Karte des nordöstlichen Teils der Indo-Pazifik-Region © Quapan, Flickr, CC BY 2.0
Ausschnitt der Indo-Pazifik-Region mit Ostasien und Teilen Südostasiens und Südchinesischem Meer. © Quapan, Flickr, CC BY 2.0
Asien/Weltweit: Das Südchinesische Meer ist ein Zentrum der geopolitischen Auseinandersetzung zwischen den Regierungen der USA und der Volksrepublik China im Bestreben nach Hegemonie. Peter Franke skizziert die aktuelle Situation.
Angesichts der in Teil 1 genannten wirtschaftlichen und geografisch-strategischen Bedeutung haben die Territorialansprüche dazu geführt, dass seit der zweiten Hälfte der 1980er Jahre bis 1994 (dem Jahr des Inkrafttretens des UN-Seerechtsübereinkommens) einige Inseln von China und Vietnam zur Behauptung ihrer Einflussgebiete militärisch besetzt wurden, insbesondere die Paracel- und Spratly-Inseln und Riffe. Die Gruppe der Paracel-Inseln und Riffe liegt ca. 200 bis 400 km südlich der chinesischen Inselprovinz Hainan, ca. 250 bis 600 km östlich von Zentralvietnam und 650 bis 850 km westlich der philippinischen Hauptinsel Luzon. Die Gruppe der Spratly-Inseln und Riffe liegt ca. 100 bis 500 km östlich vor den Küsten von Brunei, dem Bundesstaat Sabah von Malaysia auf Borneo und der südlichsten Insel der Philippinen Palawan sowie ca. 400 bis 800 km vor der Küste vom südlichen Teil Vietnams. Umfangreiche Aufschüttungen von kleinsten Inseln und Riffen ab etwa 2010 ermöglichten einen bis heute anhaltenden massiven Auf- und Ausbau von militärischen Einrichtungen zur Absicherung dieser Ansprüche und der Kontrolle der Seewege.
Die territorialen Ansprüche im Südchinesischen Meer © Furfur auf Grundlage von Goran tek-en, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia
Die Volksrepublik China beansprucht fast die gesamte Fläche des Südchinesischen Meeres als ihr Hoheitsgebiet und hat insgesamt 28 Inseln und Riffe besetzt. Davon gehören 20 zur Gruppe der Paracel-Inseln. Bereits 1974 gab es ein Seegefecht zwischen der Marine des damaligen Südvietnams und der chinesischen Volksbefreiungsarmee, bei dem letztere den Hoheitsanspruch behaupten konnte. Das größte und militärisch wichtigste Gebiet ist Woody Island (Yongxing Dao), gut 310 km entfernt von Sanya, der chinesischen Provinzhauptstadt Hainans. Der Militärstützpunkt verfügt seit 2016 über eine 2.700 m lange Landebahn für großes und modernstes Fluggerät wie Langstreckenbomber, geschützte Hafenanlagen und Boden-Luft-Raketen. Er ist die Kommandozentrale für die militärischen Einrichtungen auf den weiteren 19 Inseln, darunter fünf mit Häfen und Hubschrauberlandeplätzen.
Von den 55 beanspruchten Spratly-Inseln hat die Volksarmee von 1988 bis 1994 sieben besetzt, zu Inseln aufgeschüttet und mit Militäreinrichtungen versehen. Sanya auf Hainan mit knapp 1.000 km Entfernung am nächsten gelegen ist das Subi-Riff. Es verfügt als Militärstützpunkt über eine 3.000 m lange Landebahn und große Hafenanlagen. Nur 190 km davon liegen südwestlich das Fiery Cross Reef (Yongshu) und südöstlich das Mischief Reef (Meiji), jeweils mit einer 2.700 m langen Landebahn, Hafen und weiteren Militäreinrichtungen. Die übrigen vier Inseln sind mit unterschiedlichen Militäreinrichtungen versehen.
