2 | 2021

Mekong – Wassersicherheit in Gefahr

Mekong

Das Mekong-Delta umfasst 29.285 km² in Kambodscha und 35.200 km² in Vietnam. © Jean-Marc Astesana, Flickr CC BY-SA 2.0

Kambodscha: Der Mekong ist eine Lebensader. Der ungleiche Zugang zu sauberem Wasser wurde während der COVID-19 Pandemie erneut deutlich. Ein Interview mit der Wissenschaftlerin Chanvoitey Horn zum Thema Wasser(un)sicherheit.

Unsere Interviewpartnerin:
Mekong – Wassersicherheit in Gefahr

Chanvoitey Horn © privat

Chanvoitey Horn ist Empfängerin des Civil Society Leadership Award, um ihr Masterstudium in Defense, Development, and Diplomacy an der Durham University in Großbritannien zu absolvieren. Sie hat einen BA (mit Auszeichnung) in Internationale Beziehungen von der Royal University of Phnom Penh. Voitey gewann 2018 den zweiten Platz im Forschungswettbewerb des Instituts für Fremdsprachen der Royal University of Phnom Penh und des Cambodia Development Institute.

Ihr Forschungsschwerpunkt ist Wassersicherheit in Kambodscha. Sie veröffentlichte unter anderem Artikel in der Asia Times, Southeast Asia Globe und Global-is-Asian.

Chanvoitey Horns Blog

Wie steht es derzeit um Wassersicherheit im Mekong-Delta?

Das Mekong-Delta ist durch den Klimawandel, den Betrieb von Staudämmen in den flussaufwärts gelegenen Ländern und durch den vietnamesischen Staudamm im 3S-Becken (Sesan-, Sre Pok- und Sekong-Fluss) gefährdet. In Kambodscha gibt es kein richtiges Wasserkontrollsystem, so dass die Ableitung großer Wassermengen aus den flussaufwärts gelegenen Staudämmen in Kambodscha zu schweren Überschwemmungen führen kann.

Dürre kommt immer wieder vor. In der Provinz Takeo (an der Grenze zu Vietnam) sind jedes Jahr ca. 54.000 ha Reisanbaufläche betroffen, da in Vietnam Wassertore geöffnet werden, die mehr Wasser flussabwärts führen. So kommt es in Kambodscha zu Wasserknappheit für die Landwirtschaft. Das Ackerland ist auch vom Eindringen von Salzwasser betroffen. Wenn der Wasserstand im Bassac-Fluss [der größte Mündungsarm des Mekong, Anm. d. Red.] niedrig ist, fließt das aufsteigende Meerwasser zurück.

Welche Rolle spielt der Mekong im Alltag der Menschen in Kambodscha?

Der Mekong ist für alle Facetten der kambodschanischen Gesellschaft lebenswichtig. In Phnom Penh fließen der Mekong, der Bassac und der Tonle Sap zusammen.

Mekong-Delta

Der Mekong entspringt auf dem tibetischen Plateau und durchquert China, Myanmar, Laos, Thailand, Kambodscha und Vietnam, bevor er in den Pazifischen Ozean mündet. (Zum Vergrößern Klicken) © Shannon1, Wikimedia CC BY-SA 4.0

Der Mekong dient als Binnenschifffahrtsweg, über den internationale Transporte von und zur Hauptstadt abgewickelt werden. Außerdem verdienen einige Menschen ihren Lebensunterhalt durch Flusstourismus, bei dem Kreuzfahrten auf dem Mekong Fluss verkehren und durch die Fischereigemeinden führen. Zudem gibt es Fischereidörfer entlang des Flussufers, die auf Geheiß der Stadtverwaltung von Phnom Penh umgesiedelt werden. Bis Juni 2021 wurden rund 1.600 von 1.700 schwimmenden Häusern und anderen Strukturen entlang und auf dem Fluss abgerissen.

Gibt es Unterschiede zwischen städtischen und ländlichen Gebieten?

Während der Regenzeit kann der steigende Wasserstand zu Überschwemmungen in der Stadt führen. In den Provinzen bringt der Mekong fruchtbaren Schlamm für die Felder und den Wildfischfang. Die Landbevölkerung ist stark vom Fluss abhängig, um Nahrung, Trinkwasser und ihren Lebensunterhalt zu sichern. Viele erwirtschaften ihr Einkommen durch Wildfischfang oder Aquakultur. Ebenso trägt der Fluss zu 84 Prozent zur kambodschanischen Reisproduktion bei.

Warum ist die Wassersicherheit in Kambodscha gefährdet?

