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#HoldTheLine – Diktatoren die Stirn bieten

Die Journalistin und Menschenrechtlerin Maria Ressa bei der Verleihung des Friedensnobelpreises 2021. © Emmalyn Liwag Kotte, alle Rechte vorbehalten

Philippinen: In ihrem Buch „How to Stand Up to a Dictator“ verbindet Maria Ressa den Kampf gegen die autokratische Regierung von Ex-Präsident Rodrigo Duterte mit investigativem Journalismus. Sie analysiert tiefgreifend, wie Demokratie bedroht wird.

Für ihren Einsatz für Pressefreiheit und Demokratie erhielt die philippinische Journalistin Maria Ressa 2021 gemeinsam mit dem russischen Journalisten Dmitri Muratow den Friedensnobelpreis. Als Journalistin kämpfte sie gegen das unterdrückerische Regime des philippinischen Ex-Präsidenten Rodrigo Duterte. In ihrem Buch How to Stand Up to a Dictator hat sie ihre Erfahrungen, Recherchen und Schlussfolgerungen veröffentlicht. Ressas Reise als Journalistin beginnt nach ihrem Studium an der Princeton University, als sie ihre journalistische Karriere bei CNN International begann. In den 1990er Jahren baute sie zwei CNN-Büros in Südostasien auf und leitete bis 2004 das Büro in Jakarta. Als sie das Angebot erhielt, die Nachrichtenredaktion des größten Medienkonglomerats der Philippinen ABS-CBN aufzubauen, ging sie zurück in ihr Heimatland, schrieb aber weiter für CNN und The Wall Street Journal.

Unterdrückung und Freiräume von Medien

In den folgenden sechs Jahren (2004-2010) ist Ressa und ihrem Team der Umbau von ABS-CBN gelungen, von einem Medienhaus, das zuvor unter staatlicher Kontrolle gestanden habe und vielen Politiker*innen gefällig gewesen sei, schreibt Ressa, hin zu einem führenden Medienunternehmen, dass durch journalistische Qualität und Professionalität überzeuge. Ihre Jahre bei ABS-CBN wurden von politischen Querelen der Regierung Gloria Macapagal Arroyo begleitet. 2006 verhängte die Präsidentin aufgrund von Verschwörungen gegen ihre Regierung den nationalen Notstand, infolge dessen wurden Kritiker*innen, Menschenrechtler*innen und Journalist*innen massiv in ihrer Arbeit eingeschränkt. Auch ABS-CBN wurde mit der Schließung gedroht.

Manila im September 2017: Protest gegen das von der Duterte-Regierung befohlene Morden im so genannten „Drogenkrieg“. © Josh Makalintal

Philippinische Regierungen, so Ressa, „fürchten die Macht der Medien nicht zuletzt deshalb, weil bereits zwei Präsidenten hatten gehen müssen, nachdem über die Medien zu friedlichen Straßenprotesten aufgerufen worden war.“ Ein Jahr später ließ die Arroyo-Regierung 51 Journalist*innen während eines Militärputsches verhaften, die über den Putsch live Bericht erstatten wollten. Die Journalist*innen waren vor Ort geblieben, „denn ansonsten hätte es nur die Version der Regierung über die Geschehnisse“ gegeben. „Indem die Regierung den Ort der Berichterstattung zu einem »Tatort« machte, an dem jeder verhaftet werden konnte, funktionierte sie die geltenden Gesetze um und gängelte die freie Presse – was eindeutig gegen die Verfassung der Philippinen verstieß. Es war das erste Mal, dass die philippinische Regierung der Nationalpolizei in einer politischen Konfliktsituation das Kommando überließ.“ Für Maria Ressa war die Regierung Arroyos Wegbereiter und Testerin für die durchschlagende und gewaltsame Politik der folgenden Präsidenten Rodrigo Duterte (2016-2022) und Präsident Ferdinand Marcos Jr. (seit 2022).

