Philippinen/USA: Seit mehr als 120 Jahren sind die Philippinen unverbrüchlicher Garant der machtvollen Präsenz der USA in Südostasien und Stützpfeiler ihrer weltweiten Macht. US-Militärhilfen helfen der Duterte-Regierung, Andersdenkende zum Schweigen zu bringen
2021 ist es 500 Jahre her, seit das spanische Reich seine Flagge auf unseren Inseln gepflanzt hat. Benannt nach dem spanischen König Philipp II. wurden wir für die nächsten 377 Jahre spanische Kolonie. Die Niederlande und auch Großbritannien wollten Spanien verdrängen und die Philippinen in ihre eigenen Reiche übernehmen. Großbritannien hätte es fast geschafft, indem es den ummauerten Stadtkern von Manila – Intramuros – eroberte, allerdings nur für vier Jahre. Dann kamen die Vereinigten Staaten, die unseren revolutionären Vorfahren anboten, uns vom spanischen Joch zu befreien, nur um anschließend das Land zu verraten, indem sie es zu ihrer eigenen Kolonie machten und es ihrem aufstrebenden Imperium anschlossen. Während des Zweiten Weltkriegs besetzte die japanische kaiserliche Armee das Land drei Jahre lang. Die Philippinen, reich an natürlichen Ressourcen, waren oft Objekt von Großmächten, die gegenseitig um die regionale Vormachtstellung stritten, um von der strategischen Lage in Südostasien zu profitieren.
Auch heute noch sind die Philippinen ein ‚Zankapfel’ der Großmächte, da sie das Südchinesische Meer und den Pazifik strategisch voneinander trennen. Die Vereinigten Staaten führen heute einen neuen ‚Kalten Krieg’ gegen China, das als aufstrebende Weltmacht die US-Hegemonie im asiatischen Raum herausfordert. Bei der Rivalität zwischen den USA und China in der Region geht es um die Kontrolle der Seehandelsrouten für lebenswichtige Energieressourcen und Rohstoffe, um Fischgründe, um Offshore-Bodenschätze sowie potenzielle Öl- und Gasressourcen, um kapitalistische Entwicklung und Wachstum voranzutreiben.
Trotz des scheinbaren Entgegenkommens und der Freundlichkeit des philippinischen Präsidenten Rodrigo Duterte gegenüber China bleibt das Bündnis des Landes mit den Vereinigten Staaten nach wie vor solide und befindet sich sogar im Aufschwung. Manila und Peking mögen eine „umfassende strategische Partnerschaft“ behaupten, aber diese kann nicht mit der starken und widerstandsfähigen Bindung mithalten, die die Philippinen mit ihrem ehemaligen Kolonialherrn, den Vereinigten Staaten, pflegen und fortsetzen.
Dutertes frühe Empörung angesichts der Kritik an Menschenrechtsverletzungen seitens der USA und seine Drohung, die Beziehungen zu kappen, waren nur Prahlerei. Während China mit Wirtschaftshilfe und verstärkten Investitionen auf den Philippinen sowie mit seiner ‚Impfstoffdiplomatie’ lockt, ist US-Amerikas Fußabdruck im Land fest verankert. Die Militärhilfe ist gestiegen und gemeinsame Manöver-Übungen haben zugenommen. Mindestens 60 pensionierte Militär- und Polizeigeneräle wurden mit der Leitung wichtiger Kabinettspositionen und traditionell ziviler Behörden beauftragt. Dabei legen sie Wert auf enge Beziehungen zum Pentagon.
Laut einer Umfrage von Pulse Asia Research aus dem ersten Quartal 2021 ist China nach wie vor das Land unter den sechs größten Handelspartnern der Philippinen, dem die meisten Filipin@s misstrauen. Chinas derzeit feindseliges und aggressives Verhalten in der philippinischen Sonderwirtschaftszone führt dazu, dass sowohl die philippinische Bevölkerung als auch die Regierung die engere Sicherheitsumarmung durch die Vereinigten Staaten begrüßen. Philippinische Verteidigungsbeamte stellen sicher, dass die Achse des Präsidenten mit US-Amerika sich keinen Zentimeter verschiebt. Die USA betrachten Dutertes ‚Balztanz’ mit China als bloße Verirrung – erträglich, solange die eigenen geopolitischen Interessen nicht beeinträchtigt werden. Denn im Gegensatz zu den bedrängten Putsch-Generälen in Myanmar, deren Überleben von Xi Jinping abhängt, sind die USA immer noch die Lebensader von Duterte.
