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An der Grenze bleibt der Schlagbaum unten
Laos: Als die Corona-Krise Südostasien erreicht, schließt Laos seine Grenzen. Die Infektionszahlen sind niedrig. Doch die Folgen von Pandemie und Lockdown prägen die Wirtschaft…
Wie gewohnt ist am Khua Din-Markt im Zentrum von Vientiane um sechs Uhr morgens keine Parklücke in Sicht. Erst nach mehreren Runden geduldigen Suchens lässt sich ein freies Plätzchen ergattern. Das war während des ersten Lockdown im März und April 2020 noch anders.
Der Talat Khua Din, hier kann man Obst und Gemüse säckeweise einkaufen, ist ein guter Indikator für die Geschäftstätigkeit in Vientiane. Hier decken viele kleinere Lebensmittelhändler*innen, Suppenküchenbetreiber*innen und Restaurantbesitzer*innen in Vientiane ihren täglichen Bedarf an frischem Obst und Gemüse, Geflügel oder Fisch.
Auf diesem Markt herrschen normalerweise Gedränge und Hektik. Doch im April 2020 war ein Einkauf hier eher ein Spaziergang. Die Menschen blieben auf Abstand und es gab lange nicht die übliche vielfältige Auswahl an Obst und Gemüse. Die Preise hatten sich teils verdoppelt und verdreifacht. Die laotische Regierung sah sich sogar dazu veranlasst, Mäßigung anzumahnen.
Während des Lockdown
Die Maßnahmen der laotischen Regierung gegen die Ausbreitung des Virus sind durchaus wirkungsvoll. Seit dem 30. März 2020 gibt es keine Touristenvisa mehr. Alle Linienflüge wurden eingestellt und seit dem 23.12.2020 auch wieder alle Charterflüge. Wer ins Land kommt, muss zwei Wochen in Quarantäne: der*die Diplomat*in im Hotel, der*die Wanderarbeiter*in im Quarantänelager. Auch Inlandsreisen waren eingeschränkt, der Handel mit den Nachbarländern für Wochen unterbrochen. Mit der zweiten Corona-Welle im Dezember 2020 wurden wieder einige kleinere Grenzübergänge für den Warenverkehr gesperrt (Stand: Januar 2021). Die wichtigen Handelsverbindungen sind jedoch nicht unterbrochen.
Während des Lockdown galten die üblichen Regeln: Restaurants, Karaoke-Bars und alle nicht lebensnotwendigen Geschäfte waren geschlossen, alle Großveranstaltungen abgesagt. Sogar Boun Pi Mai, das buddhistische Neujahrsfest im April, in Laos normalerweise eine fünf Tage andauernde ausgelassene Dauerparty, fiel aus.
Laos ist im Gegensatz zu seinen Nachbarn dünn besiedelt. Ein Großteil des sozialen Lebens spielt sich im Freien ab. So könnten sich die niedrigen Infektionszahlen, bisher 44 Infektions-Fälle, keine Toten, erklären. Der Abt eines buddhistischen Klosters in Vientiane hat dazu seine ganz eigene Erklärung: “Wir Laoten führen als Buddhisten ein ausgeglichenes Leben, von allem ein wenig und nichts wird übertrieben”.
Nach dem ersten Lockdown hat sich die Lage im Mai und Juni schnell entspannt, innerhalb von Laos gibt es seitdem kaum noch Einschränkungen. Man wird zum Händewaschen aufgefordert und hin und wieder wird beim Betreten einer Mall oder Bank die Körpertemperatur gemessen.
Für laotische Wanderarbeiter*innen und auch für Firmen, die von Auslandsaufträgen abhängig sind, ist die Lage aber nach wie vor prekär. Viele Laot*innen, die in Thailand gearbeitet haben, versuchen inzwischen, illegal ins Nachbarland zurückzukehren, da es in Laos keine vergleichbare Arbeit gibt.
