Osttimor

Timor-Leste – ökologischer Landbau im Irgendwo

In einem Trainingszentrum für Bioanbau werden Jungpflanzen pikiert © Kiera Zen

Interview mit Kiera Zen, studierter Landwirt und Gründer des Sozialen Marktforschungsinstituts „Insight“ in Dili. Seit 2007 unterstützt er eine Bauerngemeinschaft in Maliana, um den biologischen Anbau von Reis und Gemüse zu fördern. Dazu gehört auch die Beratung für das Marketing der Produkte.

 

In den ländlichen Regionen schlägt das Herz von Timor-Leste. 70% der Bevölkerung sind in der Landwirtschaft tätig, die vorwiegend als Bedarfswirtschaft betrieben wird. Die Förderung der ländlichen Entwicklung ist eine Priorität, doch dem gegenüber steht die Politik der Regierung billigere Nahrungsmittel zu importieren. Gibt es in Timor-Leste inzwischen eine Hinwendung zu mehr lokalen Produkten und ein wachsendes Bewusstsein für ökologischen Landbau?

Kiera Zen: In der Tat. Seit einiger Zeit finden lokale Produkte besseren Absatz. Sie kommen aus fast allen Distrikten und sind auf den Märkten und in den Geschäften der Hauptstadt erhältlich. Die Zahl der Menschen, die lokale Produkte wertschätzen und konsumieren, wächst.  Das ist sehr wichtig, denn es ist ein Ausdruck einer Identität stiftenden Verbundenheit mit dem Land. Aber der ökologische Landbau ist immer noch im Irgendwo. Es gibt eine Bewegung, aber sie ist noch sehr klein. Permatil, das von Ego Lemos [Umweltaktivist und der Bob Dylan von Timor-Leste] ins Leben gerufene Permakultur-Zentrum, engagiert sich für umwelt- und sozialverträgliche Landwirtschaft. Zur Sensibilisierung für diese damit verbundenen Anliegen, geht er in Schulen und arbeitet mit den Kindern in Schulgärten. Auch unsere Umweltorganisation Haburas wirkt in diese Richtung.

Wie arbeitet Haburas?

Haburas arbeitet zu Landrechten, ökonomischer Gerechtigkeit, ökologischer Landwirtschaft und Bio-Anbau. Sie sind aktiv in Maubisse, Maliana und in Aileu. Doch ist ihre Arbeit projektbasiert, was bedeutet, dass sie aufgrund der Förderpolitik der Geldgeber zeitlich begrenzt bleibt. Sie arbeiten mit kleineren Gruppen von Bauern in den Gemeinden, doch mit Beendigung der Projekte lösen sich diese wieder auf, bevor die Eigeninitiative ausreichend gestärkt werden und der Funke in die Gemeinde überspringen konnte. So ist zwar das Bewusstsein für den Konsum lokaler Produkte und speziell auch für biologisch angebaute gewachsen, aber es ist noch kein ganzheitlicher Ansatz daraus entstanden. Generell geht die Landwirtschaft noch immer in eine andere Richtung. Viele regionale Erzeugnisse, die angeboten werden, kommen nach wie vor aus dem konventionellen Anbau mit chemischem Dünger.

Welche Art der Landwirtschaft bevorzugt die Regierung? Was ist deren Politik und unterstützt die Regierung den ökologischen Landbau?

Zu biologischem Anbau sagt die Regierung nicht grundsätzlich nein, aber die Förderung hält sich sehr in Grenzen. Sie investiert viel in die Mechanisierung der Landwirtschaft, z.B. den Einsatz von modernen technischen Geräten und Traktoren. Für die Bauern heißt dies, spezielle Kenntnisse und Fähigkeiten zu erwerben, um die Gerätschaften zu nutzen und auch mit den Anwendungen umzugehen. Unterstützung erhält die Regierung bei dem o.g. Ansatz durch die Entwicklungszusammenarbeit mit Deutschland, Thailand, Japan und auch China. Die Strategie der Regierung zielt auf den Export.

Wohingegen es uns in der Landwirtschaft darum geht, selbst ausreichend und gut versorgt zu sein. Wir sind weit davon entfernt, von einem industriellen Anbau in Timor-Leste zu sprechen. Die Regierung fördert den Reisanbau ein wenig hier und da. Aufgrund der günstigeren Reisimporte aus Thailand und Pakistan, findet der heimische Reis schwieriger Absatz. 2017 kaufte die Regierung den lokalen Reis auf, der zu großen Teilen verrottete. Sie hatten nicht sichergestellt, dass der Reis trocken genug für die Lagerung war, es gab keinen Kontrollmechanismus, der die Qualität garantierte, zudem wurde viel gestohlen. Dieses Jahr kauft die Regierung keinen Reis mehr auf.

