2 | 2024

Die Krise in Malaysias Regenwäldern

Die indigene Gruppe der Penan lebt in und von den Regenwäldern Borneos und ist daher von den Konflikten um den Wald stark betroffen© AMP Film, alle Rechte vorbehalten

Malaysias artenreiche Regenwälder in den Bundesstaaten Sabah und Sarawak sind durch eine alarmierende Zunahme illegaler Abholzung und den Bau zahlreicher Staudämme bedroht.

Das Land ist heilig; es gehört den unzähligen Toten, den wenigen Lebenden und den Vielen, die noch geboren werden.“ (Survival International)

Malaysias Regenwälder in Sabah und Sarawak auf der Insel Borneo beherbergen einige der ältesten und artenreichsten Ökosysteme der Welt. Zugleich sind sie Schauplatz einer anhaltenden Umwelt- und Menschenrechtskrise. Trotz gesetzlicher Schutzmaßnahmen haben illegale Abholzungen vor allem in Sarawak erschreckende Ausmaße angenommen. Dies wird durch Satellitenbilder und Berichte von Umweltschutzorganisationen deutlich, die die Vernichtung riesiger Waldgebiete dokumentieren. Große Unternehmen umgehen dabei häufig Umweltauflagen durch Korruption und die mangelnde Durchsetzung der Gesetze. Dies hat verheerende Auswirkungen auf die Lebensräume seltener Tiere und Pflanzen, die nur in diesen Ökosystemen existieren können. Zusätzlich trägt die Abholzung zur Verschärfung des Klimawandels bei, da die Wälder bedeutende Kohlenstoffspeicher sind, deren Zerstörung große Mengen CO2 freisetzt.

Staudammprojekte: Gefährdung von Ökosystemen und Gemeinschaften

Wälder, Quellen, Seen und Flüsse sind eine essentielle Lebensgrundlage indigener Völker und Gemeinschaften. Sie sind von unschätzbarem Wert, als Wasser- und Nahrungsquelle und auch wegen ihrer kulturellen und spirituellen Bedeutung.

Illegale Abholzung des Regenwalds auf Borneo © AMP Film, alle Rechte vorbehalten

Neben der illegalen Abholzung hat Malaysia in den letzten Jahrzehnten einen rapiden Anstieg im Bau großer Staudämme erlebt. Diese gelten als Symbole für Modernität und wirtschaftliche Entwicklung des Landes. Dieses Image steht jedoch in starkem Kontrast zu den tiefgreifenden ökologischen und sozialen Auswirkungen, die insbesondere die indigenen Gemeinschaften betreffen.

Viele dieser Staudämme wurden ohne die Freie, Vorherige und Informierte Zustimmung (FPIC) der betroffenen indigenen Gruppen errichtet. Herausragende Beispiele hierfür sind der Baram- und der Bakun-Staudamm in Sarawak. Der Bakun-Staudamm gilt als einer der größten Staudämme in Südostasien und umfasst ein Wasserkraftwerk mit einer installierten Leistung von 2.400 MW. Seit seiner Inbetriebnahme im Jahr 2011 liefert das Bakun-Wasserkraftwerk eine gesicherte Leistung von 1.771 MW, abhängig von den Anforderungen des Stromnetzes.

Auswirkungen von Dämmen

Die Rodung großer Landflächen und die Errichtung staatlich unterstützter Staudammprojekte haben Regionen wie Sarawak destabilisiert. Dabei werden nicht nur Umweltschäden verursacht, sondern auch die Lebensgrundlagen verschiedener indigener Gruppen, die seit Jahrhunderten in Einklang mit der Natur leben, gefährdet. Die betroffenen indigenen Gemeinschaften, die hauptsächlich von Subsistenzlandwirtschaft und dem Sammeln von Waldprodukten leben, haben infolgedessen ihre Lebensgrundlagen verloren und mussten in Umsiedlungsgebiete ziehen, die oft nur unzureichend ausgestattet sind und nicht über die gleiche kulturelle und spirituelle Bedeutung verfügen wie ihr angestammtes Land.

