Reisanbau im Mekong-Delta. © flickr / Mark Drautis

Vietnam: Menschliche Nutzung und der Klimawandel haben drastische Auswirkungen auf das Mekong-Delta. Nachhaltigkeit und Anpassung an den Klimawandel sind überfällig

Das Mekong-Delta im Süden Vietnams ist ein flaches Schwemmland mit einer Fläche von 40.5 Quadratkilometern und einer Bevölkerung von 21 Millionen Menschen. Die Geländehöhe liegt meist bei nur einem halben Meter über dem Meeresspiegel.

Das Mekong-Delta ist geprägt durch die mächtigen Mündungsarme des Mekong und ein dichtes Netzwerk künstlich angelegter Oberflächengewässer – Kanäle unterschiedlicher Dimensionen. Regenzeit mit Wasserüberschuss wechselt mit Trockenzeit ohne Niederschläge. Dabei stellt die jährliche Trockenzeit eine besonders große Herausforderung für die Region dar.

Mosaike aus Teichen

An den Wasserläufen und in den Straßen im Mekong-Delta sind Wohnhäuser, Läden, kleine Betriebe, Werkstätten aufgereiht. Dazwischen liegen großflächige Reisfelder mit bis zu drei Ernten pro Jahr, Obstplantagen und bereichsweise flächendeckende Mosaike aus Teichen für die Fisch- und Garnelenzucht. Zentrum des Mekong-Deltas ist die Stadt Can Tho mit 1,3 Millionen Einwohnern.

System der Wasser- und Landnutzung im südwestlichen Teil des Mekong-Deltas in der Trockenzeit. Gelbe Symbole: Wehre und Schleusen zur Trennung der Salzwasser- und Süßwassergebiete; blaue Gebiete: Süßwassergebiete mit Reis- und Obstanbau; rote Gebiete: Salzwassergebiete mit Garnelen- und Fischzucht.  © Google Earth / Harro Stolpe

Das Mekong-Delta ist ein Übergangsbereich zwischen Süßwasser und Salzwasser mit dementsprechend unterschiedlichen Landnutzungen. Es gibt Restbestände von Mangrovenwäldern an der Südspitze und in einigen Küstenbereichen kleinere Naturschutzgebiete mit Baum-Vegetation. Die süßwassergeprägten landwirtschaftlichen Gebiete sind – vor allem in der Trockenzeit – abhängig von Süßwasserzufuhr aus den Mekong-Armen [in der Abbildung aus dem Hậu-Fluss]. Salzwassergeprägte Gebiete werden vom Meer durch die Tide gespeist. Beide Bereiche werden durch Wehre und Schifffahrts-Schleusen möglichst voneinander getrennt gehalten.

Ständige Koordination ist nötig

Die Dynamik des Oberflächenwassers im Mekong-Delta beruht auf dem Zusammenspiel natürlicher Faktoren wie dem Abfluss in den Mekong-Armen, der Tide im Meer, dem Wechsel von Regenzeit und Trockenzeit – sowie menschlichen Eingriffen. Diese reichen von Wehren und Schleusen über die Wasserentnahme- und Ableitung aus dem Mekong in das Meer, bis hin zu einigen Wasserbauwerken. Ein Beispiel ist das 2019 neu in Betrieb genommene Wehr- und Schleusenbauwerk Cái Lớn – Cái Bé.

Eine Besonderheit ist der inselartige Bereich (Lower U Minhh) mit überwiegend Reisanbau und einem Naturschutzgebiet. Es gibt keinen Süßwasserzufluss aus dem Mekong. Er wird allein von Regenwasser gespeist, in Trockenperioden ergänzt durch Grundwasser.

Reis- und Garnelen-Aquakultur im Mekong-Delta © flickr / Climate Change, Agriculture and Food Security, Dr. Nhuong Tran (CCAFS)

Das komplexe System Mekong-Delta muss permanent koordiniert werden, damit es den unterschiedlichen Ansprüchen wie Süßwasserbedarf, Salzwasser-Zu- und Abflüsse, Trennung der Süßwasser- und Salzwasserbereiche, Erhaltung und Verbesserung der Oberflächenwasserqualität, Hochwasserschutz und Reaktion auf Extremereignisse genügt.

Zudem besteht die Aufgabe, durch internationale Zusammenarbeit zum Beispiel im Rahmen der Mekong River Kommission (MCR), vor allem in der Trockenzeit Mindestabflüsse des Mekong sicherzustellen, um eindringendes Salzwasser möglichst zurückzudrängen. Dieser Herausforderung kann in sehr trockenen Jahren nicht ausreichend entsprochen werden.

Übernutzung des Grundwassers

Die Komplexität und Dynamik des Systems Mekong-Delta ist zugleich Ursache seiner Empfindlichkeit. Interne und externe Faktoren führen vor allem in der Trockenzeit zu wachsenden Problemen. In den salzwassergeprägten Gebieten besteht ein permanenter Mangel an Süßwasser für die Trinkwasser- und Brauchwassernutzung. Daher wird verstärkt auf Grundwasser zurückgegriffen. Aber die verfügbare Süßwassermenge ist wegen geringer oder fehlender Grundwasserneubildung begrenzt.

