1 | 2022

“Ich möchte wie ein Mensch in meinem Land leben”

“Wir alle sind wie das traditionelle burmesische Spielzeug namens Pyit Tine Htaung. Wenn ein Kopf abgeschossen wird, erheben sich an seiner Stelle zwei neue Köpfe”, sagt die Künstlerin Ku Kue.

Burma/Myanmar: Die Werke der Graffiti-Künstlerin und Grafikdesignerin Ku Kue werden im Widerstand gegen das Militärregime landesweit eingesetzt. Einige ihrer Poster stellt sie hier vor und berichtet uns von ihrer Motivation und ihren Erfahrungen während der Proteste.

Ku Kue über sich selbst: “Ich wurde 1988 in Yangon, Myanmar geboren und arbeite seit 2007 als Graffiti-Künstlerin und Grafikdesignerin. Seitdem schmücke ich Straßen, Geschäfte und Galerien mit meiner Kunst. Ich bin in einem von der Militärdiktatur entworfenen Bildungssystem aufgewachsen. Daher fiel es mir schwer, davon zu träumen, was ich einmal werden wollte oder sein könnte. Erst im Alter von 30 Jahren kam ich erstmals in den Genuss des Lebens in einer Demokratie; aber dieser Zustand hielt nicht sehr lange an. Ich muss immer noch kämpfen, weil ich wie ein Mensch in meinem eigenen Land leben möchte. Deshalb werde ich mein Bestes geben, um diese Revolution zum Erfolg zu führen.”