Der Klimawandel verstärkt die Schwere von extremen Wetterereignissen wie Dürre und Sturzfluten. Es gibt Studien, die die Auswirkungen des Klimawandels modellieren, von der Mekong River Commission [eine zwischenstaatliche Organisation, die mit den Regierungen von Kambodscha, Laos, Thailand und Vietnam zusammenarbeitet, um die gemeinsamen Wasserressourcen und die nachhaltige Entwicklung des Mekong gemeinsam zu verwalten, Anm.d.Red.] und anderen unabhängigen Forschenden. Eines ist klar: Die Kosten türmen sich auf.

Zu den menschlichen Aktivitäten gehören unter anderem der Bau von Staudämmen, Sandabbau oder die Abholzung von Wäldern. Staudämme für Wasserkraftwerke führen zu Wasserknappheit und beeinträchtigen die Wasserqualität. Die Dürre 2019, die große Teile der von Armut betroffenen Provinzen Kambodschas austrocknete, war eine Folge des Klimawandels und der Staudammentwicklung. Der unkontrollierte Sandabbau aus Flussbetten beeinträchtigt die Grundwasserspeicherung. Die Abholzung von Wäldern kann Abflüsse erhöhen und gleichzeitig die Grundwasserneubildung verringern.

Laos, Kambodscha, Thailand und Vietnam haben bereits Staudämme zur Stromerzeugung entlang des Mekong gebaut und planen weitere. Welchen Einfluss haben diese Infrastrukturprojekte auf die Wassersicherheit in Kambodscha?

Überschwemmung und Dürre sind Formen von Wasserunsicherheit. Der Staudammbau würde den jährlichen Überschwemmungszyklus des Tonle Sap Sees verändern, überschwemmten Wald als Lebensraum für Fische verkleinern und die Vegetation im See verringern.

“Der derzeitige Ausbau der Wasserkraft wird die Intensität der Dürre, die Verringerung des Sedimentflusses und die Veränderung der Fischwanderung verstärken.“Chanvoitey Horn

Der Überschwemmungszyklus ist zunehmend unregelmäßig geworden, was sich auf landwirtschaftliche Produktion und Fischerei und damit auf die Lebensgrundlage der Menschen auswirkt. Dieses macht Bäuer*innen und Fischer*innen zu schaffen. So waren bei der Sturzflut 2020 in Kambodscha über 200.000 Menschen betroffen. Häuser und landwirtschaftliche Felder wurden zerstört.

Mekong

Der Xiaowan Staudam am Lancang Fluss, dem chinesischen Ursprungsteil des Mekong, ist die zweitgrößte Talsperre der Welt.  © Guillaume Lacombe (Cirad) Flickr CC BY-NC 2.0

Auch Dammbrüche sind ein Problem. Einige Dammkonstruktionen sind nicht ausreichend standardisiert. Der Dammbruch 2018 in Laos war eine Katastrophe für Laos und Kambodscha. Tausende von Kambodschaner*innen wurden damals vertrieben. Außerdem stellte die laotische Regierung 2019 fest, dass zehn kleinere Dämme, die gebaut wurden, nicht dem gängigen Standard entsprechen.

Die Kosten für die Zukunft sind beängstigend. Der derzeitige Ausbau der Wasserkraft wird die Intensität der Dürre, die Verringerung des Sedimentflusses und die Veränderung der Fischwanderung verstärken.

Wie führen die regelmäßig auftretenden Überschwemmungen zu wirtschaftlichen Einbußen, Sachschäden, Krankheiten und Armut?

Überschwemmungen in Städten führen zu direkten und indirekten finanziellen Verlusten, indem sie Eigentum, Unternehmen und die öffentliche Infrastruktur beschädigen und die Produktivität verringern.

Die städtische arme Bevölkerung, die in informellen Siedlungen lebt, steht aufgrund von niedriger Wohnqualität, unsicheren Grundbesitzverhältnissen und schlecht bezahlten Jobs vor enormen Herausforderungen. Städtische Überschwemmungen verschmutzen das Wasser vor allem in Slums. Das mit Bakterien verseuchte Flutwasser kann bis zu acht Monate im Jahr stehen bleiben. Das kann die Zunahme von Dengue-Fieber, Hautkrankheiten und vielen anderen Krankheiten verursachen. Die Menschen müssen Arztbesuche aus eigener Tasche bezahlen, was sie wiederum in die Armut treibt.

Die Überschwemmungen in der Stadt im vergangenen Jahr haben gezeigt, wie destabilisierend diese Ereignisse auch für die Mittelschicht sein können. Wenn die Urbanisierung in überschwemmungsgefährdeten Gebieten fortschreitet oder sogar zunimmt, werden die Menschen neuen Risiken ausgesetzt. Die Bevölkerung wird in Zukunft einen hohen Preis für Überschwemmungen zahlen.

