Budi (30, oben im Bild) und Septi (25, unten im Bild) sind Bio-Gärtner in Cangkringan, im Norden von Yogyakarta am Fuß des Merapi-Vulkans. Mit ihrem fünfjährigen Sohn leben sie in einem Bambushäuschen am Rand ihres Gartens. Statt auf aufwendige und teure Zertifizierung setzen sie auf ein partizipatives Garantiesystem: Ihr Obst und Gemüse verkaufen sie auf dem Pasar Milas, einem alternativen Bio-Markt in Yogyakarta.
Wie kam es dazu, dass ihr Biogärtner wurdet?
Budi: Ich hab mich schon sehr lange für Bio-Anbau interessiert, sah aber lange kaum Möglichkeiten, vom Anbau von Bio-Gemüse leben zu können. Das änderte sich, als wir das Milas kennen lernten und feststellten, es gibt da eine Gemeinschaft von Menschen, die Wert auf gesunde Nahrung legt. 2010 begannen wir dann selbst mit dem biologischen Landbau. Ich hatte vorher schon Erfahrungen gesammelt, bei Familienmitgliedern und Freunden, die biologische Landwirtschaft betreiben.
Septi: Ich kam zum Gärtnern, als ich Budi kennen lernte. Mich erfüllt das Leben als Bio-Gärtnerin sehr, weil es ein sehr gesundes Leben für mich und meine Familie ist, aber auch etwas, das ich weiteren Menschen vermitteln kann.
Warum habt ihr euch für Bio-Anbau und nicht für den konventionellen Weg entschieden?
Budi: Ich wurde Bio-Gärtner, weil mich besorgt, dass Landwirtschaft heutzutage vor allem ein Geschäft ist, ein schnelles Geschäft, mit immer stärkerer Technisierung. Demgegenüber sehe ich das Betreiben eines Bio-Gartens als etwas sehr Gesundes an, etwas das mir und meiner Familie gut tut.
Septi: Das hat auch mit dem Wunsch zu tun, die Umwelt zu schützen. Warum sollten wir chemischen Dünger verwenden, der die Umwelt schädigt, wenn es organischen Dünger gibt, der die Umwelt nicht schädigt? Wir bekommen doch alles auf diese natürliche Weise, meine Familie kann sich gesund ernähren, wir können unser Wissen darüber mit anderen Menschen teilen und wir sorgen dafür, dass die Umwelt nicht verschmutzt wird. Das ist doch gut für unsere Zukunft. Leider gibt es aber bislang nur sehr wenige Menschen, die auf gesunde Weise Nahrungsmittel anbauen wollen.
Wie können wir uns einen typischen Tag in eurem Garten vorstellen?
Budi: Unser Garten ist etwa 800 Quadratmeter groß. Wir bauen nach der sogenannten tumpangsari-Tradition an, ganz ähnlich den Prinzipien der Permakultur. Unseren Dünger stellen wir selber her, aus Grasschnitt, Gemüseresten, Essensresten, die wir an einem speziellen Platz lagern, wo sie zu Komposterde werden. Außerdem stellen wir mittels Fermentationsprozessen in speziellen Behältern flüssigen Dünger her. Dafür verwenden wir Blätter, Grasschnitt und den Dung von Schafen, Kühen und von Hasen. All dies haben wir von alten, erfahrenen Bauern gelernt und von jüngeren Freunden, die Bio-Anbau betreiben.
Septi: Unsere Vorfahren wussten alles über Bio-Anbau. Für bestimmte Schädlinge mischten sie bestimmte Bekämpfungsmittel aus natürlichen Zutaten. Budi setzt diese Tradition fort, auch wenn diese Art von ‚Lösung‘ in einem modernen Labor vielleicht nicht als ‚beweisfähig’ gelten würde. Aber in der Praxis funktionieren die alten Rezepte.
Man könnte also sagen, Bio-Anbau ist schlicht eine Rückkehr zu den alten Traditionen?
Septi: Ja. Wenn man die Alten fragt, sagen sie, es gibt heutzutage so viele Schädlinge, weil so viel chemisch gedüngt wird. Wir sind aber nicht Bio-Gärtner geworden, weil wir gerne besonders traditionell sein wollten,sondern weil wir unsere Gesundheit erhalten und die Umwelt schützen wollten. Wir bauen vor allem Gemüse an, zum Beispiel Spinat, Tomaten, Gurken, Maniok, Moringa und Pandan. Aber auch verschiedene Wildkräuter, Gewürzpflanzen und Salatsorten, Basilikum und essbare Blüten wie Tagetes, Schmetterlingserbse und Rote Ingwerlilie, die übrigens hervorragend für Sambal-Saucen geeignet ist.
