauf der Natur richtet. Unsere Autorin erzählt von ihrem Selbstversuch sich mit Gemüseanbau auf dem eigenen Hof der konventionellen Lebensmittelproduktion zu entziehen.

    Essbare Insekten - eine Chance für Kleinbäuer*innen

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    Kambodscha – Curran Hendry unterstützt mit der NGO Angka Changrit die Verbreitung der Grillenzucht im Land. Im Interview erklärt er, wie Grillen-Produkte die Ernährungssicherheit der Bevölkerung stärken und Einkommensmöglichkeiten für ländliche Familien schaffen können.

    "Unser Garten ist ein Bildungsort"

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    Indonesien – Statt auf teure Zertifizierung setzen die Biogärtner Budi und Septi auf ein partizipatives Garantiesystem. Sie verkaufen ihr Obst und Gemüse auf einem alternativen Bio-Markt in Yogyakarta.

    Herstellung von Kokosblütenzucker in Zentraljava © Dimas Dwi Laksmana

    Indonesischer Zucker als globales Handelsgut

    Indonesien – „Bio“ soll mehr sein als ein Fetisch von Verbraucher*innen. Damit das gelingt, muss noch viel geschehen. Auch hinsichtlich Anbau, Vermarktung und Export von Bio-Kokosblüten-Zucker.


  • Artikel
Die Autorin

Mabi David leitet den Partnerschaftsbereich bei Good Food Community. Sie ist vegane Köchin, Autorin und Lehrerin für Fermentation.

  • Bioanbau mit Solidarität und Vertrauen
    Bioanbau mit Solidarität und Vertrauen

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Mabi David

Mabi David leitet den Partnerschaftsbereich bei Good Food Community. Sie ist vegane Köchin, Autorin und Lehrerin für Fermentation.

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