Laos: Der Tourismus, einer der wichtigsten Wirtschaftssektoren der laotischen Volksrepublik, ist von der Pandemie hart getroffen. Wir sprachen mit dem Ökotourismusunternehmer Inthy Deuansavanh über die Reisebranche in der Krise – und wie sie danach aussehen könnte.
Inthy Deuansavanh ist Gründer des größten nationalen Ökotourismusunternehmens, Besitzer eines beliebten Restaurants in Downtown Vientiane sowie einer Hotelkette und einer Restaurantkette. In ihm verdichtet sich laotische Geschichte: Inthy wurde geboren in den Höhlen von Vieng Xay – der Hochburg der kommunistischen Widerstandsbewegung Pathet Lao im ‚Vietnamkrieg‘. Der Sohn eines preisgekrönten revolutionären Schriftstellers brach sein Studium in Moskau Mitte der 1980er Jahre aufgrund des Systemwechsels ab und avancierte anschließend zum Prototypen des ‚erfolgreichen laotischen Unternehmers‘. Das Interview wurde am 29.12.2020 geführt.
Wie geht es Ihnen und ihrer Familie in diesen Zeiten?
Es geht immer besser. Wir hatten ja Glück in Laos, da die Zahl der Corona-Fälle nicht sehr hoch war. Zu Beginn, im ersten Lockdown im März 2020, war es sehr hart für uns alle. Doch danach war es uns zumindest möglich, in Laos herumzureisen und innerhalb des Landes überall hin zu gehen. Insgesamt bisher also alles ziemlich normal. Der einzige Unterschied ist, dass wir nicht ins Ausland reisen können. Meine Tochter ist für ihr Studium in Melbourne. Das ist schwierig, weil ich sie nicht besuchen kann und sie kann auch nicht hierher kommen. Linienflüge sind eingestellt, Touristenvisa werden keine ausgestellt.
Sie sind ein zentraler Akteur in der laotischen Reisebranche. Welche Auswirkungen hat die Coronapandemie auf den laotischen Tourismus?
Da sieht es sehr, sehr schlecht aus, weil so ziemlich jeder in der Tourismusindustrie auf ausländische Touristen ausgerichtet ist. Die Zahl einheimischer Touristen ist äußerst gering und die meisten Produkte, die wir entwickeln, sind für ausländische Reisende. Vor allem für viele Anbieter in der UNESCO-Welterbe-Stadt Luang Prabang – dem Aushängeschild des Laos-Tourismus – ist es extrem schwer, da man sich dort auf sogenannte ‚high-end‘-Touristen aus dem Ausland konzentriert. Dennoch haben wir auch ein bisschen Glück, weil die Zahl der einheimischen Reisenden ebenfalls zugenommen hat. Einige von denen, die sonst ins Ausland reisen, entdecken nun ihr eigenes Land.
Am meisten leiden aber sicher die Reiseagenturen. Für sie ist es sehr schwer sich anzupassen, da einheimische Touristen keine Reiseagenturen nutzen. Die buchen ihre Hotels selbst und gehen alleine zu den Attraktionen. Auch viele Guides haben es schwer. Tourguides sind ja stets Freiberufler und somit in der Krise auf sich und ihr soziales Netz angewiesen. Einige liefern jetzt Essen aus, andere arbeiten auf dem Bau oder in der Landwirtschaft. Auch einige Hotels haben es sehr, sehr schwer. Es hängt vom Ort ab, aber sehr teure Hotels in Luang Prabang haben große Schwierigkeiten, denn selbst wenn die ihre Preise um die Hälfte reduzieren bekommen sie keine einheimischen Kunden.
Ihr Unternehmen bietet auch gemeindebasierten Tourismus in Minderheitendörfern in Naturschutzreservaten an. Damit soll sowohl diesen Gemeinden geholfen als auch der Naturschutz mitfinanziert werden. Was sind die Auswirkungen von Corona dort?
Dasselbe Problem. Wenn es keine Touristen gibt, dann gibt es auch kein Einkommen. Das heißt, einige der Bewohner gehen wieder in den Wald, um Wildtiere zu jagen. Abholzung ist derzeit eher schwierig, da die Regierung ziemlich stark kontrolliert, was natürlich gut ist. Aber die Lokalbevölkerung muss etwas finden, von dem sie leben kann. Also zurück zur illegalen Wildtierjagd, das passiert tatsächlich derzeit.
Welche staatliche Unterstützung bekommt der Tourismussektor in der Pandemie?
Nur wenig. Die Handelskammer hat bereits alles, was wir an Hilfe von der Regierung benötigen, gemeldet, wie Steuererleichterungen, Einstellung von Mietzahlungen und Konzessionsabgaben, Reduktion der Strompreise für Hotels und so weiter. Es wäre gut, wenn es Steuererleichterungen während dieser Pandemie gäbe. Elektrizität wird ja genug im Land hergestellt, muss also nicht importiert werden. Die Kosten dafür müssten für den Tourismussektor gesenkt werden, vor allem für Hotels. Und natürlich wäre es wichtig, dem Privatsektor zu helfen, das Personal zu bezahlen. Unserer Kernbelegschaft zahlen wir im Moment mindestens 20%. Und zwar bis zu den Filialleitern in den Provinzen. Und das, obwohl niemand arbeitet. Manche Unternehmen können das natürlich nicht. Aber im Tourismus sind die Angestellten, ist das Team besonders wichtig. Denn wenn ein Hotel oder eine Reiseagentur keine Belegschaft hat und von Null anfängt, wenn Corona vorbei ist, dann wird es für die sehr schwierig.