Wie können wir uns einen typischen Tag in eurem Garten vorstellen?
Septi: Normalerweise planen wir am Vorabend, was am nächsten Tag getan wird. Wir teilen unsere Zeit ein, setzen eine Art Tagesziel fest, das erreicht werden muss. Das kann dann so aussehen, dass morgens erstmal umgegraben und der Boden vorbereitet wird um Jungpflanzen auszusetzen, die dann bewässert und gedüngt werden und so weiter. Wir haben von morgens bis abends.zu tun mit Pflanzen, Pflegen und Ernten.
Zieht ihr eure Jungpflanzen aus eigenem Saatgut?
Septi: Einen Teil ziehen wir selbst aus unseren Pflanzen. Manches bekommen wir von Freund*innen, die ebenfalls Bio-Anbau betreiben. Einen Teil kaufen wir. Da es sehr schwer ist, Bio-Saatgut zu kaufen, müssen wir manchmal auch auf konventionelles Saatgut zurückgreifen, das wir dann aber ebenfalls biologisch anbauen.
Könnt ihr von den Erträgen eures Gartens leben?
Budi: Wir können sogar etwas ansparen. Einen Teil der Einnahmen investieren wir sofort wieder in unseren Garten. Einen Teil legen wir für Notfälle zurück. Der Rest fließt in Transportkosten und alle weiteren Lebenskosten. Ab und zu gönnen wir uns auch einen netten Ausflug. Es ist ja wichtig, das Leben zu genießen (lacht).
Septi: Momentan reicht es zum Leben. Und wenn es nicht mehr reicht, dann müssen wir uns etwas Neues einfallen lassen.
Wo und an wen verkauft ihr eure Ernte?
Septi: Es gibt ein paar Stammkund*innen, die oft zu unserem Garten kommen und direkt etwas einkaufen. Es gibt Besucher*innen, die spontan vorbei kommen und dann auch Gemüse mitnehmen. Das passiert sogar ziemlich oft. Viele Menschen kennen uns vom Milas-Markt, wo wir immer mittwochs und samstags Gemüse, Obst und Jungpflanzen verkaufen. Wir wollen vor allem lokale Pflanzen bekannt machen. Im Milas kaufen sowohl Einheimische als auch viele ausländische Besucher*innen ein.
Vermarktet ihr eure Erträge auch übers Internet?
Septi: Nein. Nicht weil wir das Internet per se ablehnen, es hat ja viel Fortschrittliches. Aber es ist eben etwas anderes, wenn man das Gemüse im Internet bestellt und dann geliefert bekommt. Wenn Besucher*innen direkt zu unserem Garten kommen, dann sehen sie, dass wir wirklich biologisch gärtnern, sie bekommen einen Eindruck, der wahrhaftig ist. Auch der Milas-Markt schafft einen Raum, wo man auf direkte Weise miteinander ins Gespräch kommt. Ein Gespräch von Mensch zu Mensch, das ist klar und direkt und das bereitet Freude. Und noch schöner ist es, wenn die Menschen uns dann in unserem Garten besuchen und sich selbst ein Bild machen wollen.
Bekommt ihr als Bio-Bäuer*innen und -Bauern Unterstützung von der Regierung?
Septi: Wir wollen keine Unterstützung von der Regierung. Es gibt so viele ‚Projekte‘ mit Regierungsunterstützung, deren Umsetzung überhaupt nicht gut läuft. Außerdem bräuchte es eine Gruppenstruktur, um von der Regierung unterstützt zu werden. Aber wir haben noch keine Gruppe gefunden, der wir vertrauen würden.
Budi: Die Regierungsprogramme helfen den Bäuer*innen nicht wirklich. Die Regierung führt zum Beispiel Programme für Bio-Anbau durch, aber sie setzten dafür Ertragsziele voraus, die mit Bio-Anbau nicht auf die Schnelle zu leisten sind, weil wirklicher Bio-Anbau Zeit braucht. Die Menschen, die in diesen Programmen mitarbeiten, wollen keine Verluste machen und versuchen, sich diesen Vorgaben zu beugen. Das geht aber auf Kosten der biologischen Landwirtschaft. Doch davon will die Regierung nichts hören. Es ist für die Bauern schwierig, das zu vermitteln. Zum einen haben sie alle Hände voll auf den Feldern zu tun. Zum anderen wissen sie zwar viel, sind aber nicht geschult darin, dieses Wissen weiter zu geben, vor allem wenn sie auf Regierungsvertreter*innen treffen.
