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Herausforderungen bei der Organisierung von Arbeitsmigrant*innen in den Palmölplantagen Sabahs

Erntearbeiter versuchen, einen Fruchtstand loszuschneiden © Rizal Assalam

Erntearbeiter versuchen, einen Fruchtstand loszuschneiden © Rizal Assalam

Malaysia: Ein repressives Gewerkschaftsgesetz und die Illegalisierung von Arbeitsmigrant*innen erschweren die Organisierung des Palmölsektors in Sabah. Eine neue Kollaboration zwischen einem Partner des Asienhauses, der Gewerkschaft SPIEU, mit Lehrer*innen von Gemeindelernzentren für migrantische Kinder versucht hier, neue Wege zu gehen.

 

Wir wissen wenig über die Migrant*innen in Sabah und ihre Bemühungen um bessere Lebensbedingungen. Es gibt einige Publikationen, die ihr prekäres Leben diskutieren und die harsche Migrationspolitik thematisieren, der sie ausgesetzt sind. Noch weniger wird auf den Widerstand der Palmölarbeiter*innen eingegangen und darauf, wie sie selbst ihre Situation verbessern können.

Palmölarbeiter*innen haben einen Alltagswiderstand entwickelt, den sie zum Überleben brauchen. Dieser Widerstand nimmt verschiedene Formen an, u.a. den (unerlaubten) Wechsel des Arbeitgebers; die Verwendung von familiären Netzwerken, um bessere Arbeit woanders zu finden; oder die Verlängerung ihrer Aufenthaltsdauer mit verschiedenen Mitteln. Doch dieser Alltagswiderstand verändert die Strukturen nicht, die die Ausbeutung am Arbeitsplatz untermauern.

Erfolg von Palmöl beruht auf Ausbeutung

Der Erfolg von Palmöl als größter Industriesektor Sabahs erfolgt auf Kosten der Arbeitsmigrant*innen. Meine laufende Forschung zeigt, dass verschiedene Formen von Zwangsarbeit und Menschenhandel in vielen Plantagen vorkommen. Die Plantagenarbeiter*innen verharren in dem Status von illegalisierten Migrant*innen, während ihre Kinder die industrielle Reservearmee von Morgen bilden.

In den meisten Plantagen sind die Arbeiter*innen unorganisiert. Das liegt auch daran, dass viele Migrant*innen, die vornehmlich aus Süd-Sulawesi und Ost-Nusa-Tenggara stammen, einen irregulären Status haben. Die Illegalisierung durch das Migrationsregime verzahnt sich mit einem speziellen Herrschaftsregime in den Plantagen, eine Kombination, die es sehr schwierig macht, unabhängige Gewerkschaften zu gründen.

Im Folgenden werde ich die Herausforderungen, die sich bei der Organisierung von Arbeitsmigrant*innen in der Palmölindustrie ergeben, diskutieren. Dann beschreibe ich die Praxis der existierenden Gewerkschaft, die Sabah Plantation Industry Employees Union (SPIEU), in ihren Bemühungen, Migran*innen zu organisieren. Zum Schluss gehe ich auf eine neue Initiative ein, die versucht, Arbeiter*innen über die informellen indonesischen Schulen, die „Gemeindelernzentren“, zu erreichen.

Migrant*innen in den Palmölplantagen Sabahs

Der Großteil der Arbeiter*innen in der Palmölindustrie sind Migrant*innen, die meisten davon Buginesen aus Sulawesi. Andere kommen von der Insel Flores in Ost-Nusa-Tenggara oder vom Sulu-Archipel in den Philippinen. Buginesen migrieren schon seit Jahrzehnten nach Sabah und haben ausgedehnte familiäre Netzwerke geschaffen. Diese Netzwerke ermöglichen auch die Arbeitsmigration, die über die Insel Nunukan (Indonesien) nach Tawau (Malaysia) nach Sabah verläuft. Viele Arbeiter*innen kommen über informelle Wege ins Land – die so genannten „Nebenwege“ oder „Rattenpfade“ – um die recht löchrige Grenze zwischen der malaysischen Provinz Sabah und Kalimantan (dem indonesischen Teil der Insel Borneo) zu überqueren.