Mekong – Wassersicherheit in Gefahr

Verkäufer*innen am einem Fischstand in Thura Thien-Hue, Vietnam © Jean-Marc Astesana, Flickr CC BY-SA 2.0

Welche Rolle spielt Covid-19 beim Zugang zu Wasser?

Als der Impfstoff noch nicht verfügbar war, bestand die wichtigste Maßnahme gegen Covid-19 darin, sich häufig die Hände mit sauberem Wasser zu waschen. Die arme Stadtbevölkerung, die in Bezirken 20 km vom Stadtkern Phnom Penhs entfernt lebt, hat keinen Zugang zu sauberem Wasser. Auch 77 Prozent der Bevölkerung in den ländlichen Gebieten Kambodschas haben keinen Zugang zu sauberem Wasser. Desinfektionsmittel sind unerschwinglich.

COVID-19 legt also die tiefsitzende Ungleichheit im Zugang zu Wasser in Kambodscha offen. Diejenigen, die im Zentrum von Phnom Penh leben, haben privilegierte Zugänge zu sauberem Wasser und Desinfektionsmitteln, während diese für die Armen in der Stadt und auf dem Land fast unerreichbar sind.

Warum ist Wasser-Governance wichtig für den Mekong?

Mekong

Fischer*innen auf dem Mekong in Kambodscha © ILO Asia Pacific, Flickr CC BY-NC-ND 2.0

Wasser-Governance ist aus vielen Gründen wichtig. Erstens verbessert es den Informationsaustausch zwischen den Anrainerstaaten. Zweitens könnten die Länder eine gemeinsame Planung, Bewirtschaftung oder Investition als Ausgangspunkt haben, um die Vorteile von nachhaltiger Entwicklung zu teilen. Drittens fördert es Gerechtigkeit und Effizienz der Wasserverteilung zwischen Ländern. Der Weg zu einem robusten Wasser-Governance-System und Mechanismen zur Beilegung von Streitigkeiten sind eine riesige Herausforderung.

Eine gute Nachricht ist, dass die Mekong River Commission kürzlich eine neue 10-Jahres-Entwicklungsstrategie und einen 5-Jahres-Strategieplan veröffentlicht hat, um einige Herausforderungen anzugehen und den Zustand des Flussbeckens zu verbessern.

Wie wird China im Mekong-Delta wahrgenommen?

Es gibt unterschiedliche Ansichten darüber, welche Rolle China im Mekong spielt. Kritiker*innen Chinas argumentieren, dass die Hilfe und Unterstützung der Lancang-Mekong-Kooperation [ein 2016 gegründetes multilaterales Forum für die Zusammenarbeit zwischen den Anrainerstaaten des Lancang/Mekong. Lancang heißt der chinesische Teil des Mekong; Anm. d. Red.] ein außenpolitisches Instrument ist. China hat die Macht, den Wasserhahn auf- oder zuzudrehen, wodurch die flussabwärts gelegenen Länder gezwungen werden könnten, Pekings Außenpolitik zu folgen. Die gesamte Speicherkapazität von Chinas Megastaudämmen beträgt 47 Milliarden Kubikmeter, was etwa 10 Prozent des gesamten jährlichen Durchflussvolumens des Mekong ausmacht; in der Trockenzeit stammen jedoch etwa 40 Prozent des Wassers im Mekong aus Chinas Abfluss.

“China hat wenig Interesse, verbindliche Regeln zu entwickeln. Andere Anrainerstaaten haben das auch nicht. Alle Staaten bauen ihre eigenen Wasserkraftdämme.“Chanvoitey Horn

Es gibt andere Standpunkte, die argumentieren, dass China bereit ist, sich mit anderen Anrainerstaaten auseinanderzusetzen. Dies erleichtere die Zusammenarbeit und die Diskussion zum Management der Wasserressourcen und nachhaltiger Entwicklung. China hat wenig Interesse, verbindliche Regeln zu entwickeln. Andere Anrainerstaaten haben das auch nicht. Alle Staaten bauen ihre eigenen Wasserkraftdämme. Mindestens 42 Staudämme im 3S-Einzugsgebiet werden aktuell mit wenig regionaler Koordination gebaut.

Ich persönliche denke, dass mehr Engagement von China ein gutes Zeichen ist. Die Länder könnten sich mehr in die Diskussionen einbringen. Es gibt Projekte, an denen sie gemeinsam arbeiten könnten. Um eine nachhaltige Zukunft für den Mekong aufzubauen, sollte kein Land außen vor gelassen werden.

