EDITORIALS

Männlichkeiten und Demokratisierung

© Henri Myrttinen

Liebe Lesende,

Wie beeinflussen Konzepte von Männlichkeiten Prozesse der Demokratisierung? Wie stehen sie mit einem zunehmenden Autoritarismus im Zusammenhang? Welche Rolle spielen bestimmte Formen von Maskulinitäten in prodemokratischen Bewegungen? Diese und weitere Fragen thematisieren unsere Autor:innen in der aktuellen Ausgabe der südostasien die in den nächsten Monaten um zahlreiche weitere Artikel wachsen wird.

Unter anderem interessiert uns die Beharrlichkeit von militarisierten Maskulinitäten, sichtbar in der fortlaufenden Verflechtung zwischen Staatsmacht und Militär, der Anziehungskraft autoritärer Männlichkeit in der Politik und in andauernden bewaffneten Konflikten. Zur Entwicklung von friedensfähigen Gesellschaften, zur Transformation und Aufarbeitung von Konflikten und zur Bekämpfung von geschlechtsspezifischer Gewalt müssen auch Vorstellungen von militarisierter und gewaltbereiter Männlichkeit überwunden werden.

Diese Ausgabe betrachtet die große Bandbreite an Maskulinität und der damit verbundenen Bedeutungen in der Region. Jenseits der oft politisch mobilisierten stereotypen Vorstellungen von männlicher Stärke und vermeintlichen Führungsqualitäten zeigen die Artikel auch andere Wege auf, was es bedeutet, in Südostasien ‚ein Mann zu sein‘.

Für die südostasien wurde diese Ausgabe von unseren Redakteur:innen Henri Myrttinen, Monika Schlicher, Laura Faludi und Du Pham konzipiert.

Henri Myrttinen arbeitet seit zwei Jahrzehnten zu Mãnnlichkeiten, vor allem im Kontext der Gewaltprävention, Friedensförderung und der Gleichstellung der Geschlechter. Angefangen hat er mit dieser Arbeit in Indonesien und Timor-Leste. Zurzeit arbeitet er vor allem zu Myanmar, sowohl akademisch als auch als Freiberufler.

Für Laura Faludi ist das Thema seit ihrem Masterstudium in Südostasien-Wissenschaften zentral, wo sie zur LGBTIQ* Bewegung und ihren narrativen Darstellungen in Vietnam geforscht hat. In ihrer langjährigen beruflichen Beschäftigung mit bewaffneten Konflikten und ihrer Aufarbeitung (insbesondere von Militärgewalt) in Länder wie Timor-Leste und Myanmar spielt die Betrachtung von Männlichkeiten eine kritische Rolle, zuletzt im Kontext der Frühlingsrevolution in Myanmar.

Für Du Pham gibt es nicht ‚die eine‘ südostasiatische Maskulinität. Aufgewachsen in einem vietnamesischen Matriarchat hat es zwar auch die männlichen (und selbstverständlich liebgewonnenen Familienmenschen) gegeben, sie waren trotzdem nicht unbedingt – nun, ja, der ‚main character‘. Dennoch kennst sie das Gefühl, an durch Geschlechtsdefinitionen geprägten familiären Hierarchien zu verzweifeln.

Monika Schlicher ist seit den 1990er-Jahren menschenrechtspolitisch aktiv, insbesondere zu Timor-Leste und Indonesien. Die Auswirkungen ungleicher Machtstrukturen in (Befreiungs-)Bewegungen, im Umgang mit gewaltbelasteter Vergangenheit und beim Streben nach einer geschlechtergerechten, inklusiven Gesellschaft bestimmen ihre Arbeit in der Stiftung Asienhaus, die sie leitet.

Diese Ausgabe entsteht in Kooperation mit der Heinrich Böll Stiftung, die parallel das Dossier „Masculinities in Asia“ publiziert.

