Categories: EDITORIALS

Editorial südostasien 2/2018: Bio, fair… und was noch?

Foto: © Walter Keller, Third Eye Photography

Bio, fair, nachhaltig… Begriffe, die uns Erleichterung verschaffen, wenn wir sie auf den Verpackungen der von uns konsumierten Waren finden. Begriffe, die uns in Versuchung führen, uns glauben machen, die Welt werde schon ein kleines bisschen besser durch diese oder jene Kaufentscheidung.

Immer mehr „bio“, „fair“ und mit weiteren Nachhaltigkeits-Siegeln versehene Produkte finden – auch aus Südostasien – ihren Weg nach Deutschland. Sie sind längst kein Nischenprodukt mehr, sondern Teil des Massenangebots in Supermärkten.

Doch wie viel wissen wir wirklich über die Bedingungen unter denen diese Produkte hergestellt werden und über die Menschen, die sie herstellen. Wie viel wollen wir wirklich wissen?

Wie verträgt sich die Idee von Nachhaltigkeit mit einer Einzelhandelsstruktur, die monopolartige Züge trägt und wo Preisdruck vor allem an die Produzent*innen weiter gegeben wird. Wie verträgt sich die Idee von Nachhaltigkeit mit dem Anspruch, zu jeder Jahreszeit alles auf dem Tisch zu haben, wonach das Herz begehrt, egal woher es kommt? Wie verträgt sich die Idee von Nachhaltigkeit damit, dass aus „grün“ ein neuer Wirtschaftszweig geworden ist, der doch nur der alten Wachstumsdoktrin gehorcht?

Wir möchten die Debatte um Erfahrungen aus Südostasien erweitern. Unsere Fallbeispiele zeigen einmal mehr, dass Nachhaltigkeit zum Fetisch verkommt, wenn sie nicht mehr ist als ein Label, hinter dem vor allem Kapitalinteressen stehen.

Unsere Reise führt unter anderem nach Indonesien, zu Menschen, die auf Java zertifizierten Kokosblütenzucker herstellen. Wir beschäftigen uns mit den Realitäten hinter dem RSPO-Label für Palmöl. Aus Vietnam kommen zertifizierter Pangasius und Garnelen, wir beschreiben die wirtschaftliche Realität hinter dem AFC-Label. Wir fragen nach den Herausforderungen für die Förderung von Biolandbau in Timor Leste. Und wir hören Biobäuer*innen zu, wie Septi aus Indonesien. Sie verleiht ihrem Wunsch Ausdruck, dass Menschen „bio“ endlich wirklich holistisch betrachten sollten. „Bio ist kein Trend“, so Septi. „Es ist eine Lebenshaltung.“

Wir wünschen euch eine anregende Lektüre und uns allen spannende Diskussionen. Und wir freuen uns auf weitere Artikel von euch zum Thema: „Bio, fair – und was noch?“, die ihr uns noch bis zum 20.Oktober senden könnt.

Danach widmen wir uns dann in Ausgabe 3 einem weiteren spannenden Thema: Geisterglaube in südostasien. Hier geht´s zum call for paper (deutsch) / (englisch)

zur Ausgabe
  • weitere Artikel
Die Autorin

Anett Keller hat in Leipzig und Yogyakarta Journalistik, Politikwissenschaft und Indonesisch studiert. Sie hat mehrere Jahre in Indonesien gelebt und von dort als freie Korrespondentin berichtet. Derzeit arbeitet sie als freie Autorin, Moderatorin und Übersetzerin und koordiniert (auf Teilzeitbasis) die Redaktionsarbeit der südostasien.

  • „Rache macht deine Seele kaputt“

    Indonesien – Mit dem Buch „Pemenang Kehidupan/Winners of Life“ setzen der Fotograf Adrian Mulya und die Autorin Lilik HS den Frauen ein Denkmal, die während der Suharto-Diktatur als Kommunistinnen verfolgt wurden.

  • Von Politikern, die Kohle machen

    Indonesien – Der Dokumentarfilm „Sexy Killers“ thematisiert die massiven Eingriffe in die Natur durch Steinkohleabbau und die verheerenden Folgen für Mensch und Umwelt. Zugleich zeigt der Film, wie eng die Verzahnung von Politik und Unternehmen beim wertvollen Rohstoff Kohle ist.

  • Mit Musik das Schweigen brechen

    Indonesien war ein umkämpfter Schauplatz des Kalten Krieges. 1965 ergriff der prowestliche Militärdiktator Suharto 1965 die Macht. Es begann einer der größten Massenmorde des 20. Jahrhunderts. Heute erinnern junge Musiker*innen gemeinsam mit Überlebenden an das Erbe der politisch Verfolgten

  • Umweltfreundliche Monatsbinden? Do it yourself!

    Indonesien – Aktivist*innen aus Yogyakarta klären über die Gefahren von Plastik und Chemikalien in Menstruationsbinden auf und werben für waschbare Stoffbinden. In Workshops geben sie ihr Wissen an Frauen weiter und nähen mit ihnen gemeinsam farbenfrohe und umweltfreundliche Alternativen zu herkömmlichen Einwegbinden.

  • Solidarität mit künstlerischen Mitteln

    Indonesien – Seit mehr als 20 Jahren streitet das Künstlerkollektiv Taring Padi mit kreativen Mitteln für die Rechte der Arbeiter*innen. Die Poster, Banner und Murals der Gruppe sind sowohl Aufruf zum Kampf als auch Dokumentation der indonesischen Arbeiterbewegung

DOWNLOAD (PDF)
Anett Keller

Anett Keller hat in Leipzig und Yogyakarta Journalistik, Politikwissenschaft und Indonesisch studiert. Sie hat mehrere Jahre in Indonesien gelebt und von dort als freie Korrespondentin berichtet. Derzeit arbeitet sie als freie Autorin, Moderatorin und Übersetzerin und koordiniert (auf Teilzeitbasis) die Redaktionsarbeit der südostasien.

Recent Posts

Zwischen Hoffnung und Bitterkeit

Philippinen – Der Journalist Michael Beltran skizziert in seinem Essayband die Lebensläufe zweier philippinischen Widerstandskämpfer:innen…

7 Tagen ago

Den Albtraum erneut erleben

Philippinen – Der Roman „Paraiso“ erzählt das komplexe Leben philippinischer Kommunist:innen, von Engagement bis hin…

1 Woche ago

Heimkehr ins Leere

Philippinen – Der Roman "Stille im August" von Caroline Hau beschreibt mit Geschichten über Migration…

1 Woche ago

Stimmen aus dem Ehrengast-Land der Frankfurter Buchmesse 2025

Philippinen/Deutschland – Die Teilnahme der Philippinen als Ehrengast der Buchmesse wird in der philippinischen Presse…

3 Wochen ago

„Was machen wir mit den Männern?“

Kambodscha – Nachhaltiger Wandel beginnt damit, Männlichkeit neu zu definieren, Traditionen infrage zu stellen und…

3 Wochen ago

Der ‚starke Mann‘ als Vorbild

Philippinen – Laut sein und „hart durchgreifen“ wie Rodrigo Duterte: Dieses Männlichkeitsbild fasziniert Millionen –…

4 Wochen ago