Welche Herausforderungen gibt es seitens der Konsument*innen?
Budi: Viele von ihnen fragen, warum Bio-Gemüse so teuer ist, aber wenn man es ihnen erklärt, dann verstehen sie es auch. Es kommt vor, dass mich Kund*innen fragen, warum ein Bund Spinat bei mir 5000 Rupiah kostet und nicht 3000 Rupiah wie auf den anderen Märkten und sagen, das sei aber teuer. Dann erkläre ich ihnen, dass sie natürlich anderswo den Spinat für weniger Geld kaufen können, dass sie aber dann nicht wissen, wo er angebaut wurde, auf welche Weise und von wem. Und dass sie natürlich für sich entscheiden können, was ihnen wichtiger ist. Kommunikation mit den Kund*innen spielt eine wichtige Rolle.
Septi: Auf dem Milas-Markt bekommen die Kund*innen die Informationen direkt von den Erzeuger*innen. Das heißt, wir können ihnen alles erklären, vom Saatgut bis zur Ernte. Manche wollen am Anfang nicht verstehen, dass es einen großen Unterschied zwischen konventioneller Landwirtschaft und Bio-Anbau gibt, Aber spätestens wenn sie mal bei uns im Garten vorbei geschaut haben, verstehen sie den Unterschied.
Zu Anfang des Interviews hattet ihr gesagt, Bio-Anbau sei traditionell eigentlich der ‚normale‘ Weg des Anbaus gewesen. Warum wird diese Tradition eurer Meinung nach kaum noch gepflegt?
Septi: Da sind wir wieder bei dem Problem, dass schnell auf Masse produziert werden soll. Dabei wird nicht auf die langfristigen Umweltfolgen geachtet, sondern nur auf schnelle Erträge, die man sich unter anderem von chemischen Düngemitteln erhofft.
Budi: Natürlich sind wirtschaftliche Gründe wichtig. Aber was wir brauchen ist eine nachhaltige Wirtschaft. Für viele Menschen zählt nur das Geschäft, das schnelle Geld. Deswegen wird Bio-Anbau als zu zeitaufwendig abgelehnt. Dabei hängt doch alles mit allem zusammen. Wenn wir auf gesunde Weise für Nahrungsmittel sorgen, dann werden wir auch in weiteren Lebensbereichen nachhaltiger sein, zum Beispiel auch bezüglich Gesundheit und Bildung.
Was haltet ihr von Labels zur Zertifizierung von Bio-Produkten?
Budi: Ich glaube, Indonesien ist noch nicht so weit, dass das funktioniert. Unsere Umwelt ist so kaputt. Da müsste sich grundsätzlich etwas ändern. Die Richtlinien für den Bioanbau müssten verbessert und auch wirklich umgesetzt werden. Meiner Erfahrung nach ist das wie Schminke, die aufgelegt wird, es wird nur oberflächlich geschaut und dann zertifiziert. Was wir aber bräuchten sind tiefgreifende Diskussionen mit den Bäuer*innen und mit Anwohner*innen in ihrer Umgebung, um ein nachhaltiges Umweltbewusstsein zu entwickeln. Es sollte nicht nur um ein Label geben, das man seinem Produkt verpasst, ohne sich zu fragen, was man in einem größeren Rahmen gegen Umweltverschmutzung tun kann.
Septi: Bei der Zertifizierung sollte auch darauf geachtet werden, woher zum Beispiel das Wasser kommt, ob es sauber ist. Auch darauf, ob das was angebaut wird, für die Region, wo es angebaut wird, überhaupt sinnvoll ist. Da müsste viel mehr ins Detail gegangen werden. Ein weiteres Problem sind die hohen Kosten für die Zertifizierungen, Tausende von Euro. Das können Ein-Mann-Betriebe wie wir finanziell gar nicht stemmen.
Warum seid ihr nicht Teil einer Genossenschaft?
Septi: Wir suchen noch nach Mitstreiter*innen, denen wir wirklich vertrauen können. Wenn wir sie gefunden haben, würden wir sehr gerne eine Genossenschaft gründen, denn unsere Kapazitäten zu zweit sind begrenzt. Über eine Genossenschaft, wo es kollegial und ehrlich zugeht, wären wir sehr glücklich. Und dann könnten wir uns vielleicht sogar um Zertifizierungen bemühen. Aber wir sind auch erst vor einem Jahr an diesen Ort umgezogen. Wir haben noch viele Pläne. Einstweilen versuchen wir, mit dem, was wir haben und was wir tun, in unserer Gegend ein gutes Vorbild zu sein.