Taiwan hat eine Insel der Spratly-Gruppe – Itu Aba oder Taiping-Insel – 1.500 km südlich vom eigenen Staatsgebiet besetzt. Mit 1.300 m Länge und 365 m Breite besteht sie praktisch aus einer Landebahn mit einigen Wohnhäusern für Angehörige der Küstenwacht und einige wenige Zivilisten. Wie die Volksrepublik China beansprucht Taiwan (Republic of China) die Paracel- sowie die Spratly-Inseln.
Chinesische Vorposten im umstrittenen Gebiet des Südchinesischen Meeres. © Quapan, Flickr, CC BY 2.0
Die Volksrepublik Vietnam unterhält laut AMTI (Asia Maritime Transparency Initiative) mit 49 Außenposten die meisten im Südchinesischen Meer auf 21 der Spratly-Inseln/Riffe und 14 Einzelplattformen als economic, scientific and technological service stations und auf sechs Unterwasser-Sandbänken. Vietnam begründet seinen Anspruch mit der Lage auf dem Kontinentalsockel vor der vietnamesischen Küste. Allerdings sind die meisten Gebiete der Inselgruppe mit über 500 Kilometer Entfernung weiter von der vietnamesischen Küste entfernt als von der Insel Borneo und dem philippinischen Palawan. Es geht dabei vor allem um die Sicherung der vermuteten Gas- und Ölvorkommen.
Die zur Zeit wohl noch wichtigste und größte Insel ist die Spratly-Insel (nach der die ganze Inselgruppe benannt ist) mit einem ständig besetzten Militärstützpunkt seit 1974 und einer 2016 ausgebauten, 1.200 Meter langen Landebahn. Sie liegt 450 Kilometer vor der Küste Vietnams und knapp 150 Kilometer südwestlich des chinesisch besetzten Fiery-Cross-Riffs. 2022 hat die vietnamesische Regierung 162 Kilometer östlich der Spratly-Insel mit Aufschüttung und Ausbau einer neuen Insel am nordwestlichen Rand des Baraque-Canada-Riffs begonnen. Laut Anfang 2025 aufgenommen Luftaufnahmen soll sie mit einer Länge von 4.318 Meter inzwischen 2,3 Quadratkilometer groß sein. Diese neue Insel kann mit einer 3.000 Meter langen Landebahn versehen werden – ähnlich der von der Volksrepublik China gebauten auf dem Fiery-Cross-Riff. Nach jüngsten Luftaufnahmen im Mai/Juni 2025 und ihrer Auswertung durch South China Sea Strategic Situation Probing Initiative (SCSPI) hat die vietnamesische Regierung seit 2021 große Landgewinnungsmaßnahmen und den Ausbau von militärischen Einrichtungen auf zehn Riffen vorgenommen. Auf fünf der Aufschüttungen ist der Ausbau von Landebahnen von 2.000 bis 4.300 Meter Länge möglich.
Die Philippinen haben die längste Küste am Südchinesischen Meer. Von den Spratly-Inseln haben sie neun besetzt. Der größte Militärstützpunkt ist das 430 Kilometer von Palawan und lediglich 25 Kilometer vom chinesischen Militärstützpunkt Subi-Riff entfernte Thitu Island mit einem 1.300 Meter langen Flugplatz. Von dort sind drei weitere Inseln (Loaita Island 45 Kilometer südlich, Northeast Cay 45 Kilometer nördlich und Nanshan Island 170 Kilometer östlich) ebenfalls vom Militär besetzt. Das mit zwölf Marinesoldaten besetzte, an der Second Thomas Shoal auf Grund gesetzte Marine-Landungsboot Sierra Madre liegt auf etwa der Hälfte der Strecke 200 Kilometer westlich zwischen Palawan und Thitu Island.