Wie konkurrenzfähig ist der lokale Reis gegenüber dem importierten?

Importierter Reis auf einem Markt in Timor-Leste. © Monika Schlicher

Die lokalen Produkte sind auf jeden Fall teurer. Der hohe Preis für Erzeugnisse aus biologischem Anbau ist etwas, womit wir seit Anbeginn zu kämpfen haben. Erst verlangten die Bauern für 25 Kilo 28 US-Dollar. Wir diskutierten fast zwei Jahre, um eine neue Kalkulation möglich zu machen und langsam den Preis zu senken. Jetzt verkaufen sie 25 Kilo hochqualitativen Bio-Reis für 20 USD. Die Bauern greifen aber dennoch lieber wieder auf chemischen Dünger zurück, um mehr Erträge zu bekommen. Doch der importierte Reis bleibt günstiger, für die gleiche Menge Reis zahlt man 13 oder 14 Dollar. Gleichzeitig ist dieser aber auch weniger wertvoll, da er zu 15% gebrochen ist. Die Umstellung auf biologischen Anbau braucht noch sehr viel Zeit.

Die Bevölkerung kann sich lokale Produkte also offenbar so schon kaum leisten. Wie lässt sich biologischer Anbau forcieren, wenn der Preis lokaler biologischer Erzeugnisse noch höher als der konventioneller ist?

Es bedarf einer umfassenden Marktanalyse. Hierzu wäre eine Studie hilfreich, um eine korrekte Kalkulation für einen angemessenen und gleichzeitig erschwinglichen Preis vornehmen zu können. An der Frage, wie wir diesen Kurs ändern können, arbeiten wir derzeit. Von Einfluss dabei ist nicht nur das Produkt selbst, sondern vor allem die Einstellung in Timor-Leste zum Wirtschaften: Die Timoresen sind in erster Linie Subsistenzbauern, d.h. Selbstversorger und denken wenig kundenorientiert. Zudem sind sie durch die gewaltvolle Geschichte von Fremdherrschaft und  Widerstand, die bestimmt war von Unsicherheit und Verlust, geprägt.

Dies führte zu einer Haltung, von der Hand in den Mund zu leben. Wir Timoresen machen uns Gedanken, was wir morgen essen und nicht darüber, was in drei, vier Monaten kommt. Das ist auch der Grund, warum wir mit Schwierigkeiten im Planen konfrontiert sind. Ebenso ist es die Antwort darauf, warum die meisten Timoresen den nationalen Entwicklungsplan der Regierung kaum verstehen. Wie kannst du darüber nachdenken, was in 20 Jahren geschehen soll, wenn selbst fünf Jahre schon zu weit voraus sind? Dieses Denken ist kulturell bedingt, es ist unser Erbe. Das Traumgeschäft für uns wäre, immer und heute den höchstmöglichen Preis zu erzielen. Marktwirtschaftliche Gesetze werden dabei allerdings nicht in Betracht gezogen.

Ökologischer Gemüseanbau in einem Haburas-Projekt © Kiera Zen

Diese Mentalität begegnet uns sehr häufig und müsste sich ändern. Aber es ist nicht einfach, die Menschen dahingehend zu begleiten. Wir versuchen daher aufzuzeigen, was es bedeutet, zu investieren. Manchmal kann man sich glücklich schätzen, wenn man schon ein Jahr nach der Investition Gewinne erzielt. Investieren, Anlegen, Rentabilität sind keine Begriffe, die wirklich verstanden werden. Aber in den zahlreichen Gesprächen und Versammlungen bewegt sich etwas. Die Bauern werden offener und machen sich ihre Gedanken, wie sie langfristig investieren, auch in die Zukunft ihrer Kinder. Und die kleine Gemeinschaft dieser Bio-Bauern versucht, auch in ihren Gemeinden ihre Ideen weiterzugeben.

Dazu haben wir ein Café eingerichtet – ein Treffpunkt für die Bauern, bevor sie nach Hause gehen, wo sie sich austauschen über ihre Erfahrungen und ihre täglichen Anstrengungen. Für die jungen Leute gibt es Internetzugang. Nach inzwischen drei Jahren bewegt sich etwas in den Einstellungen, im Verhalten.

Wie kam es, dass die Kooperative, die ihr unterstützt, biologisch anbaut?

Wir haben mit einer kleinen Gruppe von Familien in Maliana angefangen, aber auf lange Sicht soll sich die Gruppe in der Gemeinde verankern und selbst führen. Sie wird Kooperative genannt, aber die Struktur dafür ist noch nicht wirklich gegeben. Letztlich ist es eine Gruppe von Bauern, die Reis und Gemüse biologisch anbaut. Wir etablierten zusätzlich eine Internet Plattform nur für biologisch angebaute Produkte, durch die sie nun ihre Waren anbieten und verkaufen können. Diese beinhaltet auch ein System, durch das die Bauern aufnehmen und erfassen können, wie groß ihre Gewinnspanne ist. Unterstützung erhielt die Gruppe auch von einem fachlichen Berater, der mit USAID und GIZ zusammenarbeitet. Er legte großen Wert darauf, dass die Marktplattform von Bauern selbst aufgebaut wurde. So ist sie auch kein Projekt, das nach Beendigung der Unterstützung wieder in sich zusammenfallen kann.

