3 | 2023

Philippinische Sportpolitik zwischen Stolz und Misere

Die philippinische Gewichtheberin Hidilyn Diaz gewann in Tokio 2021 olympisches Gold © Budiey.Flickr.CC BY-NC 2.0

Philippinen: Spitzenathlet*innen werden mit Diplomat*innen verglichen. Doch ihre Förderung durch den Staat bleibt hinter ihrem Bedarf zurück.

Philippinische Spitzenathlet*innen erzielen zwar sportliche Bestleistungen und genießen hohe gesellschaftliche Anerkennung. Sie haben jedoch große Mühen, ihren Lebensunterhalt zu sichern und die Kosten ihrer sportlichen Laufbahn zu finanzieren. Für das philippinische Institute for Nationalist Studies hat Lemuel Deinla dazu einige Beispiele zusammengestellt:

  • Die Gewichtheberin Hidilyn Diaz musste mühsam um die Finanzierung ihrer Teilnahme an den Olympischen Spielen in Tokio 2021 kämpfen. Dort gewann sie dann eine Goldmedaille.
  • Edwin Villanueva und Adrian Asul, zwei Mitglieder des paralympischen Schwimmteams, erhielten zwei Jahre lang nicht die vorgesehenen staatlichen Unterhaltszuschüsse. Sie mussten daher die Kosten für Unterkunft und Verpflegung im Trainingslager selbst aufbringen.
  • Der Boxer Eumir Marcial bemühte sich über soziale Netzwerke um Spenden und Sponsoren für die Finanzierung seiner Teilnahme an den Olympischen Spielen 2021 in Tokio. Er erhielt eine Zusage zur Kostenübernahme vom bekannten Basketball-Profi Thirdy Ravena. Eumir Marcial gewann in Tokio Bronze.
  • Die für die Olympischen Spiele qualifizierte Boxerin Irish Magno beklagte sich über Verzögerungen bei der Zahlung der staatlichen Unterhaltszuschüsse. Aus Sorge um ihren täglichen Lebensunterhalt könne sie sich nicht auf ihr Training konzentrieren, so Magno.
  • Die Tennisspielerin Alex Eala widersprach Meldungen über eine angebliche staatliche Förderung in Höhe von drei Millionen Peso (knapp 50.000 Euros) und erklärte, für ihre Grand Slam Teilnahmen nicht einen einzigen Peso zu erhalten.
  • Der Schachgroßmeister Wesley So wechselte zum Schachverband der USA, weil ihm von philippinischer Seite Preisgelder für Siege im Schach verwehrt wurden.

    Schachgroßmeister Wesley So, der zum Schachverband der USA wechselte © Frans Peeters.Flickr.CC BY-NC-ND 2.0

  • Der Eiskunstläufer Michael Martinez startete eine öffentliche Fundraising-Kampagne, um seine Teilnahme an den Olympischen Winterspielen 2022 ermöglichen zu können.

Das ernüchternde Fazit lautet: Philippinische Spitzensportler*innen erhalten vom Staat keine angemessene Unterstützung. Der philippinische Sportsektor ist – auch im Vergleich zu Nachbarländern wie beispielsweise Thailand – stark unterfinanziert.

Diplomatische Mission?

Gleichwohl besteht sowohl bei offiziellen Stellen als auch bei den Fans großes Interesse an der Teilnahme philippinischer Spitzensportler*innen an internationalen Wettkämpfen, um Sichtbarkeit und Ansehen des Landes durch sportliche Bestleistungen zu erhöhen. „Teilnehmer*innen zu internationalen Wettkämpfen zu senden, ist gleichbedeutend zur Entsendung von Diplomaten in fremde Länder“, kommentiert Francis Pangilinan, bis 2022 philippinischer Senator und Vizepräsidentschaftskandidat der Liberal Party bei den Wahlen 2022.

Präsident Ferdinand Marcos jr., der von sich behauptet, in seiner Jugend ein Sportfan gewesen zu sein, erklärte im April 2023 bei der Verabschiedung der Sportler*innen zu den Südostasien Spielen: „Wenn es noch etwas gibt, was diese Regierung, diese Verwaltung oder ich persönlich tun kann, dann sagen Sie es mir bitte, denn wir alle drücken Ihnen die Daumen. (…) Und wir alle wollen alles tun, was wir tun können, damit ihr in euren gewählten Disziplinen so erfolgreich wie möglich seid.“

Nicht zuletzt profilieren sich die Philippinen auch als Gastgeber für internationale Sportevents. Der Basketball World Cup der FIBA (Fédération internationale de basket-ball) mit 32 beteiligten Nationalteams fand im Spätsommer 2023 hauptsächlich in Manila statt (neben Austragungsorten in Indonesien und Japan).