Interview und Übersetzung aus dem Englischen von: Anna Grimminger

DOWNLOAD (PDF)

Zum Weiterlesen:

 
Südostasien Frauen Wasser

Wenn den Frauen das Wasser ausgeht…

Südostasien/Kambodscha – Insbesondere auf dem Land stellt Wasserversorgung für viele Menschen eine tägliche Herausforderung dar. Aufgrund von gesellschaftlichen Rollenbildern und Pflichten betrifft dies Frauen am meisten.

Versinkendes Mekongdelta

Versinkendes Mekongdelta

Vietnam – Reiseprospekte über das Mekongdelta schwärmen von saftig grünen Reisfeldern, Bäuerinnen mit runden Spitzhüten, Mangrovenwäldern und schwimmenden Märkten. Die Idylle trügt. Denn der steigende Meeresspiegel frisst Meter um Meter Land dieser fruchtbaren Landschaft.

Rezension Laos Staudamm Modellprojekt

Riesendesaster statt Modellprojekt

Laos – In den Augen der Weltbank ist der von ihr mitfinanzierte Staudammprojekt Nam Theun 2 (NT2) im Süden von Laos ein nachahmenswertes Modellprojekt. Das Buch „Dead in the water: Global Lessons from the World Bank’s Model Hydropower Project in Laos“ widerlegt den Mythos der vermeintlichen Erfolgsgeschichte.

Myanmar Klimawandel Naturkatastrophen

Wo Klimawandel am stärksten wirkt

Myanmar – Naturkatastrophen der letzten zwei Jahrzehnte zeigen die Sensibilität des Landes für die Folgen des Klimawandels. Die Regierung will den Weg zu einer klimaresistenten und kohlenstoffarmen Gesellschaft ebnen, setzt jedoch weiterhin auf Kohle zur Energieversorgung.

Plastikmüll ist in den Straßen der ärmeren Gegenden der Hauptstadt Phnom Penh ein ständiger Begleiter der Menschen © STT

Abfallwirtschaft in Phnom Penh: Nicht bei allen hält die Müllabfuhr

Kambodscha – Während in manchen der Hauptstadt täglich der Haushaltsmüll abgeholt wird, wird die Entsorgung in anderen völlig vernachlässigt, so der Bericht ‚Urban Governance: Waste Management in Phnom Penh‘ der NGO Sahmakum Teang Tnaut (STT). Die Organisation arbeitet zu städtischer Armut und zeigt durch ihre Recherchen urbane Ungleichheiten, insbesondere im Bereich Wohnrechte und Infrastruktur, auf.

  • Artikel
Die Autorin

Anna Grimminger studiert an der Universität Duisburg-Essen Internationale Beziehungen und Entwicklungspolitik. Zuvor hat sie an Universität Bonn ihr Bachelorstudium in Politik- und Südostasienwissenschaft mit Fokus Indonesien abgeschlossen. Sie ist Vorstandsmitglied der Stiftung Asienhaus.

Anna Grimminger

Anna Grimminger studiert an der Universität Duisburg-Essen Internationale Beziehungen und Entwicklungspolitik. Zuvor hat sie an Universität Bonn ihr Bachelorstudium in Politik- und Südostasienwissenschaft mit Fokus Indonesien abgeschlossen. Sie ist Vorstandsmitglied der Stiftung Asienhaus.

Recent Posts

Koloniales Erbe im Klassenzimmer

Philippinen – Das Bildungssystem prägt die soziale Struktur, die nationale Identität und das Verhältnis zu…

2 Wochen ago

Vom Kolonialismus zur Klimakrise

Indonesien – In "Der Fluch der Muskatnuss" macht Amitav Ghosh eindrücklich die Verbindung von kolonialer…

3 Wochen ago

Die Umdeutung kolonialer Fotografie

Südostasien/Indonesien – Mithilfe digitaler Medien stellen Künstler*innen Nutzung, Wahrheitswert und Macht kolonialer Fotoarchive infrage.

3 Wochen ago

Bahnschienen als Metapher für Kontrolle

Myanmar – Das koloniale Burma bestand im Wesentlichen aus einem großen Eisenbahnnetz mit militärischen Hochburgen.…

4 Wochen ago

Handelsinteressen versus Nachhaltigkeit

Indonesien – Die Strukturen kolonialer Handelsmonopole wirken bis heute nach: Plantagen und Bergbau bringen mächtigen…

1 Monat ago

Klimakolonialität: Das Beispiel Haiyan

Philippinen – Unter dem Klimawandel leiden die Menschen am meisten, die ihn am wenigsten verursachen.…

2 Monaten ago