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Editorial südostasien 2/2021:Südostasien – Spielball von Hegemonialinteressen?
Die USA, China, Russland, Australien, Indien, Japan und Europa nahmen beziehungsweise nehmen eine hegemoniale Machtstellung in Südostasien ein. Auch innerhalb Südostasiens und aus der Region heraus, kam und kommt es zu solchen Vormachtstellungen. Durch die derzeitige Covid-19-Pandemie (vgl. dazu südostasien Ausgabe 1/2021) verschärfen sich Abhängigkeitsverhältnisse zudem und es entstehen neue hegemoniale Grundlagen, auf denen Machtausübung ermöglicht wird.
Häufig sind diese Machtstrukturen nicht auf den ersten Blick durchschaubar. Welche Länder, Organisationen, Wirtschaftsunternehmen oder Gruppen ziehen dabei die Fäden? Wer steht dahinter und welche Auswirkungen bedeuten diese Strukturen für die Menschen in den Ländern Südostasiens? In der zweiten Ausgabe der südostasien im Jahr 2021 geben wir Einblicke in moderne hegemoniale Machtstrukturen in und um Südostasien. Wir fassen den Hegemonialbegriff dabei weiter und verstehen ihn als Überlegenheit, Führung oder Vormachtstellung unterschiedlicher Formen – von der Machtausübung gesamter Staatenverbunde bis hin zum hegemonialen Einfluss einzelner Kulturgüter.
Die Nutzung und Kontrolle von Lebensräumen und Rohstoffen bilden ein zentrales Ziel hegemonialer Machtverhältnisse. Motiviert durch ein hohes Interesse an zunehmend nachgefragten Rohstoffen, üben ausländische Organisationen in Südostasien Druck aus und sichern sich vor Ort Abbau- und Nutzungsrechte, wodurch Lebensräume zerstört und die dort lebenden Menschen vertrieben werden. Im Interview schildert Miles Kenney-Lazar, wie Laos durch ausländische Investitionen in den hegemonialen Fokus gerät und Menschen durch Land-Grabbing ihrer Lebensgrundlage beraubt werden. Michael Reckordt von PowerShift erklärt in diesem Zusammenhang, was die steigende Nachfrage nach Rohstoffen aus der EU, nicht zuletzt hervorgerufen durch die viel geförderte E-Mobilität, übergreifend für die Länder bedeutet. Siti Maimunah zeigt am Beispiel der Durian-Frucht, die in Südostasien weit verbreitet ist und in Teilen Indonesiens als traditioneller Teil der Kultur auch Landbesitz repräsentiert, wie Kulturgüter durch westlichen Einfluss, moderne Plantagen, Minen und Regenwaldabholzung verdrängt wurden und werden.
Aufgrund der geostrategischen Bedeutung einiger Inseln des Südchinesischen Meeres stehen dessen südostasiatische Anrainerstaaten untereinander und mit China sowie Japan in ständigem Konflikt. Im Jahr 2016 entschied der Ständige Schiedsgerichtshof in Den Haag, dass China rund um die Spratly-Inseln die souveränen Rechte der Philippinen verletzt habe und keine territorialen Besitzansprüche in der Gegend geltend machen könne. Allerdings besitzt das Gericht keinerlei Möglichkeit, diese Entscheidung auch durchzusetzen.
Damit in Zusammenhang stehend werden teilweise auch die militärischen Beziehungen der USA zu den Philippinen gesehen. Zwar sind US-Militärstützpunkte aus der Kolonialzeit in den Philippinen mittlerweile aufgelöst, dennoch bestehen bis heute enge militärische Beziehungen der beiden Staaten durch mehrere Abkommen und sind von Bedeutung für die gesamte Region, wie Roland Simbulan erläutert. Den aktuellen deutschen beziehungsweise europäischen Beitrag im Rahmen einer globalen Indo-Pazifik-Strategie beleuchtet Uwe Hoering.
Eines der greifbarsten Beispiele verschiedener machtpolitischer Interessen bildet zudem der Mekong. Er entspringt in Südchina und bildet für die Länder in Festlandsüdostasien eine wichtige Lebensgrundlage. Talsperren, die, unter anderem in Laos, zur Energiegewinnung errichtet werden, und Wasserverschmutzungen bedrohen das Leben der Menschen vor Ort, die kaum Einfluss auf entsprechende Entscheidungen nehmen können. Chanvoitey Horn erzählt im Interview näher von den hegemonialen Verhältnissen, die diese Lebensader Südostasiens betreffen.
Auch ökonomisch findet seit jeher hegemoniale Machtausübung statt. Abhängigkeitsverhältnisse sind insbesondere durch Staatsverschuldungen im globalen Westen entstanden. Aktuelle Details dazu stellt Jürgen Kaiser in einem Interview dar. Kaewkamol „Karen“ Pitakdumrongkit erläutert im Interview wirtschaftliche Zukunftsstrategien der ASEAN Staaten und wie dadurch eine ökonomische Unabhängigkeit erreicht werden kann. Insbesondere im Rahmen kolonialer Regime wurden Geschlechts- und Rollenvorstellungen in Südostasien hegemonial geformt und teilweise gesetzlich festgeschrieben. Tracy Valera berichtet vor diesem Hintergrund über Erfahrungen von Transgender-Menschen in Vietnam.
Mit dem Themenschwerpunkt hegemonialer Interessen, der durch zahlreiche hier noch nicht aufgeführte Beiträge vertieft und um weitere Aspekte ergänzt wird, versuchen wir die vielfältigen Machtstrukturen und Vormachtstellungen in sowie rund um Südostasien einzuordnen und auf deren Problematiken hinzuweisen.
Wir wünschen eine erkenntnisreiche Lektüre und weisen zudem auf die kommende Ausgabe 3/2021 der südostasien zum Thema „Kolonialismus und Erinnerungskultur“ hin, für die potenzielle Autor*innen noch Artikel einreichen können. Hier geht’s zum Call for Papers.
Das Redaktionsteam
Dieser Text erscheint unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.