Philippinische Sportförderung

Für die Unterstützung und Förderung von Spitzensportler*innen und Trainer*innen sind in den Philippinen verschiedene Akteure zuständig. Die wichtigsten sind:

Präsident Ferdinand Marcos Jr. 2023 © Presidential Communications Office.Flickr.CC BY-NC-ND 2.0

  • Die Philippine Sports Commission (PSC – Philippinische Sportkommission) ist eine 1990 gegründete staatliche Einrichtung, die sich laut Verfassungsauftrag um die Bedeutung des Sports und um die Schaffung einer gesunden und funktionstüchtigen Bürgerschaft vom Breitensport bis zum Spitzensport kümmern soll.
  • Die National Sports Associations (NSA – Nationale Sportvereinigungen) gliedern sich nach den einzelnen Sportarten – von Basketball und Bogenschießen bis Tischtennis und Volleyball. Insgesamt gibt es zahlreiche solcher landesweiten Sportbünde, die dem jeweiligen internationalen Sportverband ihrer Disziplin angeschlossen sind.
  • Das 1975 gegründete Philippine Olympic Committee (POC), ist als nicht-staatliche, unabhängige Organisation Mitglied des Internationalen Olympischen Komitees.
  • Das Philippine Paralympic Committee (PPC), ist 2016 aus einer 1987 gegründeten Vorgängerorganisation hervorgegangen und ist Mitglied im Internationalen Paralympischen Komitee.

Das ‚Zusammenspiel‘ dieser Organisationen, die nach jeweils unterschiedlichen Regelwerken funktionieren, zeigt Dina Bernardo auf der Homepage des Sport Management Council of the Philippines in einer Grafik folgendermaßen:

Die durchgezogene Linie illustriert das Berichtswesen zwischen PSC beziehungsweise POC und der Regierung, dem Internationalen Olympischen Komitee, den internationalen Sportverbänden, den Nationalen Sportvereinigungen, den Athlet*innen und den Trainer*innen. Die gestrichelte Linie zeigt die Zuwendungen von Unterstützungsleistungen. © Dina Bernardo

Philippine Sports Commission – PSC

Die PSC ist die zentrale Sportförderungs-Instanz von staatlicher Seite. Ein eigens für Sport zuständiges Ministerium mit Stimme im Kabinett gibt es nicht, auch wenn in jüngerer Vergangenheit dazu Gesetzesinitiativen wie die von Senator Antonio Trillanes IV bestanden. Im Dezember 2022 wurde von Präsident Marcos der ehemalige Basketball-Spieler und Sportfunktionär Richard Bachmann mit der Leitung der Kommission beauftragt. Mit einer programmatischen Erklärung zu pünktlicher Förderung reagierte Bachmann bereits auf Verzögerungen und andere Unregelmäßigkeiten bei den Unterhaltszuschüssen für Athlet*innen.

Philippinische Wasserball Mannschaft bei den Südostasien Spielen 2015 © Voxsports Voxer. Flickr CC BY-NC 2.0

Die finanziellen Mittel für die Sportförderung der Kommission kommen über den National Sports Development Fund überwiegend aus Erträgen von zwei Staatsbetrieben: der Philippine Amusement and Gaming Corporation (PAGCOR) und dem Philippine Charity Sweepstake Office (PCSO). 2,5 Prozent der Bruttoeinnahmen von PAGCOR gehen an PSC; von PCSO kommen die Mittel mit Unterbrechungen. Ein deutlich geringerer Mittelanteil fließt aus allgemeinen Haushaltsmitteln, die ohnehin stets knapp sind. 2017 und 2018 waren es je rund 3,3 Millionen Euro; 2019 und 2020 fielen die Zuwendungen wegen der Kosten für die Südostasien Spiele und für die Vorbereitungen der Olympischen Spiele etwas höher aus.

