Indonesien

Wahlkampf in Indonesien: Spanduk zwischen Islam und Nation

Einladung zu einer islamischen Veranstaltung auf einem Plakat © Timo Duile

Nationalismus, Religion und Wahlkampf auch bei dieser Einladung zu einer islamischen Veranstaltung © Sukri/Timo Duile

Indonesien hat im April 2019 gewählt. Für viele Beobachter*innen war der Sieg des Amtsinhabers Joko Widodo ein Zeichen, dass die Mehrheit der Wähler*innen eine tolerantere Politik mit weniger übersteigertem Patriotismus wollen. Ein Blick auf die Symbolik im Wahlkampf zeigt jedoch, dass die Unterschiede zwischen dem Camp des Präsidenten und des Herausforderers, Prabowo Subianto, nicht besonders groß sind.

Prabowos Strategie: Pakt mit islamischen Hardlinern

Prabowo Subianto, wie bereits 2014 wieder der Herausforderer von Präsident Joko Widodo (der in Indonesien oft nur „Jokowi“ genannt wird), ist nicht nur ein ehemaliger General, der mit nationalistischen und militanten Wahlkampfauftritten auf sich aufmerksam machte. Er hatte auch versucht, aus den Protesten reaktionärer islamischer Organisationen gegen Basuki Tjahaja Purnama (meist „Ahok“ genannt), den ehemaligen, christlichen Gouverneur von Jakarta, politisches Kapital zu schlagen und mit diesen Gruppen paktiert.

Gerüchte und diffuse Ängste, wonach Jokowi islamische Geistliche (ulama) kriminalisieren würde – darunter den prominenten Führer der Front Pembela Islam (Front der Verteidiger*innen des Islam, FPI ), Habib Rizieq, der nach einem Skandal um den mutmaßlichen Austausch pornografischer Bilder ins saudi-arabische Exil floh – machte sich Prabowo gezielt zu nutze. So wurde der Slogan bela ulama („verteidigt die islamischen Religionsgelehrten“) zum Schlachtruf vieler seiner Anhänger*innen.

Jokowis Strategie: Mit der NU zum Wahlsieg

Jokowis Wahlkampfstrategie sah vor, ebenfalls auf die islamische Karte zu setzen, um den Anschuldigungen seines Konkurrenten den Wind aus den Segeln zu nehmen. Er entschied sich, Ma'ruf Amin, den Vorsitzenden des Majelis Ulama Indonesia (Indonesischer Rat der Islamgelehrten, MUI), als seinen Vizepräsidentschaftskandidaten aufzustellen. Der als sehr konservativ geltende MUI profiliert sich besonders seit dem Ende der Suharto-Diktatur mit Bemühungen, der indonesischen Gesellschaft eine islamischere Prägung zu geben. 2005 verabschiedete er eine fatwa (islamisches Rechtsgutachten) gegen Pluralismus, Liberalismus und Säkularismus. Es folgte 2011 ein islamisches Rechtsgutachten gegen die angeblich abtrünnige Gruppe der Ahmadiyah sowie 2015 die Forderung nach der Todesstrafe für besonders ‚ausschweifende’ Fälle von Homosexualität.

Jokowis Plan ging allerdings auf: Nicht zuletzt wegen Ma'ruf Amins Nominierung gelang es ihm, in den bevölkerungsreichen Provinzen Mittel- und Ostjava die Stimmenmehrheiten zu gewinnen. Ma'ruf Amin genießt dort als prominenter Vertreter der Nahdlatul Ulama (NU), der größten islamischen Organisation Indonesiens, hohes Ansehen.

Religion als sehr präsentes Wahlkampfthema

Insgesamt haben die Kampagnen der beiden Spitzenkandidaten dazu geführt, dass Religion als Wahlkampfthema sehr präsent war. Dabei ging es besonders darum, sich als Kandidat*in religiös zu präsentieren, und das möglichst nicht auf Kosten des ebenfalls oft zur Schau gestellten Nationalismus. Gut zu sehen sind diese Phänomene auf Wahlkampfpostern, die in Indonesien als spanduk bezeichnet werden (ein Begriff aus dem Niederländischen, der ein aufgespanntes Tuch bezeichnet, auf dem öffentliche Informationen mitgeteilt werden).

