Die Friedensstatue „Đồng Mai“ hat im Bonner Frauenmuseum einen würdigen und dauerhaften Platz gefunden. © Frauenmuseum Bonn alle Rechte vorbehalten
Die Friedensstatue „Đông Mai“ hat im Bonner Frauenmuseum einen würdigen und dauerhaften Platz gefunden. © Frauenmuseum Bonn alle Rechte vorbehalten
Südostasien: Vor 80 Jahren endete der zweite Weltkrieg. Die sexualisierte Gewalt japanischer Militärs ist bis heute kaum aufgearbeitet.
Vom 8. März bis 30. Juni 2025 war die Wanderausstellung „Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg“ erneut in Köln zu sehen. Knapp 16 Jahre nach dem Start bildete dies den Abschluss eines Langzeitprojekts von recherche international e.V. zur Erforschung der Folgen des Zweiten Weltkriegs für die Dritte Welt. Teile der Ausstellung sind in einer Online-Version weiterhin öffentlich zugänglich.
Die Ausstellung und das umfangreiche Begleitprogramm wurden mitgestaltet und getragen von einer Vielzahl von Organisationen, darunter die Stiftung Asienhaus und das philippinenbüro. Besonderer Raum wurde dabei den Leidenswegen der so genannten ‚Trostfrauen‘ gegeben.
Dieser euphemistische, durch japanische Beamte geprägte Begriff steht für etwa 200.000 Mädchen und Frauen aus China, Korea sowie von Japan besetzten südostasiatischen Ländern, die in Militärbordelle verschleppt und dort zwangsprostituiert wurden.
Bis heute gibt es seitens der japanischen Regierung keine offizielle Entschuldigung gegenüber den Frauen.
Im Fall der am 8. März 2025 enthüllten Gedenkstatue vor dem Kölner NS-Dokumentationszentrum zeigte sich erneut die Haltung der japanischen Regierung, wenn es um die Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit geht. Wie zuvor schon in Berlin, wurde Druck auf die örtlichen Behörden ausgeübt, die Friedensstatue – eine Kopie der ‚Trostfrauen‘-Skulptur des Künstlerehepaars Kim zum Gedenken an die 1000. Gedenkdemonstration vor der japanischen Botschaft in Seoul 2011 – nicht aufzustellen. Nach Protest der Veranstaltenden, wurde die Statue doch vor dem NS-Dokumentationszentrum aufgestellt und nicht, wie von der Stadt vorgesehen, hinter den Gemäuern der benachbarten Kirche St. Maria.
Die Enthüllung der Statue begleitete den Auftakt der Ausstellung von Porträts indonesischer ‚Trostfrauen‘ des Fotografen Jan Banning und der Journalistin Hilde Janssen. Die Frauen, die auf diesen Bildern zu sehen sind, kommen im Dokumentarfilm „Because we were beautiful“ zu Wort. Für viele von ihnen war es die letzte Gelegenheit, öffentlich zu sprechen. Denn inzwischen sind die meisten der Frauen verstorben.
Auch die südostasien hat in ihrer 40jährigen Publikationszeit immer wieder der Aufarbeitung der Vergangenheit und den Lebenswegen der „Trostfrauen“ Raum gegeben. „Die 80-jährige Frau, die mir gegenübersitzt, lächelt entschuldigend. Wir sitzen auf der Terrasse eines ruhigen Hotels, malerisch am Fuß eines Vulkans in Zentraljava gelegen. Ihre Augen zwinkern nervös. Mir scheint, sie würde sich am liebsten in Luft auflösen. Sie war ein junges Mädchen, gerade mal 13, als sie in den Baracken neben ihrem Dorf festgehalten und regelmäßig von japanischen Soldaten vergewaltigt wurde. Immer wieder versagen ihr die Worte. Was löse ich aus bei diesen Frauen, während ich in einer Vergangenheit wühle, die sie seit Jahrzehnten versuchen zu vergessen. Warum tue ich das?“
Mit diesen Sätzen, erschienen in Ausgabe 3/2011 „Das kann’s doch nicht gewesen sein! Geschichte und Vergangenheitsbewältigung in Südostasien“ reflektiert die Journalistin und Anthropologin Hilde Janssen ihre Begegnungen mit betroffenen Zeitzeuginnen aus Indonesien. Sie beschreibt, wie die damals zum Teil erst elf oder 13 Jahre alten Mädchen Opfer der sexuellen Versklavung durch japanische Militärs wurden. Diese Versklavung wurde als Politik deklariert, die „den Geist der Truppe [] stärken, Recht und Gesetz aufrecht [] erhalten und Vergewaltigungen und Geschlechtskrankheiten [] vermeide[n]“ sollte.