Hier geht’s zur Ausgabe

  • Artikel
Der Autor

Henri Myrttinen arbeitet seit zwei Jahrzehnten als Forscher und Freiberufler zu Geschlechterfragen, vor allem in Südostasien. Er lebt zur Zeit in Chiang Mai

  • Männlichkeiten im Wandel

    Südostasien – Männlichkeitsideale im privaten wie auch im politischen Raum verändern sich und können zu einem Kulturwandel führen

  • Artikel
Die Autorin

Monika Schlicher ist Geschäftsleiterin der Stiftung Asienhaus und zudem dort verantwortlich für das Programm zu Timor-Leste. Solidarisch steht die Politologin, Historikerin und Menschenrechtsaktivistin an der Seite Osttimors und engagiert sich im lebendigen Austausch mit seinen zivilgesellschaftlichen Kräften.

  • Katholische Komplizen

    Timor-Leste – Anlässlich des Papst-Besuchs 2024 kritisiert Josh Trindade die kulturelle, spirituelle und identitätsbezogene Kolonisierung.

  • „Erst Wasser pflanzen, dann Bäume“

    Timor-Leste – Ego Lemos, Gründer von Permatil, spricht im Interview über nachhaltige Landwirtschaft, die gemeinschaftsorientiert ist und auf indigenem Wissen fußt.

  • Rivalitäten und Rückschritte

    Timor-Leste – Demokratie-Messungen sehen das Land in führender Position in Südostasien. Doch Rivalitäten der alten Führungselite beeinträchtigen das Funktionieren der Institutionen.

  • Timor-Leste sagt Plastik den Kampf an

    Timor-Leste – Der Gebrauch von Einweg-Kunststoffprodukten soll künftig verboten werden. Bis 2030 möchte die sich entwickelnde Inselnation alle Kunststoffabfälle recyceln. Entsprechende Gesetzesentwürfe und Vereinbarungen hat der Staatssekretär für Umwelt des Landes, Demétrio do Amaral de Carvalho, jüngst auf den Weg gebracht.

  • Artikel
Die Autorin

Laura Faludi hat an der Universität Hamburg Südostasienwissenschaften (Schwerpunkt Vietnam und Indonesien) sowie Friedens- und Konfliktforschung studiert. Sie lebt, forscht und arbeitet seit mehreren Jahren in Südostasien. Sie hat als Beraterin für Menschenrechtsdokumentation und visuelles datenbasiertes Storytelling in Myanmar gearbeitet. Zurzeit ist sie als Friedensfachkraft für den Zivilen Friedensdienst in Myanmar und Thailand tätig. Sie schreibt seit 2015 für die südostasien.

  • Bahnschienen als Metapher für Kontrolle

    Myanmar – Das koloniale Burma bestand im Wesentlichen aus einem großen Eisenbahnnetz mit militärischen Hochburgen. Machtausübung durch Schienenbau blieb auch nach der Unabhängigkeit das Mittel der Wahl.

  • Südostasiens FightWorld

    Myanmar/Thailand – Zwei zentrale Folgen der Netflix-Serie FightWorld konzentrieren sich auf Südostasiens Kampfkunst. Beleuchtet werden Muay Thai (Thai-Boxen) und sein weniger bekanntes Pendant Lethwei aus Myanmar.

  • Seite an Seite in Parallelwelten

    Myanmar – Hla ist Rakhine Buddhistin und Nyo Nyo ist Muslim Rohingya. Im konfliktreichen Rakhine-Staat von Myanmar versuchen sie, friedlich miteinander zu leben und Leben zu retten. Wie das geht, zeigt der Dokumentarfilm „Midwives“.

  • Digitales ‚Bootcamp‘ für die Zivilbevölkerung

    Myanmar – Das Internet kann demokratische Kräfte mobilisieren helfen. Zugleich ist es Schauplatz für Zensur, Hate Speech und Falschmeldungen. Die Aktivistin Htaike Htaike Aung berichtet, wie sie sich für digitale Rechte und den Schutz der Bevölkerung einsetzt.

  • Der Klang als Mahnung

    Thailand/Kolumbien – Seit Mai 2022 läuft der Film „Memoria“ des thailändischen Künstlers Apichatpong Weerasethakul in deutschen Kinos. „Memoria“ ist eine Meditation über Erinnerung mit Hilfe aller Sinne. Die Ausstellung „A minor history“ in Bangkok dokumentiert die Entstehung des Films.

  • Artikel
Die Autorin

Du Pham ist interdisziplinäre Arbeiterin. www.dupham.com

DOWNLOAD (PDF)
H. Myrttinen, M. Schlicher, L. Faludi, D. Pham

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