Sponsoren, Korruption, politische Machenschaften

Die Unterfinanzierung von staatlicher Seite ist offenkundig. Den Athlet*innen bleiben private Sponsoren. Diese werden teils direkt über Spendenkampagnen in den sozialen Medien angesprochen. Sie sind jedoch auch im Blick der Werbestrategien der Nationalen Sportvereinigungen (NSA). Mit unterschiedlicher Intensität und wechselndem Erfolg werben die NSA bei reichen Privatleuten und Unternehmen um Gelder. Allerdings sind nicht alle NSA in der Lage, große Unternehmen als Sponsoren zu gewinnen. Denn diese konzentrieren sich meist auf die beliebtesten Zuschauersportarten, bei denen sie ihre Marken am besten präsentieren können.

Replik der Skulptur tanzender Ringe von Jose F. Datuin im Rizal Park in Manila. Beim Wettbewerb Sport und Kunst 2008 des Internationalen Olympischen Komitees gewann das Original des philippinischen Künstlers den 1. Preis © Harry und Rowena Kennedy. Flickr CC BY-NC-ND 2.0

Die Misere der philippinischen Sportförderung wird durch zwei weitere Probleme verstärkt: Korruption und politische Machenschaften. Anschuldigungen wegen missbräuchlicher Mittelverwendung und Machtkämpfen zwischen den Leitungen der NSA, dem PSC und dem POC kursieren seit Jahren. Sportler*innen werden in solche Streitigkeiten verwickelt; einigen von ihnen wird die finanzielle Unterstützung entzogen oder sie werden von der Teilnahme an internationalen Wettkämpfen ausgeschlossen.

Das alles hat Folgen: Bei den Olympischen Spielen 2021 in Tokio errangen philippinische Athlet*innen vier Medaillen und belegten damit Rang 50. Bei den Asien Spielen in Indonesien 2018 erkämpften sie 21 Medaillen und kamen auf Rang 19. [Zur Zeit des Redaktionsschlusses im September 2023 liefen die Vorbereitungen für die Asien Spiele im chinesischen Hangzhou, d.R.]. Auf dem Allzeit-Medaillenspiegel der Südostasien Spiele, die zuletzt im Mai 2023 in Phnom Penh stattfanden, belegten die Philippinen den fünften Rang.

Ein Fazit

José Cojuangco, ehemaliger Präsident des Philippinischen Olympischen Komitees und langjähriger Abgeordneter, fasst die Lage der staatlichen Sportpolitik zusammen: „Was überdacht werden muss, ist der Wert, den die Regierung dem Sport beimisst.“ Beim Sport gehe es nicht nur um Medaillengewinne, sondern er sei auch ein integraler Bestandteil der Entwicklung der Bürger*innen. „Bei jedem internationalen Wettbewerb, an dem wir teilnehmen, kritisieren so genannte ‚Experten‘ unsere Leistungen, ohne positive Vorschläge zu machen“, fährt Cojuangco fort. Sie schlügen immer nur Veränderungen vor, ohne zu sagen, welche Art von Veränderung notwendig sei. „Ich hoffe, dass wir endlich eine Entscheidung darüber treffen können, was wir mit unserem Sport machen.“

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Der Autor

Jörg Schwieger ist evangelischer Theologe und Germanist. Er war von 1982 bis 1986 Geschäftsführer der Aktionsgruppe Philippinen und von 1987 bis 1991 Geschäftsführer des philippinenbüro e.V. sowie danach langjähriger Mitarbeiter im kirchlichen Entwicklungsdienst mit unterschiedlichen (Leitungs-) Funktionen. Er ist freiberuflicher Berater und ehrenamtlich zu Asien, in der personellen Entwicklungszusammenarbeit und lokal zu Integration und kultureller Teilhabe engagiert.

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Jörg Schwieger

Jörg Schwieger ist evangelischer Theologe und Germanist. Er war von 1982 bis 1986 Geschäftsführer der Aktionsgruppe Philippinen und von 1987 bis 1991 Geschäftsführer des philippinenbüro e.V. sowie danach langjähriger Mitarbeiter im kirchlichen Entwicklungsdienst mit unterschiedlichen (Leitungs-) Funktionen. Er ist freiberuflicher Berater und ehrenamtlich zu Asien, in der personellen Entwicklungszusammenarbeit und lokal zu Integration und kultureller Teilhabe engagiert.

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