Ab 2009 baute Ressa ein Bürgerreporter*innen-Programm auf, das durch eigene Recherchen und Dokumentationen „vielfach Bestechung, Korruption sowie Gewalt in Zusammenhang mit den Wahlen [11. Mai 2010] und weitere Vorfälle“ aufdeckte. Immer mehr Bürgerreporter*innen berichteten vom Wahlkampf in ihren Provinzen. Die Ausstrahlung der Recherche wurde zunehmend präsenter. Am Wahltag hatten sich fast 90.000 Bürgerreporter*innen registriert, die die Wahlen über ihre Handys und über die Reichweite von ABS-CBN auf den Sozialen Medien dokumentierten. Kandidat*innen wurden Verstöße gegen die Wahlordnung landesweit extrem erschwert. Ressa betont „die Macht der partizipativen Medien, die Bürgerinnen und Bürger dazu befähigt, mit ihrem Handy Gerechtigkeit und Rechenschaft zu verlangen. Es zeigt mir, wie Technologie für das Gute eingesetzt werden kann: für Empowerment der Gesellschaft, für Wahlbeteiligung und demokratisches Engagement, für Integrität und Wahrheit.“

Vier Frauen gründen das Nachrichtenportal Rappler

Maria Ressa kündigte bei ABS-CBN Ende 2010, nachdem der ehemalige Vizepräsident Arroyos und Prime-Time Moderator Noli de Castro als Hauptmoderator zurückkehren sollte. Sie hatte sich schon lange nach einer Plattform gesehnt, die Journalismus ehrlich und investigativ betreibt. 2012 gründete sie mit ihren ABS-CBN Kolleginnen Chay Hofileña, Beth Frondoso und Glena Gloria das Online-Nachrichtenportal Rappler. Die vier Journalistinnen verband ihre „ganz eigene Vision von Journalismus und seiner Rolle in einer Demokratie“. Ziel von Rappler war es, in den Philippinen „einen neuen Standard für investigativen Journalismus zu schaffen, der die Plattformen der sozialen Medien nutzte, um Aktionsgemeinschaften für bessere Regierungsformen und stärkere Demokratien aufzubauen.“ Damals habe sie fest an die Macht der sozialen Medien geglaubt, etwas Gutes in der Welt bewirken zu können, so Ressa. Rappler deckte unter anderem Korruption und Manipulation innerhalb der Regierung auf und wurde schnell zu einer prominenten Stimme im philippinischen Journalismus. In den Anfangsjahren wurden Rappler unter der Regierung von Benigno Aquino (2010-2016) wenig Steine in den Weg gelegt. Dies änderte sich mit dem Wahlsieg von Präsident Rodrigo Duterte im Mai 2016.

Bedrohungen der Medienfreiheit

© Quadriga Verlag

„Die Saat für Dutertes Subversion der Verfassung wurde während Arroyos Amtszeit ausgebracht. Die Änderungen waren anfänglich so subtil und schleichend, dass die Öffentlichkeit sie kaum bemerkte. Wir hätten früher Alarm schlagen sollen. Auch deswegen halten wir heute die Stellung – #HoldTheLine.“, schreibt Ressa. Viele von Arroyos Unterstützer*innen waren Kabinettsmitglieder der Duterte Regierung. Die kritische Berichterstattung führte bald zu Konflikten mit den philippinischen Behörden: Rappler wurde vorgeworfen, in ausländischem Besitz zu sein und unter ausländischer Kontrolle zu stehen, Steuern zu hinterziehen und auf Online-Plattformen Rufschädigung gegenüber der Regierung zu betreiben. Auf vielen Vorladungen wurden diese Vorwürfe überprüft. Als Maria Ressa in New York den Preis des Komitees zum Schutz von Journalist*innen stellvertretend für Rappler entgegennahm, erregte das den Unmut von Präsident Duterte. Er veranlasste das Justizministerium der Philippinen, eine Pressemitteilung herauszugeben, die die Absicht bekannt machte, Maria Ressa und Rappler anzuklagen.

Maria Ressa schreibt eindrücklich über die emotionalen und psychologischen Auswirkungen dieser permanenten Bedrohung. Diese Verletzlichkeit verleiht der Erzählung eine menschliche Dimension und macht ihre Geschichte umso fesselnder und nachvollziehbar. Ihre Erzählweise verwebt geschickt das Persönliche und das Politische und ermöglicht es den Leser*innen, sich mit ihrem Kampf zu identifizieren und gleichzeitig zu verstehen, mit welchen Herausforderungen Medien unter der Herrschaft Dutertes konfrontiert waren. So hatte die Regierung Dutertes zum Beispiel versucht, Rappler die Lizenz zu entziehen. Rappler – Reporterin Pia Ranada wurde daran gehindert, den Malacañang-Palast zu betreten, als sie über Duterte und die Exekutive berichtete.