Vergewaltigungen vermeiden? Angesichts des Leids der „Trostfrauen“ eine äußerst makabre Argumentation. Mädchen wie Ronasih* (* alle Namen wurden von Janssen zum Schutz der Frauen verändert), deren traumatisierende Erfahrungen im obenstehenden Zitat geschildert werden, wurden durch japanische Militärs entführt oder sie folgten dem falschen Versprechen eines Arbeitsplatzes. Letztendlich landeten sie alle in einem Apparat systematischer Vergewaltigung.
Die 1927 geborene Iteng* berichtete im Gespräch mit Janssen, wie Sie im Alter von 15 Jahren von Soldaten verschleppt und in ein Bordell nach Sukabumi verschleppt wurde. Selbst nach schwerer Krankheit musste Sie einem Offizier, der sie „zur Heilung“ mit zu sich nach Hause genommen hatte, bis zum Kriegsende „dienen“. Danach kehrte sie nicht mehr in Ihr Dorf zurück. Denn es waren nicht etwa die Täter, die sich schämten, sondern die Opfer.
Enthüllung der Friedensstatue „Đông Mai“ im März 2025 vor dem NS-Dokumentationszentrum in Köln. © Monika Schlicher
Viele ehemalige ‚Trostfrauen‘ wurden anschließend auch von ihrem sozialen Umfeld stigmatisiert. Als Reaktion darauf verschwiegen viele Frauen, was ihnen angetan worden war.
Geschwiegen wurde auch von den Tätern, auf individueller und auf staatlicher Ebene. Zwar wurden durch die nach Indonesien zurückgekehrte niederländische Kolonialregierung etlichen japanischen Militärs vor dem Netherlands Temporary Court-Martial wegen der Zwangsprostitution von europäischen Frauen der Prozess gemacht. Allen nicht europäischen Betroffenen wurde jedoch keine Beachtung geschenkt.
Auch während der Reparationsverhandlungen zwischen den Nachfolgerstaaten der Leidtragenden (in den zuvor von Japan besetzten Gebieten) und der neuen japanischen Regierung in den Jahrzehnten danach, sei das Thema der ‚Trostfrauen‘ kein einziges Mal behandelt worden, kritisiert Janssen in ihrem Artikel.
Eine der Ursachen für das staatliche Schweigen dürfte sein, so Karl Rössel in einem ebenfalls in südostasien 3/2011 erschienenen Artikel, dass in vielen der ehemals durch Japan besetzten Ländern in der Nachkriegszeit Kollaborateure politische Karriere machten.
Auch wurde infolge Japans wirtschaftlichem Aufschwung in vielen südostasiatischen Ländern auf eine Normalisierung der politischen Beziehungen hingearbeitet und Kritik unterdrückt.
Erst als 1991 die Koreanerin Kim Hak-sun in einer Fernsehsendung das Schweigen brach, wurde das Thema erstmals wieder wirklich öffentlich thematisiert. Im Kampf um ein offizielles Schuldeingeständnis, sowie einer Wiedergutmachung seitens Japans, blieb den Frauen lange (teilweise bis heute) die Unterstützung der eigenen Regierungen aus.
Im Fall der indonesischen Regierung schloss 1996 die damalige Ministerin für Soziales, Inten Soeweno, mit dem im Vorjahr eingerichteten Asia Women Fonds (AWF) einen Vertrag, der anstelle von Zahlungen an die ehemaligen ‚Trostfrauen‘, einen Betrag von 380 Millionen Yen (rund fünf Millionen DM) an die Regierung beinhaltet. Der AWF ist ein von der japanischen Regierung eingerichteter Fonds, in welchen neben einer Summe von 4,8 Milliarden Yen (rund 65 Millionen DM) seitens der Regierung auch von nichtstaatlicher Seite eingezahlt wurde. Der Fonds war zunächst nur für Opfer aus Südkorea, Taiwan, den Philippinen und den Niederlanden gedacht. Während mit der damaligen chinesischen Regierung keine passende Vereinbarung getroffen werden konnte, wurde in Indonesien Protest durch Aktivist:innen laut, welche seitens der indonesischen Regierung zu eben jener Reaktion führte.
Mit einer Miniatur der Friedensstatue wurde auch auf dem diesjährigen Asientag an den Leidensweg der ‚Trostfrauen‘ erinnert. © Stiftung Asienhaus/Fabian Thiel, alle Rechte vorbehalten
Der AWF stand seitens der Betroffenen und Unterstützerorganisationen stark unter Kritik. Diese bestand etwa aus den Vorwürfen, dass der Fonds keine offizielle Entschuldigung seitens der japanischen Regierung darstelle. Der AWF wurde schließlich am 31. Juli 2007 endgültig aufgelöst, ohne dass ernsthafte Bemühungen von offizieller Seite um eine aufrichtige Entschuldigung und Aufarbeitung stattfanden. Im Gegenteil: mit der Regierung unter Shinzo Abe wurden japanische Kriegsverbrechen, wie die sexuelle Versklavung, relativiert.