Ku Kue, Myanmar, Protest, Kunst
Ihr habt euch mit der falschen Generation angelegt: Es gibt nur zwei Arten von Menschen in dieser Revolution: Die Schweigenden und die, die diesen Putsch nicht tolerieren können. Diese Bilder sind eine Hommage an all jene Menschen: die die Militärdiktator nicht ausstehen können; die sich der Militärdiktatur widersetzen; die an dieser Revolution beteiligt sind und sich gegen die Militärdiktatur stellen.
Ku Kue, Myanmar, Protest, Kunst
Geht nicht zur Arbeit: Dieses Bild ehrt jene Arbeiter*innen, die nicht unter einem Militärregime arbeiten wollen. Die Hand auf dem Bild gehört zu einer echten Person. Ich habe sie gezeichnet, nachdem ich ein Foto gesehen hatte, bei dem die Hand und das Heldentum eines Arbeiters, der an der CDM (Civil Disobedience Movement) teilnahm, im Mittelpunkt standen.
Ku Kue, Myanmar, Protest, Kunst
Unser Htamein, unsere Flagge, unser Sieg: Die vom Staatsverwaltungsrat (SAC) angeführten Streitkräfte sind extrem frauenfeindlich. Sie denken, Männer seien besser als Frauen, und eine Frau zu sein, sei erniedrigend. Sie näherten sich einen Tag lang nicht den Protesten, weil wir htamein (Frauen-Longyis) über den Straßen aufgehängt hatten. Sie glauben, dass ein Mann an hpoun (Macht) verliert, wenn er mit der 'unreinen' Kleidung einer Frau in Berührung kommt. Später rissen sie die Kleider herunter und brachten den Protest zum Erliegen, indem sie auf Menschen schossen. Ich habe dieses Bild im Gedenken an jene Tage gemalt.
Ku Kue, Myanmar, Protest, Kunst
Bleibt zu Hause und schlagt auf Töpfe, anstatt zu arbeiten: Dieses Bild soll Regierungsangestellte dazu motivieren, jegliche Form der Unterstützung der Militärdiktatur zu unterlassen und sich dem Protest anzuschließen.
Ku Kue, Myanmar, Protest, Kunst
Wir schenken Blumen. Gebt es unseren Führer*innen zurück: Zu Beginn des Protests forderten wir Polizist*innen und Soldat*innen des Militärregimes auf, sich der Bewegung für zivilen Ungehorsam anzuschließen.
Ku Kue, Myanmar, Protest, Kunst
"Karen-Soda hat den besten Geschmack": Diese Zeichnung entstand zu Ehren der Karen-Armee (KNLA) während der Kämpfe zwischen dem Militär und der Karen-Armee in Laykay Kaw. Es ist ein weiteres Wortspiel, weil Soda auf Burmesisch genauso ausgesprochen wird wie "schlagen". Es bedeutet also, dass es gut ist, von Karen geschlagen zu werden.
Ku Kue, Myanmar, Protest, Kunst
Dalan (Informant*innen)-Spiel: Familienmitglieder von SAC-Mitgliedern tarnen sich als Zivilist*innen und verursachen Ärger. Menschen wurden festgenommen, getötet und angezündet. Die Polizist*innen und Soldat*innen behandeln ihre eigenen Leute wie ihre Feinde und drohen, sie zu verhaften und zu töten. Wegen der Morde mussten wir unsere Nachbarschaft bewachen. Die Armee von Myanmar hat sich in den letzten 30 Jahren, in denen ich lebe, nie darum gekümmert, die Bevölkerung zu schützen. SAC-Führer*innen führen nur Geschäfte, in denen ihre Familien erfolgreich sind: Sie haben Ressourcen ausgebeutet, Drogen verkauft und sich an anderen illegalen Aktivitäten zum Schaden der Bevölkerung beteiligt. Deshalb habe ich dieses Bild gemalt, um die Menschen daran zu erinnern, nicht mit dem Militärregime zu kooperieren. Das erste Bild ist ein weiteres Wortspiel mit Schlägen und Biryani, das verspricht, dem Dalan einen Teller Biryani zu servieren. Das zweite ruft zum Boykott von Unternehmen in Militärbesitz auf, hier symbolisiert durch das Vorzeigeprodukt Myanmar Beer, das in einen Molotow-Cocktail verwandelt wurde: "So reißt man ihnen die Wurzeln aus." Das dritte erinnert an ein anderes burmesisches Sprichwort: "Iss viel Fisch für dein Gehirn." Die Revolutionär*innen müssen schlau werden, um das Regime herausfordern zu können.
Ku Kue, Myanmar, Protest, Kunst
Zündet Kerzen für Thadingyut/Tha Dict Kyoot Us an: Es ist ein Wortspiel mit dem Namen des Thadingyut-Festivals. Kyoot bedeutet im myanmarischen Slang “Angst”. Der Diktator hat “kyoot” (Angst) vor uns. Obwohl es Thadingyut-Saison (November) war, kämpften die Menschen weiter gegen die Militärdiktatur, anstatt Spaß zu haben und Kerzen in den Städten anzuzünden. Statt Feuerwerk hörten wir Explosionen. Zu dieser Zeit versteckten sich Armee und Militärjunta in den Bunkern.
Ku Kue, Myanmar, Protest, Kunst
Pone Kan New (Revolutionär*in): Dieses Bild ist für meine Schwestern, die früher unbeschwert durch die Stadt liefen. Jetzt tragen sie Waffen und erlernen militärische Fähigkeiten im Dschungel.
Ku Kue, Myanmar, Protest, Kunst
Der Buddha sagte: "Shut up MAL (Min Aung Hlaing)": Den meisten Militärführer*innen, die für den Putsch verantwortlich sind, sind andere Religionen oder Kulturen egal. Sie tun so, als wäre der Buddhismus die einzige Religion des Landes, das einzig Heilige. Sie folgten jedoch nie irgendwelchen Lehren des Buddha und vollbrachten nie in ihrem Leben gute Taten. Ihre Handlungen stehen in direktem Widerspruch zu dem, was Buddha lehrte. Also werden sie vom Buddha geschlagen. (MAL = Nationalität, Sasana (Praxis im Buddhismus), Entwicklung, Buddha: "Halt die Klappe!")

Übersetzung aus dem Englischen von: Tanja Gref

Alle Bilder copyright: Ku Kue

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Autorin

Ku Kue wurde 1988 in Yangon geboren und arbeitet seit 2007 als Graffiti-Künstlerin und Grafikdesignerin

  • Ku Kue, Myanmar, Protset, Kunst
    “Ich möchte wie ein Mensch in meinem Land leben”

    Burma/Myanmar – Die Werke der Graffiti-Künstlerin und Grafikdesignerin Ku Kue werden im Widerstand gegen das Militärregime landesweit eingesetzt. Einige ihrer Poster stellt sie hier vor und berichtet uns von ihrer Motivation und ihren Erfahrungen während der Proteste.

Ku Kue

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Ku Kue

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