Demokratie in Gefahr

Eine der Stärken von Ressas Schreiben liegt in ihrer Fähigkeit, ihre Erfahrungen im Rahmen globaler Trends des Autoritarismus zu kontextualisieren. Sie zieht Parallelen zwischen den Taktiken Dutertes und denen anderer autokratischer Führer wie Victor Orban oder Jair Bolsonaro. Ressa arbeitet heraus, dass moderne Diktatoren für ihre Ziele vor allem soziale Medien instrumentalisieren, Desinformationen verbreiten und öffentliche Meinung manipulieren.

Maria Ressa untersucht die Komplexität der Informationslandschaft im digitalen Zeitalter, wie soziale Medien dazu missbraucht wurden, Propaganda zu verbreiten und die Opposition zum Schweigen zu bringen. 2021 kam zum Beispiel heraus, dass die Attacken auf Präsidentschaftskandidatin Leni Robredo und deren Verbreitung online von einer Regierungsstelle finanziert wurden. Ressas Analyse ist scharfsinnig, und sie liefert den Leser*innen wertvolle Einblicke in die Mechanismen von Online-Desinformationskampagnen und die Herausforderungen, denen Journalisten beim Navigieren durch dieses gefährliche Terrain gegenüberstehen.

Maria Ressa im März 2023 bei Internationalen Literaturfest Lit Cologne. © philippinenbüro

Dabei geht sie auch auf die Rolle der Tech-Konzerne ein, die diese autoritären Regime erst möglich machten. Sie sieht eine Mitschuld der Social-Media-Giganten an der Verbreitung von Desinformation und an Cyberangriffen gegen Journalist*innen. Im letzten Teil des Buches skizziert Ressa den 10-Punkte-Plan, den sie zusammen mit Dmitri Muratov, dem Mitgewinner des Friedensnobelpreises von 2021, erarbeitet und mit dessen Hilfe die zerstörerische Macht der Tech-Konzerne begrenzt und die Demokratie verteidigt werden soll. Darin fordern sie unter anderem eine Welt, in der Technologie im Dienst der Menschheit steht und Menschenrechte über Profit gestellt werden. Kritik üben sie am Geschäftsmodell und der Gestaltung führender Online-Plattformen, die das Potenzial der Technologie für den Fortschritt untergraben.

Mut, Widerstand und Demokratie

How to Stand Up to a Dictator ist ein fesselndes und nachdenklich stimmendes Buch. Mit der Kombination aus persönlichen Anekdoten, den Ergebnissen aus investigativen Recherchen und einem tiefen Verständnis der sozialpolitischen Landschaft bietet Ressa ihren Leser*innen eine berührende und aktuelle Analyse der Bedrohungen für die Demokratie in der digitalen Welt. Dieses Buch ist nicht nur eine Pflichtlektüre für alle, die sich für die Politik der Philippinen interessieren, sondern auch für jene, die wissen möchten, welchen Bedrohungen Demokratien weltweit ausgesetzt sind – und wie diesen Bedrohungen mit Mut und Widerstandsfähigkeit begegnet werden kann.

Rezension von: Maria Ressa. How to Stand Up to a Dictator. Der Kampf um unsere Zukunft. Quadriga Verlag. 368 Seiten. 2022.

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Die Autorin

Leah Hilario-Sikorski ist eine gebürtige Philippinin und lebt seit Jahren in Deutschland. Sie wurde im Bereich Wirtschaft und Steuern ausgebildet und war lange Jahre bei einer international tätigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft beschäftigt. Sie ist ehrenamtlich in Kunst und Kultur sowie für den Tierschutz tätig.

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Die Autorin

Mirjam Overhoff ist Sozialwissenschaftlerin und Geschäftsführerin des philippinenbüro e.V. in Köln. Seit 2013 arbeitet sie intensiv zum Thema Migration und Diaspora rund um die Philippinen. Weitere Schwerpunktthemen ihrer Arbeit sind Politik, Stadtentwicklung, Klima und der Umgang mit Müll in den Philippinen.

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