Thitu Island (Pulo ng Pag-asa) mit philippinischem Militärstützpunkt im August 2024 © CC BY 4.0, via Wikimedia
Die Marine Malaysias hat 290 Kilometer vor der Küste des Bundesstaates Sabah auf Borneo seit 1983 eine Spratly-Insel im Swallow Riff besetzt. Sie wurde aufgeschüttet und 1992 bis 1995 mit einem kleinen Flugplatz für militärische und zivile Nutzung versehen. Die Landebahn wurde zuletzt 2003 auf 1.360 Meter verlängert und die 200 Meter breite Insel nun auf eine Länge von 1,5 Kiloneter vergrößert. Außer dem Marinestützpunkt mit Anlegeplatz für Kriegsschiffe gibt es seit 30 Jahren ein Hotel für Tauchgäste. Bis zu 130 Kilometer nördlich des Swallow Riffs hat die malaysische Marine 1986 zwei und 1999 zwei weitere Riffe zu kleinen Stützpunkten mit Hubschrauberlandeplatz und Schiffsanleger ausgebaut.
Die Volksrepublik China ist als Militärmacht im Südchinesischen Meer vorherrschend und weltweit die drittgrößte nach den USA und Russland. Massiv ausgebaut ist ihre Kriegsmarine mit drei Flugzeugträgern und einer modernen Flotte, die inzwischen nach Anzahl der Schiffe größer ist als die der USA. Dies sowie der Ausbau von Militäranlagen auf den Spratly-Inseln seit 2014 hat u.a. laut einer Studie von SIPRI von 2019 zu einer starken Aufrüstung der Staaten Südostasiens geführt. Als wesentliches Motiv der Regierung Chinas gilt die Wiedereingliederung Taiwans in die Volksrepublik China – wenn nötig mit militärischer Gewalt auch bei einer möglichen Intervention des US Militärs.
Die Analyse Southeast Asian Military Powers Ranked (2025) von Globalfirepower sieht Indonesien in der Rangliste an erster Stelle in Südostasien (15. weltweit), gefolgt von Vietnam (23.), Thailand (25.), Singapur (29.), den Philippinen (41.), Malaysia (42.) und Kambodscha (95.). Zum Vergleich: Deutschland belegt weltweit Rang 14. Weitere Daten für die Länder Südostasiens finden sich auf der Webseite von Globalfirepower.
USS Mustin nahe den Paracel-Inseln im Südchinesischen Meer 2020 © Eugene Kaspersky, CC BY-NC-SA 2.0
Die Militärmacht der Volksrepublik China ist weitaus stärker als die der Anrainerstaaten des Südchinesischen Meeres, auch wenn Vietnam massiv seine Militärstützpunkte auf den Spratly-Inseln ausbaut. Lediglich die seit dem 2. Weltkrieg dominierende Präsenz des US-Militärs im indo-pazifischen Raum schränkt die Kontrolle Chinas über das beanspruchte Gebiet im Südchinesischen Meer ein. Mit ihrem insgesamt 375.000 Personen starkem militärischen und zivilen Personal und Stützpunkten in Südkorea, Japan auf Okinawa, Guam, den Philippinen und im Indischen Ozean auf Diego Garcia sichern die USA ihre Interessen.
Wenngleich der wirtschaftliche Einfluss der Unternehmen und der politische der Regierung der USA mit dem Erstarken Chinas geschwächt ist, so gibt die US Militär Präsenz und ihre Frontstellung gegenüber China den Staaten am Südchinesischen Meer bisher einigen Handlungsspielraum. Sie müssen dazu nicht unbedingt militärische Bündnisse mit den USA eingehen, wie etwa die Philippinen.