Die Zahl der Migrant*innen korrespondiert mit der expandierenden Fläche der Ölplantagen. So wuchs bis 1991 die Fläche unter Ölpalmen auf knapp 300,000 ha und die Zahl der ‚Ausländer‘ auf über 400.000 an. Bezeichnenderweise leben die meisten Migrant*innen in Tawau, Lahad Datu, Sandakan, Kinabatangan, Beluran und Kunak – dort, wo die Palmölindustrie konzentriert ist.

Eine Reaktion auf die steigende Zahl von Migrant*innen ist die zunehmende Kontrolle seitens des Staates, der die Arbeiter*innen reguliert und illegalisiert. Es kann schnell passieren, dass eine Migrant*in ‚illegal‘ wird – wenn sie z.B. falsch einreist, wenn der Prozess der Arbeitsrekrutierung nicht abgeschlossen wird, oder wenn die Arbeitserlaubnis abläuft. So ist das Migrationsregime in Sabah von einer Vielzahl von Migrant*innen geprägt, deren Status schnell von legal zu illegal, und umgekehrt, wechseln kann.

Irrregularität und Illegalität werden so zu integralen Bestandteilen des Lebens der Migrant*innen in Sabah. Es ist schwierig, den legalen Status zu behalten und länger zu bleiben. Irregularität wird zementiert und prolongiert, wenn die Migrant*nnen Familien gründen und ihre Kinder die nächste Generation einer illegalisierten Arbeiter*innenschaft werden.

Der Zugang zu den Plantagen wird durch den schlechten Zustand der Straßen erschwert © Rizal Assalam

Der Zugang zu den Plantagen wird durch den schlechten Zustand der Straßen erschwert © Rizal Assalam

Herausforderungen bei der Organisierung von Palmölarbeiter*innen

Ein Merkmal der Palmölplantagen ist die Konzentration der Arbeiter*innen in einem Wohnkomplex. Die Baracken im Zentrum der Plantage sind gleichzeitig ein soziales System. Die Arbeiter*innen in einer Plantage sind oft miteinander verwandt und von der gleichen Ethnie. Nicht selten findet man eine Gemeinschaft von Buginesen oder Florenesen, die miteinander über Heirat verbunden oder von Familienmitglieder rekrutiert wurden.

Räumlich befinden sich die Wohnkomplexe mitten in den sehr ausgedehnten Plantagen. Je weiter weg die Plantage ist, desto entfernter die Baracken. Wegen der Entfernungen und schlechten Straßen ist es nicht einfach, die Wohnanlagen zu betreten – von den Kontrollen durch Sicherheitspersonal an den Eingängen ganz zu schweigen. Diese räumlichen Bedingungen tragen zur Isolation der Arbeiter*innen innerhalb der Plantagen bei.

Das macht die Gründung einer Gewerkschaft nicht gerade einfach. Ein Gewerkschaftsaktivist kann schnell identifiziert werden, weil die Arbeiter*innen selten Besuch von außen bekommen. Eine kleine Versammlung, um die Arbeiter*innen über ihre Rechte aufzuklären, ist ein ungewöhnliches Ereignis, wovon der Manager schnell Wind bekommt. So kann die Geschäftsführung Organisierungsversuche schnell im Keim ersticken.

Auch wenn es klappt, dass jemand Zutritt zur Plantage bekommt und eine Verbindung mit den Arbeiter*innen aufnimmt, kommen oft sprachliche Probleme hinzu. Unter dem repressiven Gewerkschaftsgesetz von 1959 dürfen Ausländer*innen weder Vertrauensleute sein, noch offizielle Funktionen in der Gewerkschaft ausüben. Übrig bleiben nur Aktivist*innen aus Sabah als Organiser. Auch wenn Malaysisch und Indonesisch einen Grundwortschatz teilen, sprechen die meisten Arbeiter*innen nur ein rudimentäres Sabahan-Malaysisch, und viele nutzen vornehmlich die Sprache ihrer Ethnie.