Während die gemeinsamen philippinisch-US-amerikanischen Manöver-Übungen 2017 abnahmen, stieg ihre Zahl im Jahr 2018 auf 261 und auf 281 im Jahr 2019. Die gleiche Zahl war auch für 2020 vorgesehen, aber durch die Covid-19-Pandemie nicht realisierbar. In den Philippinen finden unter dem Namen Balikatan (Schulter an Schulter) die größten Militärübungen mit den USA im südostasiatischen Raum statt – zur „Förderung der Interoperabilitätsoperationen“ beider Staaten im westlichen Pazifik.
45 Jahre Kolonialherrschaft durch die Vereinigten Staaten und 75 Jahre diplomatische Beziehungen zwischen den USA und den Philippinen seit 1946 haben zu vier Millionen US-Bürger*innen philippinischer Abstammung in den USA geführt. Gleichzeitig gibt es mindestens 350.000 US-Bürger*innen mit Wohnsitz in den Philippinen. Filipin@s bilden zudem die größte asiatische Einwander*innengruppe innerhalb der US-Streitkräfte, die weltweit operieren.
Unter der Dominanz der US-amerikanischen Handelskammer in den Philippinen (ACCP) haben auch die übrigen ausländischen Handelskammern und die lokale Geschäftswelt diese traditionell harmonischen Beziehungen zwischen den Philippinen und den Vereinigten Staaten unterstützt. Gegenüber Änderungen dieses Status quo war die ACCP feindlich gesinnt, was lange Zeit ein Hindernis für eine unabhängige Außenpolitik darstellte.
Die für die USA wahrscheinlich zuverlässigsten Institutionen in den Philippinen sind Militär und Polizei. Gegründet 1903 von der US-Armee, um das Bemühen philippinischer Freiheitskämpfer*innen um Unabhängigkeit zu zerschlagen, wurden die philippinischen Militär- und Polizeikräfte als Zusatz zur US-Armee eingerichtet. Trotz der Gewährung der nominalen philippinischen Unabhängigkeit im Jahr 1946 werden das philippinische Militär und die philippinische Polizei weiterhin von den Vereinigten Staaten ausgebildet, indoktriniert und bewaffnet. Die besten philippinischen Militäroffiziere erhalten Plätze an der US-Militärakademie in West Point, der US-Marineakademie in Annapolis und anderen spezialisierten Trainingsprogrammen des US-Militärs. Ein ständiges Team von US-Militärberatern in den Philippinen, die Joint US Military Advisory Group (JUSMAG), gibt den lokalen Sicherheitskräften weiterhin Anweisungen und berät sie. Aufgrund seiner Indoktrination und Abhängigkeit von US-Waffen hat das philippinische Militär die US-Angriffskriege in Korea, Vietnam, Irak und Afghanistan konsequent unterstützt.
2017 | 2018 | 2019 | 2020 |
55.1 | 54.4 | 43.4 | 58.5 |
Um die Streitkräfte der Philippinen (AFP) als alliierte Armee in der Region zu modernisieren, leistet Washington weiterhin erhebliche militärische Hilfe (siehe Tabelle). Damit sind die Philippinen in den letzten vier Jahren unter Duterte der größte Empfänger in Südostasien, mit zunehmenden Mengen an Waffen und Ausrüstung.
Die USA haben fortwährend Kampfflugzeuge, Schiffe, gepanzerte Fahrzeuge, Kleinwaffen und andere militärische Ausrüstung geliefert. Ergänzt wird dies durch Ausbildung und Schulungen zur Terrorismusbekämpfung, spezieller Logistik und Unterstützung bei der Rechtsdurchsetzung im Rahmen der Kampagne gegen illegale Drogen. Diese militärische und polizeiliche Ausrüstung und Ausbildung unterstützt Dutertes Anti-Drogenkrieg, der bislang fast 30.000 Filipin@s das Leben kostete.