Es gibt zwar einen Kredit für kleine und mittlere Unternehmen mit sehr niedrigen Zinsen, aber es ist sehr schwer den zu bekommen. Es soll bald ein Projekt von UNICEF geben, da gab es ein paar Meetings in den vergangenen Wochen. Es geht wohl auch um finanzielle Unterstützung, aber wir warten noch. Es ist eine sehr harte Zeit für alle, auch für politische Entscheidungsträger, da es nun einmal kein Einkommen gibt. Aber es ist wichtig, den Unternehmen zu helfen, da vieles an denen hängt. Wenn nach Corona die Geschäfte im Sterben liegen, dann wird alles nur noch schlimmer. Bisher ist aber leider noch nicht allzu viel passiert.
Ein kleiner Lichtblick für die Reisebranche ist die Kampagne Lao Thiao Lao – Laoten besuchen Laos. Wie läuft diese Kampagne?
Wir müssen uns natürlich anpassen und einige von uns schaffen es, sich auf einheimische Touristen einzustellen. Hotels in Luang Prabang oder auch meine Unternehmen richten jetzt ihre Angebote auf einheimische Touristen aus. Und das heißt in erster Linie natürlich, die Preise zu senken – und zwar im Durchschnitt um 50 Prozent. Bei Lao Thiao Lao ist es das erste Mal so, dass der Privatsektor über die Handelskammer die Sache selbst in die Hand nimmt. Denn wir wissen ja, dass es oft etwas länger dauern kann, wenn man auf die Regierung wartet, weil es da so viele Abläufe, Budgetfragen und so weiter gibt. Diesmal baten wir die Regierung, schnell handeln zu dürfen.
Lao Thiao Lao dient in erster Linie zu Kommunikationszwecken; es ist vorrangig eine Facebook-Plattform mit allen Informationen zu Attraktionen, Reiseagenturen und Hotels, die Sonderangebote haben. Wir haben diese Seite mit Unterstützung des luxemburgischen Projekts Skills for Tourism und einer professionellen Online-Werbeagentur aufgebaut und auch beworben, damit die Leute darüber informiert sind. Und die Seite ist ein ziemlicher Erfolg, weil nun einige von denen, die sonst im Ausland reisen, notgedrungen nach Möglichkeiten im Inland suchen. Die Seite nimmt schnell Fahrt auf: jeden Tag gibt es mindestens zwei neue Posts mit Angeboten und wir haben bereits fast 30.000 Follower, alles sehr dynamisch.
Welche Menschen nutzen diese Möglichkeiten und was ist das Neue an dieser Art des einheimischen Tourismus?
Es sind in erster Linie Menschen aus den vier größten Städten: Pakse, Savannakhet, Luang Prabang und natürlich Vientiane. Aber es sind auch Leute aus Oudomxay, Saravan oder Sekong dabei.
Neu ist zum Beispiel, dass diese Reisenden sehr ähnlichen Aktivitäten nachgehen wie ausländische Touristen und auch in Hotels übernachten. Vielen Hotels in Luang Prabang geht es im Moment relativ gut, da sie hohe Rabatte anbieten. Im Hotel Avani zum Beispiel zahlte man vor Corona fast 300 US-Dollar pro Nacht; jetzt können Einheimische für 70 Dollar dort übernachten. Jetzt ist die beste Zeit für Laoten, Laos in dieser Form zu bereisen. So billig war es nie. Die Pauschalangebote der Hotels beinhalten den Flug und sind sehr attraktiv. Luang Prabang war für Laoten sonst meist zu teuer – das Hotel, das Essen – also sind sie lieber nach Thailand, Vietnam oder Malaysia gereist. Natürlich gibt es einige, die sich über den Preis keine Gedanken machen müssen, aber das ist nur ein Bruchteil.
Jetzt gibt es also eine recht große Zahl an Reisenden, die zwar auch klassische Ziele besuchen, wie zum Beispiel die Khone Papheng-Wasserfälle oder Wat Phou im Süden; sie fangen aber auch an, Abenteuer- oder Outdoor-Angebote zu nutzen. Unser neues Projekt auf dem Berg Phu Pha Marn in Khammuan ist zum Beispiel sehr beliebt bei Einheimischen; es ist derzeit unser erfolgreichstes Angebot.
Neu ist also, dass Laoten anfangen, auf ihren Reisen im Inland Dinge zu machen, die sonst in erster Linie eher Reisenden aus dem Westen vorbehalten waren.