Zwangsumsiedlung: Einblick in ein Penan-Siedlungsgebiet© AMP Film, alle Rechte

Besonders stark betroffen sind die Penan, ein halbnomadisches Volk, das tief mit dem Wald verwurzelt ist. Für die Penan ist der Wald nicht nur eine Quelle für Nahrung und Medizin, er hat auch eine große spirituelle Bedeutung. Rodungen und Staudämme haben ihre Lebensweise massiv beeinträchtigt, da große Teile ihres traditionellen Lebensraums zerstört wurden.

Wie die Penan haben weitere marginalisierte indigene Gruppen ihre Häuser und ihr angestammtes Land verloren, ohne dabei ein Mitspracherecht zu haben. Zwangsumgesiedelte Indigene wurden häufig in Umsiedlungsdörfer gebracht, die die versprochene Lebensqualität nicht boten. Zudem wurden sie in eine Geld-basierte Wirtschaft gedrängt, für die ihnen oft die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten fehlten, um erfolgreich agieren zu können. Dies führt zu zerrütteten sozialen Beziehungen, hoher Arbeitslosigkeit und anhaltender Armut. Zudem sind die Lebensumstände in den Umsiedlungsgebieten oftmals schlecht, da es an ausreichender Infrastruktur und grundlegenden Dienstleistungen wie funktionaler Gesundheitsversorgung und Bildung fehlt.

Die Zukunft hängt von den Entscheidungen der Gegenwart ab

Auch nach der Übernahme der Regierung durch Premierminister Anwar Ibrahim im Jahr 2022 stehen Malaysias Regenwälder im Zentrum einer anhaltenden Debatte über Umweltschutz und indigene Rechte. Beispielsweise gibt es weiterhin Kontroversen um den Bau von Staudämmen, da diese Projekte große Waldgebiete überfluten und Gemeinschaften vertreiben können.

Vor diesem Hintergrund bleibt der Schutz der indigenen Rechte in Sarawak weiterhin eine Herausforderung. Zwar hat die Regierung Schritte unternommen, um die illegale Abholzung einzudämmen und Umweltgesetze besser zu implementieren. Dennoch zeigen Berichte zahlreicher zivilgesellschaftlicher Organisationen, dass noch viel getan werden muss, um die Rechte indigener Gemeinschaften ausreichend zu schützen.

Proteste der Organisation Save Rivers gegen die Errichtung des Baram Dams © AMP Film, alle Rechte vorbehalten

Kritiker*innen bemängeln, dass wirtschaftliche Interessen oft über den Schutz der Umwelt und der Rechte indigener Völker gestellt werden. Obwohl die malaysische Regierung in einigen Fällen Zugeständnisse gemacht hat, sind die Rechte indigener Völker weiterhin nicht ausreichend geschützt. Zudem verschärft Korruption auf lokaler und nationaler Ebene die Situation, da Gesetze und Vorschriften häufig zugunsten mächtiger wirtschaftlicher Akteure umgangen oder nicht durchgesetzt werden.

Die Planung und Umsetzung weiterer großer Infrastrukturprojekte zur Förderung des wirtschaftlichen Wachstums in Malaysia stellen somit auch heute eine existentielle Bedrohung für das künftige Wohlergehen vieler indigener Gemeinschaften dar. Die Zukunft der Regenwälder Malaysias hängt also von verantwortungsvollen und nachhaltigen Entscheidungen ab. Obwohl unter Ibrahims Regierung Fortschritte erkennbar sind, bedarf es weiterhin verstärkter Anstrengungen und internationaler Zusammenarbeit, um die Zerstörung der Regenwälder zu stoppen und die Rechte indigener Völker in Malaysia zu schützen. In diesem Sinne sollte die internationale Gemeinschaft die amtierende Regierung Malaysias zur Rechenschaft ziehen.

