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Malaysias „Vision 2020“: Über den Traum und die Wirklichkeit – Teil II
Südostasien: Der Kunstkritiker Lee Weng-Choy führt ein Gespräch mit den Künstlern Liew Kung-Yu und Ray Langenbach über zeitgenössische Kunst in Malaysia. Im zweiten Teil des Gespräches erzählt Ray Langenbach über die Praxis des Dokumentarfilmens und die unausgesprochene Komplexität von kulturell bedingten Ästhetik-Vorstellungen.
LWC: Ray, Du bist US-Amerikaner, der seit den späten 1980er Jahren in Malaysia und Singapur Kunst lehrt und praktiziert, und in Deiner Arbeit hast du die eigene Identität als schwuler weißer Amerikaner in Asien immer wieder problematisiert. Im vierten Band der bahnbrechenden Buchreihe Narratives in Malaysian Art hast Du Dich mit dem Problem der Ausgrenzung in den vorherrschenden Diskursen über moderne und zeitgenössische Kunst in Malaysia befasst. In Deinen Arbeiten geht es häufig um solche Themen. Wie sieht Deine künstlerische Praxis als Dokumentarfilmer aus?
Ray Langenbach (RL): Vielleicht habe ich naiverweise gedacht, dass die Archivierung und Historisierung von Ereignissen in Südostasien und die Aktionen von Kunstkolleg*innen die Imperialismen meiner Nation irgendwie kompensieren würden. „Wer ist dieser hässliche Amerikaner mit der Kamera?!“ Ich bin mir bewusst, dass meine Präsenz historisch durch ein postkoloniales Skript definiert ist, das von ethnografischen, anthropologischen, soziologischen und militärischen Sichtweisen geprägt ist. Solche Fragen beeinflussen die Art und Weise, wie ich die Leistungen anderer wahrnehme und wie meine Dokumentation von anderen in der Region gesehen wird.
Mein Videoarchiv besteht nun seit dreiunddreißig Jahren, seit 1989. Im Jahr nach meiner Ankunft in Penang kam eine Dokumentarfilmerin, Dawn Wiedeman, mit der ich in der Vergangenheit zusammengearbeitet hatte, zu Besuch und verkaufte mir ihren Canon Hi-8 Camcorder. Das war der Beginn meines ernsthaften Filmprozesses. Nachdem ich 1993 nach Singapur zog, wurde diese Kamera durch eine kleinere und kompaktere Sony Digital Tape Cam ersetzt, die es mir ermöglichte, immer eine Kamera bei mir zu haben. Diese wurde dann einige Jahre später durch eine noch kleinere DV-Cam ersetzt, die auf SD-Karte aufzeichnet.
Als jemand, der nicht nur performt, sondern auch regelmäßig die Performance-Kunst anderer dokumentiert, musste ich mich mit den kulturellen Auswirkungen dessen befassen, was gespeichert und was eliminiert wird. Aber auch mit der Art und Weise auseinandersetzen, in der die dokumentierte Performance und die Performance des Dokumentierens miteinander verbunden sind, sich überschneiden und zusammenlaufen. Jede Stunde, die ich mit dem Aufnehmen und Bearbeiten verbringe, zwingt mich dazu, darüber nachzudenken, was es bedeutet, dies zu tun. Dabei geht es nicht nur um die instrumentelle Frage, wie man Ereignisse am besten dokumentiert, sondern auch um epistemologische Fragen: Was kennzeichnet die Leistung der Dokumentation? Wie wird die Erinnerung durch die Technologie ‚gerahmt‘? Wie wird Geschichte durch technologische Erinnerung konstruiert? Was für eine Art von ‚Wesen‘ ist es, das wir im Rahmen finden oder das den Überschuss ausmacht, der nicht gerahmt werden kann?
Feinheiten und Zwischentöne, Performance-Kunst zu dokumentieren
LWC: Wie Du bereits an anderer Stelle angemerkt hast, widmen Bibliotheken und Museen der Archivierung und Sammlung von Dokumenten der Performance-Kunst, insbesondere aus der Region, inzwischen eine Menge Ressourcen. Während sich die Performance-Kunst in Südostasien, wie ihre Pendants anderswo auch, einst bewusst gegen den Mainstream wehrte, scheint sie nun größtenteils froh zu sein, institutionell angekommen zu sein. Kannst Du mehr über ihren Dokumentationsprozess sagen?
RL: Wenn ich ein Performance-Festival aufnehme, wird die Entscheidung, wann ich die Kamera einschalte, von meiner ästhetischen Veranlagung und meiner ‚Lesart‘ der kulturellen Codes, die im Spiel sind, beeinflusst. Ob ich als Dokumentarist die aufgezeichnete Sprache verstehe oder nicht, ist nicht wichtig. Ich bin mir bewusst, dass es viele Codes gibt, die für mich unzugänglich sind, von lokalen Konventionen bis hin zu Ritualen, die die Reaktion des Publikums bestimmen, die Wahl des Ortes, die Organisation des Raums und so weiter.