Genau. Und Facebook ist hier natürlich auch ein wichtiger Faktor, denn die Leute posten ihre Erlebnisse und sorgen so dafür, dass andere dasselbe auch erleben wollen. Aber natürlich kann der einheimische Tourismus nicht das Geschäft insgesamt ersetzen. Er hilft, den Betrieb am Laufen zu halten und das Personal wenigstens zum Teil zu halten. Doch auch diese Kampagne deckt für viele sicher nicht die Kosten. Selbst mein Unternehmen wird leiden, wenn Corona länger dauert als erwartet. Wir alle hoffen, dass es bald wieder besser wird. Es ist auch klar, dass es noch einige Zeit dauern wird, bis sich die Branche wieder erholt hat.
Wie wird es nach der Pandemie weitergehen?
Es wird sich etwas ändern, aber nicht von Grund auf. Wir planen bereits, den Markt regionaler auszurichten. Denn Reisende von weiter her, aus Europa oder so, das wird noch eine ganze Zeit dauern, bis die wieder ihren Weg nach Laos finden. Aber die Nachfrage ist da. Wenn nicht bei westlichen Touristen, dann in Thailand, China oder Vietnam.
In den vergangenen zwei, drei Jahren haben wir dort nicht wirklich Marketing betrieben. Heute versuche ich, unseren Freunden in den Reiseagenturen zu sagen, dass wir uns nicht darauf konzentrieren sollten, woher die Touristen kommen, sondern eher auf bestimmte Arten von Touristen. Die Thai-Touristen, die Unternehmen wie meines anspricht, suchen Natur- Erfahrungen. Und das ist eine recht große Gruppe. Und ich bin sicher, das ist dasselbe in China. Wir ziehen nicht diejenigen Touristen an, die Pattaya oder so etwas wollen. Wir suchen einen spezielleren Typ Touristen, wie die neue Generation, die jungen Chinesen, die Englisch sprechen und umweltbewusst sind.
Und die es sich leisten können, mehr Geld für ein höherwertiges Angebot zu zahlen.
Genau. Es gibt hier viele neue Angebote im Naturtourismus, auch weil es die Politik der Regierung ist, ‚grünen Tourismus‘ zu unterstützen. Ich berate derzeit drei Unternehmen, die solche Angebote entwickeln. Das ist ein gutes Zeichen, aber es hängt natürlich alles davon ab, ob sie wirklich ernsthaft in ein gutes Produkt investieren.
Und da sind wir bei einer Sache, die wir bisher noch gar nicht angesprochen haben. Die neue Autobahn von Vientiane nach Vang Vieng – dem Tourismus-Hot Spot auf dem Weg nach Luang Prabang – wurde gerade erst eröffnet: 55 Minuten von Vientiane nach Vang Vieng – statt wie früher vier Stunden! Damit wird sich vieles ändern. Unser Hotel in Vang Vieng war vom Tag der Eröffnung des Highways bis heute voll belegt. Das sind wirklich große Auswirkungen. Und wir wissen, das ist erst der Anfang, weil viele den neuen Highway ausprobieren wollen. Für Vang Vieng ist die große Herausforderung, wie die Behörden mit dem Andrang umgehen werden.
Dasselbe gilt für die Schnellzugstrecke aus China, die Ende dieses Jahres fertig werden soll. Auch hier ist viel Potenzial: ich habe gehört, dass jedes Jahr 200 bis 300 Millionen einheimische Touristen Yunnan besuchen – und das ist dann nur fünf Stunden von Vientiane entfernt. Das ist sehr wichtig und wir sprechen gerade sehr viel mit der Regierung, um uns darauf vorzubereiten und sicherzugehen, dass Laos davon Vorteile hat.
Wie denken Sie über die Auswirkungen dieser Infrastrukturprojekte auf die Umwelt?
Ich denke, dass die Regierung hier sehr wichtig ist, da sie die Sache kontrolliert. Natürlich wird es Auswirkungen auf die Umwelt geben. Aber wenn wir mit der Autobahn gut umgehen, wird sie mehr Vorteile als Nachteile haben. Dasselbe gilt für die Zugstrecke. Wir können nicht einfach darauf warten, dass die Chinesen kommen und dann hier tun, was immer ihnen gefällt. Ich denke, es ist sehr wichtig, dass wir darüber diskutieren und dass der private Sektor und die Regierung zusammenarbeiten um zu sehen, wie wir am besten davon profitieren können.
Und wir müssen jetzt beginnen. Eigentlich wäre es schon vor drei Jahren an der Zeit gewesen, jetzt haben wir nicht einmal mehr ein Jahr. Gerade im Tourismus ist es wichtig, dass wir unser Land selbst China gegenüber bewerben. So können wir mit den richtigen Leuten dort kommunizieren; also denen, die unsere Natur und das authentische Laos erleben und genießen wollen. Wenn wir das nicht tun, dann gibt es sehr aggressive Geschäftemacher, die Laos sonst als billige Massenware vermarkten werden. Die Vorteile für unser Land werden dann sehr, sehr gering sein.
Interview und Übersetzung aus dem Englischen von: Michael Kleinod
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