Timor-Leste: Mangrovenwälder sind existentiell für den Klimaschutz. Im Mangrovenstudienzentrum in Hera kann Mensch das hautnah erfahren. Unser Foto-Essay nimmt euch mit…
Fährt man aus Dili Richtung Osten, gelangt man in das kleine Städtchen Hera, in der Nähe von Ma‘abat. Es liegt am Rand des ersten Mangrovenwaldes in Timor-Leste, der zum Landschaftsschutzgebiet erklärt wurde. Seit sieben Jahren können Besucher*innen des Sentru Estudu Mangrove (auf Deutsch: Mangrovenstudienzentrum) auf einem Holzpfad wandeln, den viele Informationstafeln säumen. Der Weg führt direkt durch den Wald: unten der Mangrovensumpf mit seinen aus dem Schlick ragenden Wurzeln, hoch oben die immergrünen Kronen. © Miriam Stadler
Mangrovenwälder finden sich hauptsächlich entlang tropischer und subtropischer Küsten. In Timor-Leste bedecken sie vor allem die Südküste um Suai, und Teile der Nordküste in der Nähe von Hera und Metinaro. Viele Küstenbereiche Osttimors sind zu steinig für Mangrovenwälder, da diese auf lockeren, sandig-matschigen Boden angewiesen sind, um wurzeln zu können. Weil im schlammigen Untergrund jedoch wenig Sauerstoff vorhanden ist, findet die Sauerstoffzufuhr über die aus dem Boden ragenden Wurzeln in Form von Wurzelatmung statt. © Miriam Stadler
„Mangrovenwälder sind in sich geschlossene Ökosysteme“, sagt Octávio de Araújo, Berater für Klimawandel und nachhaltige Bewirtschaftung. Er weist auf die durch die Ebbe freigelegten Krebse, Krabben und schillernden Garnelen. „Wenn die Flut kommt, wird das Gebiet zu einem Kindergarten für verschiedenste Arten. Fische, Krabben und sogar Krokodile suchen Schutz für ihre Jungen zwischen den Wurzeln.“ Nicht nur der Schlick ist Heimat vieler Tiere, auch die Wurzeln sind Lebensraum für Algen, Seepocken oder Schnecken. Obwohl Mangrovenwälder nur einen kleinen Teil der Küsten bedecken, so sind sie doch eines der artenreichsten Ökosysteme der Erde. © Miriam Stadler
Bäume knarren, Blätter rascheln, Vögel zwitschern, der Sumpf gluckert – der Pfad durch den Wald macht es möglich, Teil des lebendigen Ökosystems zu werden. © Miriam Stadler
Die vergleichsweise kühlen Temperaturen im Inneren des Waldes bieten eine willkommene Abwechslung zu dem sonst vorherrschenden schwül-heißen Wetter. © Miriam Stadler
Von einer Aussichtsplattform lassen sich große Teile des Mangrovenwaldes überblicken. Auf den ersten Blick erstrecken sich, soweit das Auge reicht, Mangroven entlang der Küste. Octávio erklärt jedoch die unschöne Realität: „Tatsächlich existiert nur noch etwa die Hälfte von dem, was Anfang des 20. Jahrhunderts den Mangrovenwald in Timor-Leste ausgemacht hat. Die Gesamtfläche der Mangroven wird heute vom United Nation Development Programme nur noch auf 1300 Hektar geschätzt.“ © Miriam Stadler
Die Gründe der Abholzung sind sehr verschieden. In Indonesien wurde und wird viel gerodet, um Sumpfgebiete in weiße Sandstrände für Touristen zu verwandeln. In Timor-Leste sind Landwirtschaft und Fischerei der ausschlaggebende Faktor für Abholzung. Hinzu kommt, dass Holz als Brennmaterial und Blätter als Medizin genutzt werden. Eine weitere Menschengemachte Bedrohung ist der Klimawandel. Durch den Anstieg des Meeresspiegels werden viele Küstenbereiche länger und stärker überschwemmt als zuvor. Steigt der Wasserspiegel weiter, könnten die Wurzeln der Bäume bald dauerhaft im Wasser stehen. Wurzelatmung wäre nicht mehr möglich, das Ertrinken der Mangroven wäre die Folge. Zusammen mit dem Mangrovenstudienzentrum versucht Octávio das Bewusstsein für die Bedeutung der Mangroven zu schärfen, damit die Wälder in Zukunft stärker geschützt werden. © Miriam Stadler
In Metinaro, einem kleinen Dorf östlich von Hera, gibt es, neben einem großen Mangroven-Wald auch eine Aufzuchtstation für junge Mangroven. Mithilfe von Salzwasser-Kanälen werden die Mangroven aufgezogen. Das ist schwierig, da für ein optimales Wachstum Gezeiten imitiert werden müssen. Sobald die kleinen Setzlinge jedoch die ersten überirdischen Atemwurzeln ausgebildet haben können sie sich selbst versorgen und umgesetzt werden. © Miriam Stadler
Mangrovenwälder bilden nicht nur ein einzigartiges Ökosystem, sondern stellen einen wichtigen, natürlichen Schutz der Küstengebiete dar. In den komplexen Wurzelsystemen der Bäume verfangen sich im Wasser befindliche Schwebstoffe und bauen somit über die Zeit Sedimentablagerungen auf. Diese schützen vor Gezeiten, Sturmfluten und Tsunamis und verhindern, dass Landmassen abgetragen werden. An der Südküste, um die Gemeinde Suai, besteht ein deutlich höheres Risiko für Tsunamis als an der Nordküste. Ein Wall aus Mangroven könnte das Land und seine Bevölkerung schützen. © Miriam Stadler
Im Gegensatz zu terrestrischen Wäldern können Mangrovenwälder drei bis fünf Mal mehr Kohlendioxid binden, was sie zu extrem effizienten Kohlenstoffspeichern macht. „Die durch die Gezeiten eingetragenen, mit organischem Material gemischten Sedimente verfangen sich in den Wurzeln der Mangroven und sinken ab. Unter dem feinkörnigen Sediment werden Abbauprozesse erheblich verlangsamt, wodurch Mangroven das gebundene Kohlendioxid Jahrzehnte oder Jahrhunderte speichern.“, erklärt Octávio. © Miriam Stadler
„Mangrovenwälder sind wichtige Lebensräume, die auf natürliche Weise helfen, den Klimawandel zu mindern. Umso wichtiger ist es, sie zu schützen und zu erweitern.“, so Octavio. Immer mehr Initiativen setzen sich für den Schutz der Mangrovenwälder ein. Es werden Projekte für Schulen entwickelt, Seminare im Mangrovenstudienzentrum gehalten, Bücher und Broschüren geschrieben sowie Videos fürs nationale Fernsehen gedreht. © Miriam Stadler
Schließlich geht es nicht nur um Küstenschutz in Timor-Leste, sondern um Klimarettung für die ganze Welt. © Miriam Stadler
Nachdem Miriam Stadler 2023 ihr Abitur am Friedrich-Wilhelm-Gymnasium in Köln gemacht hatte, war sie von September 2023 und bis April 2024 als MISEREOR-Freiwillige in Dili, Timor-Leste, um dort als Assistenzlehrerin Englisch zu unterrichten.
Timor-Leste – Mangrovenwälder sind existentiell für den Klimaschutz. Im Mangrovenstudienzentrum in Hera kann Mensch das hautnah erfahren. Unser Foto-Essay nimmt euch mit…