Schutz indigener Rechte

Zudem ist es notwendig, indigene Gemeinschaften in ihrem entschlossenen Kampf um ihre Rechte und ihren traditionellen Lebensraum zu unterstützen. Indigene Gruppen versuchen beispielsweise, rechtliche Schritte einzuleiten, um ihre Rechte zu verteidigen und die Zerstörung weiterer Lebensräume zu verhindern. Dafür kann internationale Aufmerksamkeit unterstützend sein. Unterstützt werden sie dabei von NGOs und Menschenrechtsorganisationen wie Save Rivers Malaysia und dem Bruno Manser Fonds, die sich für den Schutz der Regenwälder und die Rechte der indigenen Völker in Sarawak einsetzen. Diese Organisationen bieten rechtliche Unterstützung, führen Kampagnen durch und arbeiten daran, das Bewusstsein für die Situation der indigenen Gemeinschaften auf lokaler und globaler Ebene zu schärfen.

Die malaysische Regierung und internationale Akteur*innen müssen den Dialog mit den indigenen Gemeinschaften intensivieren und sicherstellen, dass deren Stimmen bei der Planung und Durchführung von Infrastrukturprojekten gehört werden. Nur durch die Anerkennung und den Schutz der Rechte indigener Völker kann eine Balance zwischen wirtschaftlicher Entwicklung und Umweltschutz erreicht werden. Die Erfahrungen der indigenen Bevölkerung in Malaysia spiegeln eine generelle Marginalisierung indigener Minderheiten in Südostasien wider. Nur durch gemeinsame Anstrengungen können Südostasiens einzigartige Regenwälder, ihre Biodiversität und kulturelle Integrität für kommende Generationen erhalten bleiben. Der Schutz der Rechte indigener Völker und die Förderung nachhaltiger Entwicklung müssen somit höchste Priorität haben.

Filmtipp: The Borneo Case

Film Poster The Borneo Case von 2017 © AMP Film, alle Rechte vorbehalten

The Borneo Case, 2017 von den schwedischen Filmemachern Erik Pauser und Dylan Williams produziert, liefert eindrückliche Belege für die Zerstörung der Wälder und Wasserquellen und der Bedrohung jener Menschen, die sie schützen wollen. Die Dokumentation beleuchtet die Geschichte der illegalen Abholzung und der Errichtung von Staudämmen. Sie beginnt mit dem rätselhaften Verschwinden des Umweltaktivisten Bruno Manser im Jahr 2000. Manser hatte sich jahrelang für den Schutz des Regenwaldes und die Rechte der indigenen Penan-Gemeinschaft in Sarawak eingesetzt.

Der Film porträtiert auch die Bemühungen von Aktivist*innen wie Mutang Urud, Clare Rewcastle Brown, Peter John Jaban und Lukas Straumann, die trotz persönlicher Gefahren und politischem Druck weiterhin für Umwelt und Menschenrechte in Malaysia kämpfen. Der Film zeigt, wie wirtschaftliche Interessen und politische Machtstrukturen häufig den Schutz der Umwelt und indigener Rechte in Malaysia überlagern – aber auch, welche Handlungsmöglichkeiten wir als internationale Gemeinschaft haben.

  • Artikel
Die Autorin

Charlotte Mei Yee Chin ist wissenschaftliche Mitarbeiterin und Dozentin am Institut für Islamische Theologie der Universität Osnabrück und Gründerin von Coaching Intercultural Southeast Asia (CISA). Sie studierte Vergleichende Kultur- und Religionswissenschaft, Friedens- und Konfliktforschung und Development Studies an der Philipps-Universität Marburg und der Universität Passau. Ihre Forschung konzentriert sich auf Südostasienstudien, Genderfragen und die Prävention von gewalttätigem Extremismus. Sie promoviert zum Thema Demystification of the Caliphate – Reintegration of de-radicalized females in Southeast Asia.

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Charlotte Chin

Charlotte Mei Yee Chin ist wissenschaftliche Mitarbeiterin und Dozentin am Institut für Islamische Theologie der Universität Osnabrück und Gründerin von Coaching Intercultural Southeast Asia (CISA). Sie studierte Vergleichende Kultur- und Religionswissenschaft, Friedens- und Konfliktforschung und Development Studies an der Philipps-Universität Marburg und der Universität Passau. Ihre Forschung konzentriert sich auf Südostasienstudien, Genderfragen und die Prävention von gewalttätigem Extremismus. Sie promoviert zum Thema Demystification of the Caliphate - Reintegration of de-radicalized females in Southeast Asia.

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Charlotte Chin

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