Vor allem chinesische Investitionen fließen
“Arbeitsmäßig sieht es im Moment sehr schlecht aus. Keines unserer Projekte kommt in die Gänge” so Odt, Mitarbeiter einer privaten Firma zur Entsorgung sogenannter UXOs – nichtexplodierter Hinterlassenschaften der US-Flächenbombardements während des Vietnamkiregs. Seine Firma bekommt ausschließlich private Aufträge von ausländischen Firmen die in Laos Stromtrassen, Kraftwerke oder Anlagen zur Wasserversorgung bauen. Hier zeigt sich auch die zunehmende Dominanz chinesischer Investoren. Waren es früher auch Firmen aus Thailand, Malaysia, Australien oder sogar Europa, stehen im Moment ausschließlich chinesische Projekte an.
„Viele Projekte werden verschoben oder sogar gestoppt,“ berichtet Chanthaboune Keobounkhoune, Managing Director der AusLao UXO Clearance Co.,Ltd. „Viele Unternehmen, so auch AusLao, bekommen keine Aufträge mehr und können den Arbeitern keinen Lohn mehr zahlen. Und Steuern an die Regierung zahlen wir natürlich auch nicht mehr.“ Er meint, die laotische Regierung gebe sich große Mühe, das Virus einzudämmen, aber viele Unternehmen wären auf Hilfe angewiesen. Er setzt hier Hoffnung in ausländische Unterstützung, z.B. der KfW Entwicklungsbank, die bereits in der Vergangenheit Projekte finanziert hat.
Die Unterstützung kommt zurzeit, wenn überhaupt, zum überwiegenden Teil aus China. Ein chinesischer Baukonzern, die China Railway Group baut die Schnellbahntrasse von Boten nach Vientiane. Bis 2024 hat Laos jährlich mehr als eine Milliarde Dollar an Schulden zurückzuzahlen und das bei nur noch 860 Millionen Dollar Währungsreserven. Chinesische Firmen bauen mautpflichtige Autobahnen (zuletzt wurde die Strecke Vientiane – Vang Vieng eröffnet) und chinesische Konzerne sind die größten Bauinvestoren in Vientiane. Die chinesische Regierung stellt den Firmen zinsgünstige Kredite zur Verfügung um – nach eigener Aussage – den chinesischen Einfluss in Asien zu stärken. Arbeitsplätze für Laoten entstehen dadurch aber nur am Rande, nicht zuletzt, da chinesische Firmen ihre Arbeiter oft mitbringen.
Gleichzeitig versucht die laotische Industrie- und Handelskammer mit Unterstützung durch die Regierung den Laoten den Konsum laotischer Produkte schmackhaft zu machen, vor allem um kleinere Unternehmen und Handwerksbetriebe zu fördern. Unter dem Motto Made in Laos wurde eine Image-Kampagne gestartet und in der größten Messehalle in Vientiane, dem ITECC Exhibition Center, Ende des Jahres eine Verkaufsmesse organisiert, wie es scheint aber nur mit mäßigem Erfolg.
Tourismus und Dienstleistungsbranche betroffen
Für 2018 hatte die laotische Regierung zum dritten Mal ein Visit Laos Year ausgerufen. Laut Ministerium für Information, Kultur und Tourismus besuchten rund 4,1 Millionen Touristen das Land. Die Regierung hatte fest mit einer jährlichen Steigerung gerechnet. Das Einkommen aus dem Tourismus lag bei rund 700 Millionen USD und sollte neben dem Export von Elektrizität und Bodenschätzen dazu beitragen, 2024 den Status als eines der ärmsten Länder (LDC) hinter sich zu lassen. Aufgrund der Covid-19-Pandemie wird daraus aber nichts, wie die Regierung vor dem Parteitag der Laotischen Revolutionären Volkspartei im Januar betont hat.
Zur aktuellen Lage sagt Thanta Kongphaly, Mitglied der Nationalversammlung: “Alle sind in Sorge wegen der negativen ökonomischen Auswirkungen, von denen insbesondere der Tourismus und der Dienstleistungssektor betroffen sind.”