Die Kontrolle über die Arbeiter*innen kann auch über die Vorarbeiter (mandor) laufen. Durch den Prozess der Rekrutierung stehen Arbeiter*innen oft in einem familiären Verhältnis zum mandor und müssen seine Autorität in Frage stellen, um eine Gewerkschaft zu gründen. Das ist aber nicht so einfach, denn das Verhältnis zwischen Arbeiter*innen und mandor ist eine Patronage-Beziehung, bei der die Arbeiter*innen beim Vorarbeiter ‚in Schuld stehen‘ und ihn respektieren.

In einer der Plantagen in Tawau hatten die Arbeiter*innen Angst, das Unternehmen herauszufordern. Dies lag daran, dass das Management damit droht, kritsche Arbeiter*innen zu entlassen oder ihre Arbeitserlaubnis nicht zu verlängern. Entlassen werden bedeutet gleichzeitig, keine Arbeitserlaubnis zu haben. Und ohne Arbeitserlaubnis wird man „illegal“. Damit können Arbeiter*innen ins Gefängnis kommen, deportiert werden, oder müssen untertauchen.

Die Illegalisierung von Migrant*innen ist eine der größten Herausforderungen für die Organisierung. Da sie als illegal betrachtet werden, dürfen sie nicht Mitglied einer Gewerkschaft sein. Laut dem Gewerkschaftsgesetz von 1959 dürfen nur diejenigen Mitglied werden, die offiziell dokumentiert sind. Die Dominanz des Arbeitgebers wird so durch das Migrantionsregime gestärkt.

Auch wenn die dokumentierten Arbeiter*innen organisiert werden können, heißt das noch lange nicht, dass die Gewerkschaft sie in Tarifverhandlungen vertreten kann. Laut der Generalsekretärin der Gewerkschaft SPIEU, Murni Sima, muss die Gewerkschaft zunächst die Mehrheit der Belegschaft (50% + 1) als Mitglieder zählen – und zwar von der ganzen Firma. Die Gewerkschaft kann nicht nur eine Plantage organisieren. Wenn eine Firma vier Plantagen an verschiedenen Orten betreibt, muss die Gewerkschaft die Mehrheit der Belegschaft in allen vier Plantagen gewinnen.

Diese Bestimmung macht es der Gewerkschaft schwer, das Plantagenregime in den einzelnen Plantagen herauszufordern. SPIEU hat das Problem, dass sie nicht genug Organiser hat, um in den verschiedenen Plantagen in unterschiedlichen Teilen Sabahs zu agieren. Auch wenn sie genügend Organiser hätte, würde es dennoch lange dauern, bis die Arbeiter*innen in Firmen mit mehreren Plantagen organisiert wären.

Bisher hat SPIEU die meisten Mitglieder in Plantagen des Großkonzerns Sime Darby. Die Gewerkschaft entstand ursprünglich in den 70er Jahren in der Firma Borneo Abaca Limited (BAL) Plantation. Als jene von Sime Darby aufgekauft wurde, hat laut Murni die Gewerkschaft darauf bestanden, dass die anderen Sime Darby estates auch von der Gewerkschaft vertreten werden durfte. Seit dem hat SPIEU mehrere Versuche unternommen, die Organisierung auf andere Plantagen zu erweitern, doch bisher ohne Erfolg.

Ein Gemeindelernzentrum auf einer Palmölplantage in Sabah © Rizal Assalam

Ein Gemeindelernzentrum auf einer Palmölplantage in Sabah © Rizal Assalam

Gemeindelernzentren als Organisierungschance

Eine Möglichkeit, diese Schwierigkeiten zu umgehen sind die Gemeindelernzentren (Community Learning Centre (CLC). Diese indonesischen Schulen wurden zuerst 2008 in Kota Kinabalu gegründet und haben sich nach 2014 schnell verbreitet. Zur Zeit gibt es 47 Schulen auf Mittelschulniveau (SMP) und 90 CLCs auf Grundschulniveau, in denen 23.000 Schüler*innen unterrichtet werden.