Was motiviert die Bauern, von konventionellem Anbau auf biologischen umzustellen?

Ausschlaggebend für die Umstellung auf biologischen Anbau das Verstehen der Wirkung auf ihr Leben, den Boden und das Land. Dazu brauchen sie aber Beispiele, die ihnen konkret zeigen und erlebbar machen, dass dies wirklich durchführbar ist. Mit der Umstellung auf biologischen Anbau sinkt zunächst der Ertrag und dieser baut sich erst langsam wieder auf. Es entsteht eine Lücke, die es zu überbrücken gilt. Natürlich ist es nicht einfach, die Bauern davon zu überzeugen, sich dieser Herausforderung zu stellen. Wir vermitteln, dass sich die Umstellung für die Zukunft dennoch lohnt. Sie können die Konsequenzen für ein besseres Leben, für ihre Kinder, für die Erde, die Familien tragen. Diejenigen, die die Bereitschaft zeigen und den Mut haben, mit dem biologischen Anbau zu beginnen, werden von uns unterstützt.

Gibt es Beispiele, dass sich die Lebenssituation der Bauern durch biologischen Landbau verbessert hat?

Junge Gärtner*innen bereiten die nächste Pflanzengeneration für die Felder vor. © Kiera Zen

Für die wenigen, die diesen Schritt gewagt haben, ist eine sichtbare Verbesserung eingetreten. Bauern in Maubisse z.B. verkaufen ihre biologischen Produkte teurer und machen dadurch einen größeren Gewinn. Die Kinder gehen auf eine bessere Schule, sie investieren in ihre Haushalte für mehr Lebensqualität. Wenn man auf dem lokalen Markt einkaufen geht, bekommen die Leute auch erklärt, warum biologische Produkte gut sind, und wenn sie es verstehen, dann kaufen sie diese auch und zahlen dafür auch einen höheren Preis.

Umgekehrt haben wir kürzlich eine interessante Erfahrung mit einer Frau gemacht, die unsere Produkte auf dem Markt verkauft. Sie ist eine Wiederverkäuferin, die ihren Weg zu uns gefunden hat. Sie kauft unsere Produkte ein, bietet aber auch Produkte an, die nicht biologisch angebaut sind. Innerhalb von einer Woche hat sie die klassisch angebauten Produkte verkauft, unsere waren noch da. Es lag an der Art, wie sie den Reis angeboten hat. Tatsächlich kannte sie nur das konventionell Produzierte und wusste das biologisch Angebaute nicht zu präsentieren.

Aber wie gesagt, manchmal fehlt den Menschen der Geschäftssinn, dann werden für lokale Produkte völlig utopische Beträge verlangt, mit dem Risiko, die Ware nicht zu verkaufen. Haben sie die Ware verkauft, dann warten sie, bis das Geld aufgebraucht ist und bieten erst dann wieder die nächsten Produkte an. Die traditionelle Angewohnheit, mit den Erzeugnissen durch die Stadt zu laufen und zufällig Käufer zu finden, führt in der heutigen Zeit zu einem spärlichen Erfolg. Diese Verhaltensweisen schaffen kein kontinuierliches Einkommen. Wir verurteilen niemanden und sehen es als unsere Aufgabe an, das nötige Wissen über Geschäft und Handel zu vermitteln.

Zusammenfassend kann man sagen: Es gibt ein wachsendes ökologisches Bewusstsein, bei den Bauern wie auch innerhalb der Käuferschicht. Doch es steckt noch in den Kinderschuhen.

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Die Autorin

Maria Tschanz war von 2003-2007 als Fachkraft der AGEH im Zivilen Friedensdienst in Timor-Leste bei der Frauenorganisation Fokupers für psychosoziale Beratung, Coaching und Organisationsentwicklung tätig. Sie ist seither dem Land und seinen Menschen verbunden.

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Die Autorin

Monika Schlicher ist Geschäftsleiterin der Stiftung Asienhaus und zudem dort verantwortlich für das Programm Focus Timor-Leste. Seit Ende der 1980er-Jahre steht die Politologin, Historikerin und Menschenrechtsaktivistin solidarisch an der Seite von Timor-Leste. Sie engagiert sich mit Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit im lebendigen Austausch mit Osttimores*innen aus dem Widerstand, zivilgesellschaftlichen Organisationen und Politik.

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M. Schlicher, M. Tschanz

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