Der Blick auf ein paar typische spanduk des Wahlkampfes 2019 gibt einen guten Einblick in die politisch bedeutsamen Symboliken. Aufgenommen wurden die Wahlkampfposter im März 2019 in Jakarta.

Prabowo Subianto und sein Vizepräsidentschaftskandidat, der Unternehmer Sandiaga Uno, wurden gelegentlich mit Habib Rizieq gezeigt, als ‚die Wahl der ulama und der Intellektuellen’. © Timo Duile
Prabowo Subianto und sein Vizepräsidentschaftskandidat, der Unternehmer Sandiaga Uno, wurden gelegentlich mit Habib Rizieq gezeigt, als ‚die Wahl der ulama und der Intellektuellen’. © Sukri/Timo Duile
Einige Kandidat*innen aus Prabowos Partei Gerakan Indonesia Raya (Bewegung für ein erhabenes Indonesien, Gerindra) oder aus mit ihr koalierenden Parteien warben mit ihrer Mitgliedschaft oder ihrer Verbindung zur Front Pembela Islam (Front der Verteidiger des Islam, FPI). Die FPI ist eine militante islamistische Gruppe, die vor allem durch Selbstjustiz gegen angeblich unislamisches Verhalten auf sich aufmerksam macht und auch bei den Protesten gegen den christlichen Gouverneur von Jakarta, Ahok, eine gewichtige Rolle spielte. Dieses Plakat zeigt im Hintergrund Habib Rizieq sogar noch über Prabowo und Sandiaga Uno. Aber bei allen Anklängen an den politischen Islam dürfen auch hier nationalistische Symboliken wie die rotweiße Nationalflagge nicht fehlen. Die Botschaft: Nationalismus und Islam gehören zusammen! © Timo Duile
Einige Kandidat*innen aus Prabowos Partei Gerakan Indonesia Raya (Bewegung für ein erhabenes Indonesien, Gerindra) oder aus mit ihr koalierenden Parteien warben mit ihrer Mitgliedschaft oder ihrer Verbindung zur Front Pembela Islam (Front der Verteidiger des Islam, FPI). Die FPI ist eine militante islamistische Gruppe, die vor allem durch Selbstjustiz gegen angeblich unislamisches Verhalten auf sich aufmerksam macht und auch bei den Protesten gegen den christlichen Gouverneur von Jakarta, Ahok, eine gewichtige Rolle spielte. Dieses Plakat zeigt im Hintergrund Habib Rizieq sogar noch über Prabowo und Sandiaga Uno. Aber bei allen Anklängen an den politischen Islam dürfen auch hier nationalistische Symboliken wie die rotweiße Nationalflagge nicht fehlen. Die Botschaft: Nationalismus und Islam gehören zusammen! © Sukri/Timo Duile
Jokowi und Ma'ruf Amin setzten vor allem auf die Stimmen der Nahdlatul Ulama, der größten muslimischen Massenorganisation des Landes: „Ich, mein Vater, meine Geschwister, meine Lehrer sind NU, also wähle ich die Nummer 01,“ hieß es auf einem Wahlplakat von NU-Anhänger*innen. © Timo Duile
Jokowi und Ma'ruf Amin setzten vor allem auf die Stimmen der Nahdlatul Ulama, der größten muslimischen Massenorganisation des Landes: „Ich, mein Vater, meine Geschwister, meine Lehrer sind NU, also wähle ich die Nummer 01,“ hieß es auf einem Wahlplakat von NU-Anhänger*innen. © Sukri/Timo Duile
Doch das Fischen nach Wähler*innenstimmen in konservativen islamischen Kreisen ging noch weiter: Auch Parteien, die Jokowi unterstützten, machten sich die Slogans zunutze, die einst von den Anhänger*innen der Anti-Ahok-Bewegung geprägt wurden. Die Kandidat*innen der PBB beispielsweise warben mit „Verteidigt den Islam“ (bela Islam) – ergänzt durch die patriotischen Slogans „Verteidigt das Volk, verteidigt den Einheitsstaat der Republik Indonesien“ (bela rakyat, bela NKRI). © Timo Duile
Doch das Fischen nach Wähler*innenstimmen in konservativen islamischen Kreisen ging noch weiter: Auch Parteien, die Jokowi unterstützten, machten sich die Slogans zunutze, die einst von den Anhänger*innen der Anti-Ahok-Bewegung geprägt wurden. Die Kandidat*innen der PBB (Partai Bulan Bintang) beispielsweise warben mit „Verteidigt den Islam“ (bela Islam) – ergänzt durch die patriotischen Slogans „Verteidigt das Volk, verteidigt den Einheitsstaat der Republik Indonesien“ (bela rakyat, bela NKRI). © Sukri/Timo Duile