Seit Langem findet eine Übernutzung des Grundwassers statt. Sie verursacht großflächige Bodenabsenkungen mit bis zu 2,5 Zentimetern pro Jahr. An vielen Brücken und Häusern sind diese Absenkungen erkennbar. Die Anschlüsse der Bauwerke an das umgebende Bodenniveau passen vielfach nicht mehr und müssen wiederholt nachgebessert werden. Die Bodenabsenkungen führen auch zu einer erhöhten Hochwasseranfälligkeit.

Bedrohte Wasserqualität

In den süßwassergeprägten Gebieten kommt es in Trockenperioden zu einem Mangel an Süßwasser für die Landwirtschaft und die Trinkwasserversorgung. Wenn der Mekong in Trockenperioden weniger Wasser führt, kann Salzwasser vom Meer in die Mekong-Arme eindringen, sodass bereichsweise nicht genügend Wasser für die Bewässerung und für Trinkwasser vorhanden ist.

Daneben bestehen gravierende Probleme mit der Wasserqualität durch zahlreiche Kontaminationspotenziale, zum Beispiel Mülldeponien, Tankstellen, Lagerplätze für landwirtschaftliche Chemikalien, Abwassereinleitungen in den Mekong und industrielle und gewerbliche Einleitungen in die Oberflächengewässer. Hinzu kommt die Landwirtschaft mit Düngemitteln und Pestiziden, sowie das belastete Abwasser der Fisch- und Garnelenzucht (Futtermittelreste, Medikamente). Es gibt generell zu wenig Abwasseraufbereitungsanlagen.

In vielen Gebieten gibt es in der Trockenzeit kaum Wasseraustausch in den Gewässern. Sie stagnieren und reichern sich mit den eingeleiteten Schadstoffen an. In der Regenzeit fließt das kontaminierte Wasser dann aber in die ufernahen Meeresbereiche und kann dort zu Problemen für die Flora und Fauna führen.

Wasserdurchfluss an einem künstlichen Wehr. © flickr / Prince Roy

Die internen Probleme des Mekong-Deltas werden durch externe Einwirkungen weiter verschärft. Hierzu zählt die Wasserwirtschaft im Oberstrom (Laos, Kambodscha, China). Dortige Eingriffe in den Wasserhaushalt – zum Beispiel Talsperren – können zu verringerten Abflüssen in die Mekong Arme führen, wodurch die Häufigkeit und die Reichweite des Eindringens von Salzwasser zunimmt.

Die Auswirkungen verringerter Abflüsse im Mekong werden verstärkt durch den erwarteten klimabedingten Meerwasseranstieg. Es muss mit zukünftig weiter zunehmenden Schwierigkeiten bei der Bewässerung der landwirtschaftlichen Flächen gerechnet werden.

Akteure und Lösungsansätze

Viele vietnamesische staatliche Institutionen befassen sich mit der Wasser- und Landnutzung im Mekong-Delta: die Ministerien für Landwirtschaft, Umwelt, Bau, Planung sowie nachgeordnete Behörden und Forschungsinstitute und nicht zuletzt die 13 Provinzen im Mekong-Delta. Zudem sind zahlreiche internationale Institutionen aktiv. Überschneidungen und Defizite bei der Koordination sind erkennbar. Immerhin ermöglicht das seit 2017 geltende Planungsgesetz erstmals in Vietnam eine überprovinzielle Regionalplanung.

Der neu entwickelte Regionalplan (MDIRP 2022) befasst sich mit den zahlreichen Aspekten. Dabei ist die zukunftsfähige und umweltgerechte Planung der Nutzung Grundvoraussetzung für die Weiterentwicklung des Mekong-Deltas. Der MDIRP bietet Gelegenheit, die Problemfelder provinzübergreifend zu identifizieren, Untersuchungen gezielt durchzuführen und Maßnahmen zu koordinieren.

Zu den Hauptaufgaben gehören die ausreichende Versorgung mit Süßwasser sowohl in den salzwassergeprägten Gebieten mit Garnelenzucht als auch in den süßwassergeprägten landwirtschaftlichen Gebieten und ein wirksamer Gewässerschutz vor Verunreinigungen.