Anders als vor 40 Jahren sind heute alle Anrainerstaaten des Südchinesischen Meeres vollständig in den kapitalistischen Weltmarkt eingebunden, einschließlich der sich als sozialistisch bezeichnenden Volksrepubliken Vietnam und China. Wirtschaftlich sind sie inzwischen stark miteinander verbunden und vom Handel und den Lieferketten mit China, mit den sogenannten westlichen Ländern sowie Japan und Südkorea abhängig. Mit dem wirtschaftlichen Erstarken eines von Chinas Regierung dirigierten Kapitalismus sieht diese die gesamte Region Südostasien als ihren Hinterhof und Einflussgebiet, mit dessen Ressourcen – insbesondere dem Erdöl und Erdgas im Südchinesischen Meer – sie einen Teil ihrer Energieversorgung sichern will. Auch die Fischbestände und möglicher Meeresbergbau spielen eine Rolle. Die Kontrolle über die Region ist für die chinesische Regierung von zentraler Bedeutung, nicht zuletzt auch zur militärischen Absicherung einer Eingliederung Taiwans in die Volksrepublik. Diese Entwicklung zeigt sich deutlich seit der Machtübernahme über die Kommunistische Partei Chinas durch Xi Jinping 2012, der mit seiner autokratischen Herrschaft das Land auf den Weg zur größten Wirtschaftsmacht der Welt bis 2049bringen will.
Haiyang Shiyou 981 ist eine chinesische Halbtauch-Ölplattform, die für Tiefsee-Probebohrungen eingesetzt wird. 2014 kam sie in der Nähe der Insel Zhougijan Dao, die zu den Paracel-Inseln gehört, zum Einsatz. © VOA, public domain, via Wikimedia
Allerdings stehen sich die Regierungen der übrigen Anrainerstaaten mit den wirtschaftlichen Interessen ihrer Unternehmen nicht nur in Konkurrenz zur Volksrepublik China, sondern auch untereinander. Besonders deutlich wird dies bei den Spratly-Inseln, wo Vietnam, die Philippinen und Malaysia mit den Besetzungen und dem Ausbau von Riffen zu Militärstützpunkten ihre Interessen an Öl und Erdgas absichern wollen – Vietnam allen voran. Auch wenn es bisher zu keinen militärischen Auseinandersetzungen wie zwischen China und Vietnam und nur kleineren Scharmützeln zwischen der Küstenwache Chinas mit der der Philippinen in letzter Zeit gekommen ist, zeigt sich deutlich: Trotz einer Jahrzehnte langen Zusammenarbeit im ASEAN Staatenverband werden die nationalen Interessen nicht zurück gestellt zu Gunsten eines gemeinsamen Vorgehens bei der Nutzung der Region um die Spratly-Inseln. Historisch gewachsene Vorbehalte und konkurrierende Interessen vor allem auch in Verbindung mit der dem Kapitalismus immanenten Konkurrenz machen eine Zusammenarbeit zum Wohle aller Beteiligten nur selten möglich.
Nicht zuletzt spielt die sich zu einer Konfrontation zuspitzende wirtschaftliche Konkurrenz zwischen China und den USA eine Rolle. Die einstige sozialistische Volksrepublik ist inzwischen zur weltweit zweitgrößten kapitalistischen Volkswirtschaft herangewachsen und macht der US-Regierung ihre weltbeherrschende Stellung streitig. Die Absicherung der Seewege im Südchinesischen Meer und die Demonstration der Bereitschaft zur Verteidigung der Unabhängigkeit Taiwans mittels Kriegsschiffen der US-Marine führt immer wieder zu Begegnungen mit solchen der Volksbefreiungsarmee Chinas. Die USA werden dabei mit der Anwesenheit von Kriegsschiffen aus Frankreich, Großbritannien und weiteren NATO-Ländern, einschließlich Deutschland, sowie Australien unterstützt. Hierbei können Missverständnisse zu konfrontativem Verhalten oder sogar zu militärischen Kampfhandlungen führen. Diese wiederum könnten zum Auslöser eines Krieges zwischen den USA und der Volksrepublik China werden, der nicht nur die Region Südostasien, sondern die ganze Welt in Mitleidenschaft ziehen würde. Es bleibt zu hoffen, dass die erratische Politik der Trump-Administration nicht dazu führt.
Dies ist Teil II des Artikels. Teil I ist hier zu finden.
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