Gebt ihr euer Wissen in eurer Gegend auch über Schulen weiter und zeigt Kindern und Jugendlichen, wie man gesunde Nahrung anbauen kann?
Septi: In unserem alten Garten haben wir das gemacht, da kamen immer mal Schulklassen vorbei. Wir bereiten das hier auch gerade vor, wollen demnächst mit Broschüren zu einer nahe gelegenen Schule gehen. Vielleicht werden wir irgendwann auch eine Website anlegen, auf die alle Menschen zugreifen können. Denn wir glauben, dass unser Garten auch ein Bildungsort ist, wo man viel lernen kann: Über das Pflanzen, das Halten von Tieren, aber auch über unser familiäres Zusammenleben und über das Leben ganz allgemein.
Was sind eure Wünsche für die Zukunft?
Septi: Ich wünsche mir, dass viele Menschen unserem Beispiel folgen, dass sie sich vorstellen können, so zu leben wie wir. Ich möchte ein gutes Vorbild sein, in der Hoffnung, dass sich etwas ändern kann wenn wir viele sind. Dass wir wieder eine gesunde Umwelt bekommen, weil die Menschen verstehen warum das wichtig ist. Vielleicht schaffen wir es, hier eine Art Ökodorf aufzubauen. Von der Regierung wünsche ich mir, dass sie Kleinbäuer*innen wie uns wirklich zuhört. Und dass sie sich wirklich in den Gärten und auf den Feldern umschaut.
Budi: Bevor die Regierung Regelungen zum Thema Bio-Anbau erlässt, sollte sie sich wirklich eingehend damit beschäftigen, was das bedeutet. Dann wird es mit der Implementierung auch einfacher. Momentan habe ich das Gefühl, weder die, die die Gesetze machen, noch die, die sie implementieren sollen, verstehen wirklich etwas von der Materie. In der Praxis wirkt das wie ein Bumerang.
Was wünscht ihr euch von den Konsument*innen?
Budi: Ich wünsche mir ein ganzheitliches Interesse, nicht nur ein ‚Ich lebe bio, ich esse bio‘, weil es schick ist. Dabei wissen sie oft nicht einmal, ob wirklich `bio` drin ist, wo ´bio` drauf steht. Sie wollen zum Beispiel `bio` und kaufen lieber im Supermarkt ein, als auf dem Markt. Dabei würden sie auf den traditionellen Märkten und vor allem auf alternativen Märkten mehr Bio-Produkte finden und direkt mit den Erzeuger*innen ins Gespräch kommen.
Septi: Ich wünsche mir von unseren Kund*innen, dass sie verstehen, dass wir nicht alle Wünsche erfüllen können. Die Natur folgt ihren eigenen Gesetzen und wir folgen der Natur, in diesem Monat gibt sie uns diese Früchte, zu einer anderen Zeit andere. Ein System, in dem Bauern gezwungen werden, wider die Natur zu handeln, um jeden Konsument*innenwunsch zu erfüllen, ist ein falsches System.
Das könnten wir fast schon als Schlusswort stehen lassen…
Septi: Eins noch: Ich wünsche mir, dass ´bio´ mehr ist als nur ein Trend. Denn es ist eine Lebenshaltung. Wer ´bio´ einkauft, sollte zum Beispiel die Finger lassen von Einwegplastik. Hier in Indonesien ist so viel von Plastikmüll verschmutzt. Die Menschen über die Folgen zu informieren ist schwierig. Wenn ich auf dem Markt einkaufe, gehe ich da immer mit meinen eigenen Einkaufstaschen und Lebensmittelbehältern hin. Anfangs war das mühsam, ich konnte 100-mal sagen: `Ich will keine Plastiktüte` ich bekam trotzdem alles in die obligatorischen Einwegplastiktüten gepackt. Aber wenn ich mit den Marktfrauen rede und ihnen erkläre, dass ich Müll vermeiden will, verstehen sie es. Und dann sage ich: „Wenn es zehn Menschen gäbe wie mich oder 100, dann wären zehn oder 100 weniger von diesen Tüten in der Welt.“ Es macht mich wirklich traurig, den Zustand unserer Umwelt zu sehen. Aber wer soll etwas verändern, wenn nicht wir, die junge Generation?
Interview und Übersetzung aus dem Indonesischen von: Anett Keller
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