Für die salzwassergeprägten Gebiete mit Garnelenzucht werden verschiedene Konzepte diskutiert:

  • Süßwassertransfer vom Mekong (Hậu-Fluss) mithilfe von Pipelines, was bautechnisch und energetisch aufwendig ist.
  • Süßwassertransfer aus den landwirtschaftlich genutzten Gebieten, was aufgrund der Wasserverfügbarkeit und Verunreinigungen der Oberflächengewässer ebenfalls problematisch ist.
  • Grundwasseranreicherung durch Infiltration von Regenwasser: Hierfür bieten sich salzhaltige Grundwasserbereiche an, in denen das Salzwasser durch das infiltrierte Süßwasser verdrängt und dann wiedergefördert werden kann. Untersuchungen müssen zeigen, mit welchem Aufwand eine solche Untergrundspeicherung machbar ist.
  • Reduzierung der Grundwasserförderung: Süßwasser aus Grundwasser muss in erster Linie der Trinkwasserversorgung vorbehalten sein, Vermeidung von Rohrleitungsverlusten bei der Wasserversorgung, keine Nutzung für Brauchwasserzwecke.
  • Sammlung und Speicherung von Regenwasser in der Regenzeit in haushaltseigenen Tanks und größeren Reservoiren, was bereits ansatzweise, aber nicht ausreichend praktiziert wird. Problematisch ist die geringe Flächenverfügbarkeit für Reservoire. (der größte Flächenanteil wird für die Garnelenzucht verwendet), wirksamer Verdunstungsschutz und die Reinerhaltung des gespeicherten Regenwassers.

Garnelen werden von Hand sortiert. © Harro Stolpe

Für die süßwassergeprägten landwirtschaftlichen Gebiete werden folgende Konzepte diskutiert oder bereits praktiziert:

  • Bei erhöhten Salzgehalten temporäre Unterbrechung der Wasserentnahmen aus den Mekong-Armen: Hierfür gibt es bereits geeignete Einlassbauwerke, weitere sind geplant. Aber je häufiger und weiterreichend Salzwasser in die Mekong-Arme eindringt, desto länger dauern Unterbrechungszeiten und desto gravierender wird der Süßwassermangel.
  • Sicherstellung von Mindestabflüssen im Mekong: Wichtig wären wirksame internationale Vereinbarungen und Maßnahmen zum Wassermanagement am Oberstrom und zur Sicherstellung von Mindestabflüssen in der Trockenzeit.

Darüber hinaus wird es wichtig sein, für eine Verringerung und Vermeidung von Schadstoffeinträgen und Schadstoffanreicherungen in den Oberflächengewässern zu sorgen, mit Hilfe von:

  • Systematischer Erfassung und Bewertung der Kontaminationspotenziale sowie Maßnahmen gegen Schadstoffimmissionen: zum Beispiel Verbesserung der Abfallablagerungen, chemieärmere und ökologischere Bewirtschaftung der Reisfelder und der Garnelenzuchten.
  • Verbesserung der Abwasserreinigung für industrielle, gewerbliche und häusliche Abwässer: Dabei geht es um die Erfassung und Bearbeitung von Hot Spots ebenso wie die Verbesserung der vielen häuslichen Einleitungen in die Oberflächengewässer (zum Beispiel septic tanks verbunden mit Sammelsystemen).
  • Unterhaltung der Oberflächengewässer: Zur Vermeidung von Stagnationen und Schadstoffanreicherung in den Gewässern kann die Intensivierung der Gewässerpflege durch Baggerung von Ablagerungen beitragen.

Nachhaltige Planung als Perspektive

Das Mekong-Delta hat eine herausragende ökonomische Bedeutung für Vietnam. Zugleich ist es besonders empfindlich gegenüber externen und internen Einwirkungen. Das erfordert ein koordiniertes Vorgehen, das sich nicht an kurzfristigen Höchsterträgen, sondern an einer langfristigen, nachhaltigen Nutzbarkeit und mehr Naturnähe orientiert.

Die betrachtete Wasser- und Landnutzung bedarf eines systematischen, provinzübergreifenden Untersuchungs- und Maßnahmen-Programms mit sinnvollen Prioritäten. Die Nutzung von Regenwasser, die Reduzierung der Grundwasserförderung, die Gewässerreinhaltung und die Sicherstellung von Mindestabflüssen im Mekong sollten dabei Vorrang haben.

Unterstützend würde dabei die Verbesserung der Planungs-Kommunikation wirken. Informationen zu Problemen, Defiziten und Potenzialen, zu Zielen, Maßnahmen und erreichten Verbesserungen sollten für die öffentliche Diskussion einfacher zugänglich sein.

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Der Autor

Harro Stolpe ist Professor für Umwelttechnik + Ökologie – bis 2023 an der Ruhr-Universität Bochum. Er ist seit 2000 aktiv in Südostasien, vorwiegend in Vietnam, mit Forschungsvorhaben zu: Wasserressourcenmanagement, Wasser- und Landnutzungsplanung, Umweltplanung sowie Bergbau und Umwelt.

  • Gefährdetes Mekong-Delta

    Vietnam – Menschliche Nutzung und der Klimawandel haben drastische Auswirkungen auf das Mekong-Delta. Nachhaltigkeit und Anpassung an den Klimawandel sind überfällig.

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Harro Stolpe ist Professor für Umwelttechnik + Ökologie - bis 2023 an der Ruhr-Universität Bochum. Er ist seit 2000 aktiv in Südostasien, vorwiegend in Vietnam, mit Forschungsvorhaben zu: Wasserressourcenmanagement, Wasser- und Landnutzungsplanung, Umweltplanung sowie Bergbau und Umwelt.

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