Call for Paper: Ausgabe 1/2020

Klimastreik in Semarang, der Provinzhauptstadt von Zentraljava, Indonesien, im September 2019 © Suwito

Klimastreik in Semarang, der Provinzhauptstadt von Zentraljava, Indonesien, im September 2019 © Suwito

THEMA: Klimawandel: Ursachen, Folgen, Gegenbewegung

In Südostasien und weltweit setzt sich ein Bewusstsein für die Folgen des Klimawandels zunehmend durch: zuletzt protestierten beim globalen Klimastreik im September 2019 weltweit Millionen von Menschen – auch in Manila und Jakarta – gegen die Untätigkeit von Regierungen und Wirtschaftsakteuren. In der Forschung herrscht heute Konsens darüber, dass der massiv angestiegene, Menschen gemachte Treibhausgas-Ausstoß seit der Industrialisierung die Hauptursache für die Klimaerwärmung darstellt. Der Klimarat der Vereinten Nationen betont, dass die Weltgesellschaft ihre CO2- Emissionen bis zum Jahr 2050 auf netto Null einstellen müsste, um die Folgen des Klimawandels einzudämmen. Dessen ungeachtet steigert die kapitalistische Wachstums- und Konsumlogik inklusive der Verbreitung immer neuer energieintensiver Technologien die CO2-Emmissionen weiter. Zunehmende Mobilität einer wachsenden Weltbevölkerung, besonders durch den Flugverkehr, trägt ihren Teil dazu bei.

Viele der modernen Entwicklungen werden als große Errungenschaft gesehen. Neben der Mobilitätserleichterung sind technologische Neuerungen begehrte Konsumgüter und Zeichen eines steigenden Wohlstandes in Südostasien. Länder wie Indonesien weisen ein stolzes Wirtschaftswachstum auf. Doch diese positive Bilanz basiert auf klimaschädlichen Wirtschaftszweigen.

Kohleabbau, Zementproduktion, all dies beschleunigt die Freisetzung klimaschädlicher Substanzen. Wälder und Torfmoore, die wichtigsten natürlichen CO2 Speicher, werden seit Jahrzehnten für Palmölplantagen und weitere extraktive Industrien zerstört. Lokale und internationale Akteur*innen befördern diese Wirtschaftszweige aus verschiedenen Motiven. Oft sind ausländische Unternehmen beteiligt, die für die Bedürfnisse westlicher Märkte produzieren beziehungsweise ein entsprechendes Konsumverhalten auch in Südostasien etablieren. Illegale Brandrodungen eskalieren regelmäßig zu großflächigen, unkontrollierbaren Waldbränden. Diese überziehen ganze Regionen mit Smog, haben verheerende gesundheitliche Auswirkungen und befeuern den Klimawandel zusätzlich.

Betrachtet man den jährlichen pro-Kopf-Emissionen von CO2 in Südostasien ergibt sich ein sehr gemischtes Bild: Von Brunei mit 22,2 Tonnen pro Kopf als Negativ-Spitzenreiter bis hin zum ‚sparsamen’ Laos mit 0,3 Tonnen (Weltbank 2014, https://data.worldbank.org/indicator/EN.ATM.CO2E.PC). Doch gerade in Südostasien finden sich – als Folge kolonialer und neokolonialer Ressourcenausbeutung – viele der ‚Krisenherde’ des globalen Klimawandels. So steht Indonesien wegen der Emissionen aus Entwaldung und dem Abbrennen von Torfmooren als größter Klimasünder Südostasiens dar.

Zugleich leiden südostasiatische Staaten besonders stark unter den Folgen des Klimawandels, wie etwa Überflutungen durch tropische Stürme und der Meeresspiegelerhöhung. Die Lebensbedingungen der Menschen sind schon jetzt direkt beeinflusst. Die Megacity Jakarta etwa droht im Meer zu versinken. Mittelfristig wird es immer mehr extreme Wetterphänomene sowie Wasser- und Nahrungsmittelknappheit geben. Auch die Biodiversität im Meer und an Land ist durch steigende Temperaturen bedroht.

In vielen südostasiatischen Ländern werden politische Maßnahmen gegen den Klimawandel ergriffen. Doch stehen diesen oft Korruption und die Interessen der mit der Politik eng verbundenen Wirtschaftseliten im Weg. Auch die transnationale wirtschaftliche Zusammenarbeit basiert häufig auf dem Interesse an natürlichen Ressourcen. Auf der anderen Seite kündigen insbesondere westliche Unternehmen unter dem Druck einer wachsenden kritischen Öffentlichkeit an, Nachhaltigkeitsstandards in ihren Lieferketten umzusetzen und die ökologischen Auswirkungen ihrer Aktivitäten zu minimieren. Dennoch agieren sie weiter auf Basis der kapitalistischen Wachstumslogik. Viele solcher Vorstöße werden von Aktivist*innen in Südostasien daher als bloßes ‚Greenwashing‘ bewertet.