Wer zurzeit hier in Laos reist, übernachtet in gespenstisch leeren Hotels zu moderaten Preisen. In Tourismus-Hotspots wie Luang Prabang herrscht gähnende Leere. Vang Vieng, einst Backpacker-Mekka, zuletzt beliebtes Ziel koreanischer und chinesischer Reisegruppen, wirkt wie eine Geisterstadt. Die meisten Geschäfte und Restaurants sind verriegelt, viele Hotels geschlossen. Auch in der Hauptstadt Vientiane stehen die Hotels leer oder sind auch hier ganz geschlossen, wie das einst erste Haus am Platz, das Lao Plaza. Gaststätten, Kneipen und Restaurants, die sich auf die Bedürfnisse von Ausländer*innen spezialisiert haben, hoffen jetzt auf die wenigen verbliebenen Expats.
Was tut die Regierung?
Mit der Initiative Lao Thiao Lao – Laoten reisen in Laos versuchen das Tourismusministerium und die laotische IHK deshalb, ähnlich wie in Thailand, den Inlandstourismus anzukurbeln. Das ist bis jetzt noch der berühmte Tropfen auf den heißen Stein. „Aber besser als gar nichts“, antwortet ein Restaurantbesitzer auf meine Frage, wie das Geschäft liefe, und fügt hinzu, „Jetzt bin ich froh, dass ich auch immer Wert auf laotische Gäste gelegt hab“. Sein Restaurant ist eines unter vielen am Quai Fa Ngum. Die Uferstraße in Vientiane ist eine beliebte Strecke für abendliche Spaziergänger, Jogger oder Radfahrer und damit eigentlich beste Lage.
Die Regierung sieht durchaus die Probleme der betroffenen Menschen. Allerdings sollte niemand mit staatlicher Hilfe rechnen. Es gibt die offizielle Empfehlung, sich in der Landwirtschaft zu betätigen. Das heißt soviel wie, „geht zurück in eure Dörfer und baut die notwendigen Lebensmittel selber an“. Und damit sind wir bei einem wesentlichen Grund, der die Folgen der aktuellen Corona-Krise etwas mildert. Das soziale System der Großfamilie – statt eines öffentlichen Sektors staatlicher Absicherung – funktioniert in Laos noch weitgehend und verhindert, dass Menschen in Obdachlosigkeit, Armut und Einsamkeit abrutschen. Aber dieses System hat auch seine Grenzen, zum Beispiel dann, wenn die Familie auf das Einkommen der Wanderarbeiter*innen angewiesen ist.
Die zweite Welle?
Silvester in Laos. In den Nachbarländern herrscht zum Teil wieder der Lockdown, die Infektionszahlen steigen sprunghaft an. Auch in Laos wurden alle Großveranstaltungen, zum Beispiel das beliebte Vang Vieng Festival, abgesagt. Das hält die Menschen jedoch nicht vom Feiern ab. In Vientiane sind fast alle Restaurants und Bars geöffnet, bieten zum Teil Silvesterpartys an.
Die Suppenküchen und Streetfood-Ecken sind überlaufen, die Menschen drängen sich an den kleinen Tischen auf wackligen Plastikstühlen. Vereinzelt sieht man Mundschutzmasken. „Wir sind schon vorsichtig, treffen uns meist nur mit engen Freunden oder in der Familie“, erwidert eine junge Frau auf meine Frage nach dem Infektionsrisiko in Menschenansammlungen.
Die geringen Infektionszahlen werden zwar oft skeptisch kommentiert. Ein Großteil der Bevölkerung scheint der laotischen Regierung aber in diesem Fall zu vertrauen. Die fast totale Isolation des Landes hat sich bei der Pandemie-Eindämmung anscheinend bewährt. Dass sich die Grenzen nach Bewältigung der weltweiten Krise wieder öffnen werden, daran zweifelt hier niemand.
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