2014 wurde von einer der größten japanischen Zeitungen, Yomiuri Shinbun, eine Entschuldigung veröffentlicht, in der versprochen wurde, in der englischsprachigen Ausgabe den Begriff „Sexsklavinnen“ nicht mehr zu verwenden. Die Argumentation dahinter war, dass der Begriff irreführend sei und impliziere, dass die Frauen gegen ihren Willen in den Militär-Bordellen gearbeitet hätten; eine Tatsache die von der Yomiuri Shinbun Zeitung gleichlautend mit der Abe-Regierung als „nicht nachgewiesen“ abgetan wurde.
Im darauffolgenden Jahr einigten sich die japanische und die südkoreanische Regierung, vertreten durch die Außenminister Fumio Kishida und Yun Byung Se, auf ein Abkommen bezüglich der ‚Trostfrauen‘, welches einen Schlussstrich unter die Thematik setzen sollte. Dies war ein weiterer Rückschlag für die politische und gesellschaftliche Aufarbeitung. Vor allem wurde den überlebenden eine letzte Möglichkeit genommen, zu Lebzeiten eine angemessene Entschuldigung, sowie eine aufrichtige Anerkennung ihres Leids zu erfahren.
Bei den Regierungen Japans und der südostasiatischen Länder hat sich bis heute kaum etwas bewegt. Einzig in Südkorea konnten betroffene Frauen oder ihre Kinder erfolgreich vor Gericht klagen.
80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges bleibt es wichtig, die Erinnerung an die Leidenswege der ‚Trostfrauen‘ wachzuhalten. Die meisten der Frauen sind inzwischen verstorben und können nicht mehr selbst als Augenzeug:innen berichten. Umso wichtiger ist es, so wie es in Deutschland die AG Trostfrauen des Korea Verbands tut, mit Statuen, Ausstellungen, Filmen, Artikeln und weiterer Informations- und Bildungsarbeit gegen sexualisierte Gewalt und für die Anerkennung des Leids der Opfer zu kämpfen.
Mit einer 24-stündigen Mahnwache wurde vom 30. Oktober bis zum 1. November 2024 in Berlin-Moabit gegen die zuvor vom Bezirksamt angeordnete Entfernung der Friedensstatue „Ari“ demonstriert. © Koreaverband/Miyeon Choi
Auch hierzulande, trotz der so oft gerühmten ‚deutschen Erinnerungskultur‘, wird die Arbeit dieser Verbände seitens des Staates kaum unterstützt; ganz im Gegenteil: Zu Beginn des Jahres musste der Korea Verband den weiteren Verbleib der Gedenkstatue „Ari“ gegen die Bezirksverwaltung Berlin-Mitte vor Gericht erkämpfen. Zwar entschied das Verwaltungsgericht Berlin, dass die Statue bis zum 28. September nicht entfernt werden darf. Für die Zeit danach besteht jedoch keine Sicherheit.
Die bis Ende Juni vor dem Kölner NS-Dokumentationszentrum aufgestellte Statue „Đông Mai“ hat inzwischen einen dauerhaften Platz gefunden. Der vietnamesische Name Đông Mai steht für die widerstandsfähige Pflaumenblüte (Mai) und die Beständigkeit von Bronze (Đông). „Diese Verbindung steht für die unerschütterliche Stärke und das Durchhaltevermögen der Betroffenen, an die die Friedensstatue erinnert“, so der Korea-Verband.
Die Statue ist nun Teil der Dauerausstellung des Bonner Frauenmuseums. Das 1981 gegründete Museum – das erste seiner Art weltweit – macht Frauen und ihre Geschichten in Kunst, Geschichte und Gesellschaft sichtbar. Mit der Aufstellung im Innenhof des Frauenmuseums werde „Đông Mai“ Teil eines Ortes, der sich seit Jahrzehnten mit Widerstand, Gerechtigkeit und Aufarbeitung befasse, so der Korea Verband. Mit seinem Fokus auf feministische Perspektiven und kritische Erinnerungskultur böte das Museum der Friedensstatue einen besonders passenden Rahmen.
Eine südostasien-Sonderausgabe zur Frankfurter Buchmesse 2025 "Fantasie beseelt die Luft" – mit diesem Zitat aus…
Südostasien/Deutschland – Leser:innen, Autor:innen und Redakteur:innen der südostasien würdigen ihre ganz persönliche Lieblingsausgabe
Südostasien/Deutschland – Grussworte zum 40jährigen Jubiläum der südostasien – und Impressionen unserer Feier am 5.…
Indonesien/Südostasien/Deutschland – Das Indonesien-Programm der Deutschen Welle würdigt 40 Jahre südostasien. Wir haben den Beitrag…
Asien/Weltweit: – Das Südchinesische Meer ist ein Zentrum der geopolitischen Auseinandersetzung zwischen den Regierungen der…
Singapur/Malaysia – Einstige kommunistische Kämpferinnen erzählen von ihrem Widerstand und ihren späteren Perspektiven.