Ansätze, die ein auf endlosem Wachstum basierendes Wirtschaftsmodell grundsätzlich in Frage stellen, stammen daher oft aus der Zivilgesellschaft. Ihre Akteure gehen über eine individualisierende Konsumkritik hinaus, indem sie grundsätzlich die hemmungslose Ausbeutung natürlicher Ressourcen infrage stellen. Zudem diskutieren sie – etwa in Form von Kooperativen – Ideen für alternatives Wirtschaften und setzen diese um. Auch im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit gibt es, unterstützt durch zivilgesellschaftliche Gruppen oder Individuen, zukunftsweisende Projekte, die lokales Wissen nutzen. Diese beinhalten zum Beispiel im landwirtschaftlichen Bereich Gegenmaßnahmen gegen den Klimawandel und Vorstöße zur Anpassung an veränderte klimatische Bedingungen.

Obwohl die ärmsten Bevölkerungsgruppen oft am stärksten von den Folgen betroffen sind, wird in Südostasien die Beschäftigung mit dem Klimawandel oft als Elitendiskurs aufgefasst. Ansätzen der Entwicklungszusammenarbeit wohnt so manch impliziter Vorwurf der ‚Rückständigkeit’ inne, der möglicherweise mit dem Verweis auf ‚Elite’ beantwortet wird. Doch es lohnt sich, noch genauer zu untersuchen, wo weitere Ursachen für diese Diskrepanz liegen. Zum Beispiel im ungleichen Zugang zu qualitativ hochwertiger Bildung und damit dem Wissen über den menschengemachten Klimawandel und der Befähigung zum kritischen Hinterfragen seiner Ursachen.

Folgende Fragen werden uns in der südostasien 1/2020 unter anderen beschäftigen:

  • Wo zeigen sich die Auswirkungen des menschengemachten Klimawandels in Südostasien am drastischsten?
  • Wie sehen verschiedene Akteur*innen in Südostasien das Spannungsverhältnis zwischen der wirtschaftlichen Signifikanz und dem negativen Einfluss auf das Klima, den verschiedene relevante Industrien (z.B. Kohle, Zement) haben?
  • Wie wirken sich Landwirtschaft, Viehzucht und der Anbau von Viehfutter sowie Palmöl auf den Klimawandel aus? Welche Rolle spielen dabei lokale Kleinbauer*innen und Agrarkonzernen?
  • Inwiefern gehen südostasiatische Staaten das globale Phänomen Klimawandel politisch an, auch transnational?
  • Welche Rolle spielt (der Zugang zu) Bildung in südostasiatischen Ländern in Bezug auf den Klimawandel?
  • Mit welchen Argumenten und Aktionsformen gehen lokale Initiativen das Thema Klimawandel an und wo findet transnationale oder globale Vernetzung statt?
  • Inwieweit spielt Kapitalismuskritik in Diskurse der südostasiatischen Klimabewegung hinein?
  • Wo finden lokale Anpassungsprozesse an veränderte klimatische Bedingungen statt? Wie lassen sich diese effektiv gestalten?
  • Welche Anstöße, beispielsweise in Richtung ‚climate-smarte‘ Landwirtschaft oder erneuerbare Energien, finden von Seiten der Entwicklungszusammenarbeit statt und wie werden solche Interventionen von lokalen Akteur*innen gesehen?
  • Welche Rolle spielt Mobilität – insbesondere der schnell wachsende Flugverkehr – innerhalb der Klimadebatte in Südostasien und welche Ideen und Konzepte zur Transformation des Verkehrssektors zeichnen sich ab?
  • Welche konkreten Konzepte und Erfahrungen gibt es mit Renaturierung (z.B. von Torfflächen) und welche Rolle spielen dabei lokales Wissen sowie der internationale Erfahrungsaustausch (wissenschaftliche Kooperationen, UN-Dekade zur Wiederherstellung von Ökosystemen)

Wir möchten uns diesen Fragen in möglichst vielen verschiedenen Darstellungsformen widmen: Reportagen, Hintergrundberichten, Analysen, Portraits von Akteuren, Interviews Foto-Essays und Rezensionen von Filmen/Büchern/Musik zum Thema. Wir freuen uns auf eure Ideen!

 

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Deadline
Deadline für Artikel (max. 10.000 Zeichen) ist der 6. Januar 2020 (in Einzelfällen und nach Absprache mit der Redaktion ist ggf. auch eine spätere Deadline möglich). Bitte vorab bis spätestens 20. November 2019 ein kurzes Abstract (max. 1000 Zeichen) an die Redaktion einreichen.

Kontakt zur Redaktion:
Sophia Hornbacher-Schönleber:
Anett Keller:
Tanja Matheis:
Hendra Pasuhuk:
Anke Timmann:
Janis Wicke:
Marlene Weck (Rezensionen):