Die zunehmende Militarisierung und Bombenanschläge, die von US-Drohnen und US-Beratern unterstützt werden, haben zur Vertreibung von rund 450.000 Zivilist*innen geführt, insbesondere in Mindanao, der zweitgrößten Insel der Philippinen. Laut dem Watson Institute for International Relations der Brown University sind die Philippinen eines der 85 Länder, in denen US-Streitkräfte in Übersee aktiv operieren, Schulungen und Unterstützung bei der Terrorismusbekämpfung, gemeinsame Militärübungen und den Bau von US-Militäreinrichtungen anbieten. Diese anhaltende US-Militärpräsenz in den Philippinen ist entscheidend für die QUAD-Strategie, kurz für Quadrilateral Security Dialogue, einem gemeinsam abgestimmten Vorgehen der USA, Japans, Indiens und Australiens, um China durch ein NATO-ähnliches Militärbündnis in Asien einzukreisen und einzudämmen.
Auf Basis des philippinischen Antiterrorgesetzes von 2020 begehen philippinische Soldat*innen und ihre Paramilitärs Gräueltaten gegen unbewaffnete indigene Gemeinschaften, die sich den Eingriffen von Holzeinschlag- und Bergbau-Konglomeraten widersetzen. Auch werden Arbeiter*innen- und Bauernführer*innen, Kritiker*innen und Anwält*innen in sozialen Medien öffentlich als „Terroristen“ bezichtigt, bevor sie getötet werden.
Die USA sind nach wie vor die wichtigste Waffenquelle der Philippinen. Die US-Militärhilfe dient jedoch nicht dazu, die Philippinen gegen die chinesischen Eingriffe zu verteidigen und ihnen zur Rückgewinnung der Hoheit über Inseln im West-philippinischen Meer zu verhelfen. Vielmehr kommt die ausländische Militärhilfe gegen die Verwundbaren und Ausgegrenzten, gegen Journalist*innen, Gewerkschaftsführer*innen, Anwält*innen, Priester, Menschenrechtsverteidiger*innen, indigene Gemeinschaften und andere friedliche Andersdenkende zum Einsatz. Der Ansatz Shoot to Kill – hoch aggressive Operationen der Militärpolizei – war sowohl in den Kampagnen gegen illegale Drogen als auch gegen Aufstände das Modell unter Duterte. Im Fall der Anti-Terror- und Aufstandsbekämpfungskampagne werden unbewaffnete Aktivist*innen der Zivilgesellschaft tatsächlich als „Terroristen“ dämonisiert und angegriffen und dann von Todesschwadronen ermordet – geleitet und bewaffnet von staatlichen Sicherheitskräften. Dieser Ansatz ist jedoch nicht neu. Die militärischen Mittel werden eingesetzt, um die sozioökonomischen Probleme, Meinungsverschiedenheiten und Aufstände des Landes anzugehen. Daher hat die US-Militärhilfe lediglich den bereits bestehenden militaristischen Ansatz gegen Kritiker*innen und Andersdenkende in den Philippinen ‚bewaffnet’.
In Anbetracht der Schließung der großen US-Militärbasen 1992 sichern die USA ihre militärische Hegemonie in den Philippinen weiterhin durch diskussionswürdige Verträge und Vereinbarungen wie den Vertrag über gegenseitige Verteidigung von 1951 (MDT), das Visiting Forces Agreement (VFA) von 1999 und das Enhanced Defense Cooperation Agreement (EDCA) von 2014. Die Philippinen gelten seit langem als wichtiger Standort für die langfristige Sicherheit der USA in Asien. Die US-Streitkräfte benötigen die Philippinen zum Auftanken und zur logistischen Unterstützung ihrer Operationen im Persischen Golf oder im westlichen Pazifik. Dadurch, dass die ‚Festung Amerika’ in den Philippinen fest verankert ist, könnten die USA Aktionen in der Luft und zu Wasser im umkämpften Südchinesischen Meer starten und weiterhin Militäreinsätze im asiatisch-pazifischen Raum und im Nahen Osten unterhalten.
Die sozialen Bewegungen in den Philippinen und in der Region fordern jedoch diese militarisierte Geopolitik heraus, die immer noch von den Vereinigten Staaten unter dem Slogan der „Sicherheit der Menschen“ dominiert wird. Darüber hinaus sind transnationale Organisationen der Zivilgesellschaft in der Region entstanden und zu einer starken Stimme geworden, die sich auf soziale und wirtschaftliche Gerechtigkeit und die Achtung der bürgerlichen und politischen Rechte der Menschen als Grundlage für einen echten und nachhaltigen Frieden konzentrieren.
Übersetzung aus dem Englischen von: Jörg Schwieger
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