Die meisten CLCs werden auf Initiative von Migrant*innen gegründet. Interessanterweise sind einige der Gründer und Lehrer selbst Palmölarbeiter*innen. Diese werden als ‚lokale Lehrer‘ gekennzeichnet (guru pamong), um sie von den ‚Mentor-Lehrern‘ (guru bina) zu unterscheiden, die vom indonesischen Bildungsministerium geschickt werden. Diese lokalen Lehrer*innen haben ein starkes Interesse an Arbeitnehmerrechten, weil sie selbst Erfahrungen als Plantagenarbeiter*innen gemacht haben.

Der Gründer des CLC in Tawau beispielsweise war früher Erntearbeiter. Er ergriff 2012 die Initiative, eine Lerngruppe zu bilden, die dann 2015 zu einem CLC institutionalisiert wurde. Der Gründer der CLC in Beaufort war ein Wartungsarbeiter, der früher Herbizide versprüht hat. Neben ihrem Unterricht helfen diese Lehrer*innen den Arbeiter*innen auch bei Behördengängen zum indonesischen Konsulat, z.B. für die Beantragung von Pässen, für die Durchführung von Trauungen und bei der Geburtsregistrierung.

So haben sie Erfahrung bei der Fürsprache für die Migrant*innen bei den zivilen Behörden. Sie haben auch die Fähigkeit, mit den Arbeiter*innen eine Bindung aufzubauen, weil sie selbst diese Erfahrung haben und weil sie mit ihnen diskutieren müssen, damit sie ihre Kinder in die Schule gehen lassen: „Ich musste oft mit den Eltern verhandeln, damit sie ihre Kinder z.B. drei Tage lang in die Schule, und drei Tage arbeiten lassen“, sagte mir ein CLC Lehrer aus Tawau.

Diese CLC Lehrer*innen können eine entscheidende Rolle spielen, um den Arbeiter*innen eine Grundausbildung in Sachen Arbeiterrechte zu geben. Dafür müssen sie selbst zuerst gut geschult werden. Da die CLCs mitten in den Plantagen situiert sind, haben die Lehrer*innen viel bessere Möglichkeiten, in den täglichen Auseinandersetzungen mit den Arbeiter*innen ihnen die Idee eines gemeinsamen Kampfes und einer Gewerkschaft näher zu bringen. Sie könnten damit auch das Fehlen von Organisern bei SPIEU kompensieren.

Die Herausforderungen meistern

Die Organisierung von Arbeitsmigrant*innen – unabhängig von ihrem legalen Status – ist notwendig, um gegen die Ausbeutung auf den Palmölplantagen vorgehen zu können. Der hohe Ausbeutungsgrad liegt vor allem an dem fast gänzlichen Fehlen einer Gewerkschaft in den Plantagen von Sabah.

Palmölplantagen sind von spezifischen Bedingungen und Problemen gekennzeichnet, die berücksichtigt werden müssen, um eine unabhängige Gewerkschaft entwickeln zu können. Das System der Kontrolle in den einzelnen Plantagen wird dabei durch das Migrationsregime insgesamt verstärkt. Das führt dazu, dass die Arbeitsmigrant*innen Angst haben müssen, deportiert zu werden, falls sie sich an der Gründung einer Gewerkschaft beteiligen.

Eine Möglichkeit die Herausforderung anzunehmen, ist, mit den CLC Lehrer*innen zusammenzuarbeiten. Die Lehrer*innen können den sehr eingeschränkten Zugang zu den Plantagen, der die Arbeit der Gewerkschaft behindert, umgehen, weil sie mitten in den Plantagen leben und einen täglichen Umgang mit den Arbeiter*innen haben. Dafür ist es notwendig, eine Gewerkschaftsperspektive bei den Lehrer*innen selbst zu entwickeln, und sie auf eine Zusammenarbeit mit der existierenden Gewerkschaft SPIEU zu orientieren.

Übersetzung aus dem Englischen von: Oliver Pye

 

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