Aber ich versuche nicht, im Bereich der Ästhetik konsequent egalitär zu sein. Ich setze meine ästhetischen Urteile ein, um mich gegen den despotischen Wunsch zu wehren, alles für die Geschichte festzuhalten – die technokratische Tendenz, eine perfekte Darstellung zu produzieren, eine Karte im Maßstab 1:1. Ich möchte diese Dialektik zwischen ästhetischem Nihilismus und dokumentarischem Starrsinn offenlegen. Ästhetische Urteile, kulturelle Vorannahmen und epistemische Hegemonien haben schon immer einen tiefgreifenden, aber weitgehend unsichtbaren Einfluss darauf gehabt, woran wir uns erinnern. In diesem Fall können sie bestimmen, wann ich die Kamera an- und ausschalte. Wenn ich eine Aufführung für einen ‚dummen Mist‘ halte, um es hart auszudrücken, kann es gut sein, dass ich die Kamera ausschalte. Schließlich ist es eine Sache, Zeit mit einer schlechten Aufführung zu verschwenden – aber Videoband und Geld verschwenden? Es ist klar, dass die Bewertung eines Werks viel mit den kulturell bedingten Vorstellungen von Ästhetik zu tun hat. Dies ist eine weitgehend unausgesprochene Komplexität in allen Formen der kulturellen Dokumentation. Wenn es sich um eine soziale oder alltägliche Leistung handelt, die dokumentiert wird, können diese Entscheidungen sogar noch komplexer sein und die Art von ‚dicker Beschreibung‘ der Anthropologie erfordern.
Apropos Kontextualisierung: Wie lassen sich die Lücken am besten schließen? Denn in einer Dokumentation fehlen immer Informationen. Was geschah außerhalb des Bildes und außerhalb der Kamera? Die Theoretikerin Heike Roms hat im Rahmen eines Oral-History-Projekts mit dem Titel What’s Welsh for Performance eine sehr produktive Technik entwickelt, bei der lokale Performance-Künstler*innen im öffentlichen Raum interviewt wurden. Wie ich ihre Methode verstehe, wurden diese Interviews mit den Diskussionen und sogar Korrekturen aufgezeichnet, die von den Zuschauer*innen, von denen einige an den Veranstaltungen teilgenommen hatten, ausgelöst wurden. Eine solche Methodik oder die Technik des Generationenfilms von Pekka Kantonen könnte ebenfalls dazu beitragen, Lücken in der Erinnerung an die Ereignisse zu schließen.
Live Art/Performance Art greift in hohem Maße auf die Verhaltensweisen des täglichen Lebens zurück. Es gibt eine Übertragung bestimmter Formen, Gesten, Ausdrücke, Sprechweisen, Handlungsweisen, Interaktionsweisen, die normalerweise im täglichen Leben erwartet werden und die plötzlich als Werke in einem ästhetischen Kontext wieder auftauchen. Mein Engagement für die Schaffung und Dokumentation von Performance-Kunstwerken in verschiedenen Kulturen erstreckt sich auch auf die Dokumentation volkstümlicher Verhaltensweisen, die als Speicher für soziale Semiosen dienen. Dazu gehören die choreografierten und spontanen Massenrituale von Wahlen und Demonstrationen, die Gesten und performative Sprechakte kodieren. Während bestimmte grobe choreografische Muster in Massenritualen universell sind (wie staatliche oder korporative Agenten funktionieren, wie Barrikaden zum Angriff, zur Kontrolle oder zum Schutz gebildet werden), sind die Mikro-Performances und Interpretationen von Handlungen kulturspezifisch, kodiert und oft verschlüsselt. Dies erfordert eine andere Art der Dokumentation als die, die in den Massenmedien oder den meisten sozialen Medien zu sehen ist, und ist methodisch mit der Dokumentation von Performance-Kunstwerken verwandt.
Bangkok 1992
Als die Menge der Demonstranten vor dem Royal Hotel in Bangkok zusammen auf der Straße lag, bot jeder Einzelne den unmittelbar hinter ihm liegenden Schutz vor den Kugeln der Armee. Das scharfe Feuer, das nur wenige Zentimeter über unseren Köpfen zischte, führte zu einer zutiefst intimen Erfahrung des Überlebens in der Gruppe, wobei jeder von uns den Nebel der von jedem anderen ausgeschütteten Angsthormone einatmete: Adrenalin und Cortisol. Soziale Massenereignisse, insbesondere solche, die mit extremen Zuständen der Leidenschaft oder des Terrors einhergehen, verschlüsseln solche Akte der Intimität und des Überlebens, die in der Kunst nur selten möglich sind. Das Massaker wurde von Suchinda Krapayon mit in den Vereinigten Staaten erworbenen M16-Gewehren verübt. Schätzungen zufolge gab es zwischen 52 und 100 Tote, 175 Verschwundene und 696 Verletzte.
Jakarta 1999
Die ersten demokratischen Parlamentswahlen am 7. Juni 1999 läuteten die Reformphase in Indonesien nach der 32-jährigen Herrschaft von Suharto ein und lösten in den Straßen von Jakarta, anderen Städten und Dörfern eine karnevaleske Energie aus. Die Performance-Künstler des Landes, die der autokratischen Regierung lange Zeit mit spielerisch-subversiven Darbietungen Widerstand geleistet hatten, fanden nun ihre sich wandelnden Sensibilitäten in Einklang mit der nationalen Stimmung
Übersetzung aus dem Englischen von: Simon Kaack
Zum 1. Teil des Gesprächs geht es hier.
Der Originaltext auf englisch ist hier abrufbar. The original version is available here.
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