Auch Kandidat*innen aus Jokowis Koalition, die aus nicht-islamischen Parteien kamen, setzten auf eine ähnliche Symbolik. Ein Kandidat der als säkular geltenden Golkar beispielsweise warb damit, die islamische Gemeinschaft (umat) und das Volk (bangsa) voranzubringen und präsentierte sich in islamischer Kleidung. © Timo Duile
Auch Kandidat*innen aus Jokowis Koalition, die aus nicht-islamischen Parteien kamen, setzten auf eine ähnliche Symbolik. Ein Kandidat der als säkular geltenden Golkar beispielsweise warb damit, die islamische Gemeinschaft (umat) und das Volk (bangsa) voranzubringen und präsentierte sich in islamischer Kleidung. © Sukri/Timo Duile
Fake News und Verleumdungen waren im Wahlkampf zwar in aller Munde, aber auf den Wahlplakaten nur selten ein explizites Thema. Eine Ausnahme ist dieses Poster, auf dem Jokowi-Anhänger*innen die Anschuldigungen gegen ihn entkräften wollen: Jokowi wird als frommer Muslim (Muslim taat) dargestellt – in Abgrenzung zu den Anschuldigungen, er sei Mitglied der verbotenen kommunistischen Partei (bukan PKI). Jokowi erscheint auf dem Plakat als ‚Saubermann’, von dem alle Verleumdungen abprallen. © Timo Duile
Fake News und Verleumdungen waren im Wahlkampf zwar in aller Munde, aber auf den Wahlplakaten nur selten ein explizites Thema. Eine Ausnahme ist dieses Poster, auf dem Jokowi-Anhänger*innen die Anschuldigungen gegen ihn entkräften wollen: Jokowi wird als frommer Muslim (Muslim taat) dargestellt – in Abgrenzung zu den Anschuldigungen, er sei Mitglied der verbotenen kommunistischen Partei (bukan PKI). Jokowi erscheint auf dem Plakat als ‚Saubermann’, von dem alle Verleumdungen abprallen. © Sukri/Timo Duile
Insgesamt ging es beiden Kandidaten darum, Unterstützung aus möglichst vielen gesellschaftlichen Gruppen zu bekommen. Auch die Unterstützung fragwürdiger Organisationen war willkommen. Dieses spanduk zeigt eine Wahlempfehlung der Pemuda Pancasila in Jakarta für Jokowi: „Ich bin Nr. 01“ (Gue #01) heißt es dort von einer Organisation, die im Namen der Nationalideologie Pancasila Anti-Linke Propaganda betreibt und in organisierte Kriminalität verwickelt ist © Timo Duile
Insgesamt ging es beiden Kandidaten darum, Unterstützung aus möglichst vielen gesellschaftlichen Gruppen zu bekommen. Auch die Unterstützung fragwürdiger Organisationen war willkommen. Dieses spanduk zeigt eine Wahlempfehlung der Pemuda Pancasila in Jakarta für Jokowi: „Ich bin Nr. 01“ (Gue #01) heißt es dort von einer Organisation, die im Namen der Nationalideologie Pancasila Anti-Linke Propaganda betreibt und in organisierte Kriminalität verwickelt ist © Sukri/Timo Duile

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Sukri hat Politikwissenschaft in Yogyakarta studiert und in Südostasienwissenschaft promoviert. Er ist stellvertretender Dekan an der Fakultät für Soziologie und Politikwissenschaft an der Hasanuddin-Universität in Makassar, Indonesien.
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Timo Duile hat in Südostasienwissenschaft über indigene Bewegungen auf Borneo promoviert. Er hat am Institut für Ethnologie an der Universität Köln und am Institut für Orient- und Asienwissenschaften an der Universität Bonn unterrichtet. Zur Zeit forscht er u.a. zu Geistervorstellungen in Kalimantan.
Timo Duile, Sukri

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