Die Verhandlungen bei der UN-Klimakonferenz (COP 27), in Sharm el-Sheikh im November 2022 waren sowohl Erfolg als auch Trauerspiel für die zivilgesellschaftlichen Klimabewegungen. Zum einen feierten sie die historische Zusage zur Etablierung eines Loss & Damage Finanzierungsmechanismus, für den sie an der Seite der klima-vulnerablen Länder seit 30 Jahren gekämpft hatten. Zum anderen wurde ihre Teilnahme als Beobachter*innen der Verhandlungen durch das Gastgeberland Ägypten stark eingeschränkt. Proteste waren auf der COP 27 nur in begrenzter Form möglich, Aktivist*innen wurden außerhalb des Konferenzgeländes verfolgt. Auch die horrenden Preise von Hotels in der Tourist*innenhochburg Sharm el-Sheikh erschwerten die Teilnahme für Personen ohne institutionelle Finanzierung.
Die Länder Südostasiens spüren die Folgen des Klimawandels besonders stark. An langen Küstenlinien häufen sich Unwetterereignisse wie Überschwemmungen, Stürme und Taifune. Dazu kommen die langsamen und langfristigen Folgen (Slow Onset Events) des Klimawandels. Diese Ereignisse bergen neue Risiken für Mensch und Umwelt, die sich im Zusammengang mit einem Anstieg des Meeresspiegels, der Versauerung des Meeres, dem Temperaturanstiegs, dem Schwinden der Artenvielfalt, der Versalzung ergeben. Inseln versinken im Meer und Megacitys, wie Jakarta oder Ho Chi Minh Stadt, die zum Teil unter dem Meeresspiegel liegen, sind durch dessen Anstieg und durch Starkwetterereignisse, wie Fluten und Regen, besonders bedroht. Gleichzeitig sind die finanziellen und technischen Kapazitäten, die Folgen von Unwetterkatastrophen abzufedern und/oder auf diese resilient zu reagieren, auf individueller, kommunaler und staatlicher Ebene begrenzt.
Die Industrienationen des globalen Nordens sind historisch für die Entstehung des Klimawandels verantwortlich. Sie tragen – im Verhältnis zu ihrer vergleichsweise kleinen Einwohner*innenzahl – immer noch überdurchschnittlich stark zum globalen Ausstoß von Treibhausgasen bei und erreichen bei Weitem ihre Klimaziele nicht. Doch auch in den Ländern Südostasiens wachsen die Emissionen im Zuge von Industrialisierung und steigendem materiellen Wohlstand. Studien zeigen, dass auch die Regierungen südostasiatischer Länder bisher zu wenig für die Bekämpfung des Klimawandels tun. Nach Berechnungen des Climate Action Trackers reichen die Klimaziele von Indonesien, Vietnam, Thailand und Singapur nicht aus, um das 1,5-Grad-Ziel einzuhalten, sondern steuern eher auf eine 4-Grad-Erderwärmung zu. Vor diesem Hintergrund möchten wir den Fokus in der kommenden Ausgabe 2/2023 der südostasien auf zivilgesellschaftliche Klimabewegungen legen.
Zivilgesellschaftliche Klimabewegungen sind Hoffnungsträger*innen. Sie sind eine Partizipationsform für Individuen und Gruppen (lokale Bürgerinitiativen und Umweltverbände, NGOs, Kollektive, landwirtschaftliche Zusammenschlüsse, Gewerkschaften, Studierendenverbände), denen die Klimapolitik ihrer Regierung nicht weit genug geht. Die zivilgesellschaftlichen Klimabewegungen Südostasiens haben facettenreiche Initiativen hervorgebracht, die sich mit einer Vielzahl von Themen beschäftigen. Neben ihren diversen Organisationsformen sind sie auch Plattformen des Austausches, der gemeinsamen Aktion und der Solidarisierung. So rufen beispielsweise in den Philippinen zivilgesellschaftliche Klimabewegungen regelmäßig zu Demonstrationen auf, während in Vietnam aufgrund der politischen autoritären Lage andere Wege gefunden werden müssen, um Forderungen ‚lautstark‘ artikulieren zu können. Dies geschieht häufig durch institutionalisierte Wege, wie sich gerade mit Bezug auf die Realisierung der versprochenen Energiewende zeigt. In diesem Zuge treffen in ganz Südostasien unterschiedliche Gruppen aufeinander, von Indigenen über junge Klimaaktivist*innen und institutionalisierte Organisationen, die mithilfe unterschiedlichster Protestformen (online, auf der Straße oder mit künstlerischen Ausdrucksformen) für eine weitreichendere Klimapolitik kämpfen.
Der Protest gegen den Klimawandel und das Eintreten für den Land- und Umweltschutz stößt oft auf die Ablehnung regierender und wirtschaftlicher Akteur*innen. In einem zunehmend autoritären politischen Umfeld sind Aktive in der Klima- und Umweltbewegung Südostasiens diversen Risiken ausgesetzt. Viele von ihnen sind in den letzten Jahren bedroht, denunziert, verleumdet, kriminalisiert und sogar ermordet worden.
Für die kommende Ausgabe 2/2023 der südostasien suchen wir Beiträge, die sich unter anderem mit folgenden Fragen auseinandersetzen:
Wir möchten diese und weitere Fragen in der Ausgabe 2/2023 der südostasien in verschiedenen Formen aufgreifen, in Portraits von Akteur*innen, Kommentaren, Reportagen, Hintergrundberichten, Analysen, Interviews, Foto-Essays sowie Rezensionen von Filmen oder Büchern. Wir freuen uns auf eure Beiträge – sowohl Texte, die sich beispielhaft mit einzelnen Bewegungen auseinandersetzen, wie auch Artikel zu strukturellen Fragen von Klimabewegungen in Südostasien.
südostasien versammelt Stimmen aus und über Südostasien zu aktuellen Entwicklungen in Politik, Ökonomie, Ökologie, Gesellschaft und Kultur. Zu vier Schwerpunkthemen im Jahr erscheinen Beiträge über die Region und die Länder Südostasiens sowie deren globale/internationale Beziehungen.
südostasien versteht sich als pluralistisches Forum eines herrschaftskritischen und solidarischen Dialogs, als Raum für Diskussionen zwischen Akteur*innen in Südostasien und Deutschland mit Nähe und Kenntnissen zu sozialen Bewegungen. südostasien beschäftigt sich mit Möglichkeiten transnationaler Solidaritätsarbeit angesichts ungleicher Machtverhältnisse zwischen dem globalen Norden und Süden. südostasien möchte Denkanstöße für das Handeln in Europa bzw. in Deutschland liefern.
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Call for paper – 2/2023 (deutsch)
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Deadline für Artikel (max. 10.000 Zeichen inklusive Leerzeichen) ist der 15. März 2023 (in Einzelfällen und nach Absprache mit der Redaktion ist eventuell auch eine spätere Deadline möglich). Bitte vorab ein kurzes Abstract (max. 1.000 Zeichen) an die Redaktion einreichen.
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