Philippinen: Kommunale Politik in den Philippinen zeichnet sich durch Bürgernähe und die Möglichkeit für direktes Engagement aus. Kritisiert werden hingegen Korruption und Machtmissbrauch
Auf den Philippinen lautet ein bekanntes Sprichwort: „Alle Politik ist lokal.“ Es bewahrheitet sich insbesondere während der Barangay-Wahlen (Kommunalwahlen). Lokale Amtsträger*innen haben Macht. Sie sammeln Stimmen für Kandidat*innen ‚höherer Ebenen‘, verschieben das Gleichgewicht zugunsten von Parteien und beeinflussen so nationale politische Dynamiken.
Ein Barangay ist ein kleiner territorialer und administrativer Bezirk auf der untersten lokalen Regierungsebene. Diese Bezirke dienen als primäre Planungs- und Umsetzungseinheiten für Regierungsprogramme und -dienstleistungen. Zugleich sind sie kollektive Foren für die jeweilige Gemeinschaft. Die Schaffung eines Barangay erfordert ein zusammenhängendes Gebiet mit mindestens 2000 Einwohner*innen (außer in bestimmten Stadtgebieten), zertifiziert durch das NSO (National Statistic Office).
Das Barangay-System wurde durch den Local Government Code von 1991 formalisiert. Der Code wurde am 10. Oktober 1991 während der Amtszeit von Präsidentin Corazon Aquino erlassen. Er definierte und organisierte die Struktur der lokalen Regierung auf den Philippinen neu, einschließlich der Rollen und Funktionen der Barangays.
So wurde das Barangay zur kleinsten politischen Einheit im Land. Der Code beschreibt außerdem die Befugnisse und Aufgaben der Barangay-Mitglieder, des Barangay-Vorsitzenden und des Sangguniang Barangay (Barangay-Rates). Dieser rechtliche Rahmen bildet die Grundlage für die lokale Regierungsführung auf Barangay-Ebene.
Dies hat verschiedene Auswirkungen auf die nationale Politik. Positive Aspekte sind die Dezentralisierung der politischen Macht, die stärkere Einbindung lokaler Gemeinschaften in die Entscheidungsfindung, die gewährte lokale Autonomie für Barangay und die Förderung der Bürger*innenbeteiligung durch direkte Wahlen der Barangay-Mitglieder. Kritisiert werden jedoch Korruption und ineffektives Ressourcenmanagement in einigen Barangay sowie sehr große Unterschiede in der Umsetzung und Effektivität des Systems, abhängig von Regionen und lokalen Gegebenheiten.
Über 1,4 Millionen Kandidat*innen kämpften am 30. Oktober 2023 bei den Barangay-Wahlen um Sitze, was die Vitalität der philippinischen Demokratie verdeutlicht. Präsident Ferdinand Marcos Jr., der in Batac City in seiner Heimatprovinz Ilocos Norte seine Stimme abgab, betonte dabei die Wichtigkeit der Kommunalwahlen für die nationale politische Landschaft: „Von allen gewählten Amtsträgern sind die Barangay-Amtsträger die wichtigsten Stimmen-Bringer. Wenn dir ein Barangay-Amtsträger sagt: ‚Ich bringe dir 350 Stimmen‘, dann kannst du dich darauf verlassen, dass das auch stimmt.“
Zahlreiche Politiker*innen starten ihre Karriere auf der Barangay-Ebene, sei es in den Barangay-Räten oder als Barangay-Vorsitzender. Diese lokale Erfahrung dient oft als Sprungbrett für höhere politische Ämter, einschließlich des Kongresses und der Präsidentschaft. Politiker*innen, die auf Barangay-Ebene erfolgreich agierten, können eine solide Basis lokaler Unterstützung aufbauen, was besonders bei landesweiten Wahlen entscheidend sein kann.
Arnie Teves, ein ehemaliger Barangay-Vorsitzender aus Negros Oriental, wurde am 10. August 1971 in Bayawan City geboren. Vor seiner Tätigkeit als Abgeordneter hatte er verschiedene Positionen als gewählter Beamter inne, darunter der Vorsitz des Barangay Malabugas in Bayawan City. Während seiner Amtszeit als Dorfvorsteher war er auch Präsident der Vereinigung der Barangay-Vorsitzende in Negros Oriental und Mitglied des Sangguniang Panlalawigan (Provinzvorstand) der Region – eine Position, die ihm während seiner politischen Karriere zahlreiche Unterstützer sicherte.
Das Barangay-System fördert zudem die Bildung politischer Netzwerke. Erfolgreiche Politiker*innen können auf nationaler Ebene von den auf der Barangay-Ebene geknüpften Bündnissen und Verbindungen profitieren. Durch die Förderung der Bürger*innenbeteiligung ermöglicht das Barangay-System politischen Kandidat*innen, auf höheren Ebenen, von einer mobilisierten Wählerschaft zu profitieren, die aufgrund ihrer Erfahrungen auf der Barangay-Ebene politisch bewusster ist.
Die Qualifikationen für die Nominierung und Wahl als Barangay-Mitglied umfassen die philippinische Staatsbürgerschaft, die Registrierung als Einwohner im betreffenden Barangay ein Jahr vor der Wahl, sowie die Fähigkeit, Filipino oder eine lokale Sprache zu lesen und zu schreiben. Ein Barangay-Mitglied erhält ein monatliches Gehalt von 15.000,00 Pesos (300 EUR) bis 20.000,00 Pesos (400 EUR), abhängig vom Einkommen des Barangays. Die Barangay-Beamten, einschließlich des Barangay-Vorsitzendens (oder Punong Barangay) und der Barangay-Ratsmitglieder gehören keiner Partei an. Kandidaten treten als Unabhängige an.
Der Barangay-Vorsitzender und die Räte bilden den Sangguniang Barangay oder Barangay-Rat, der nicht nur Regierungsaufgaben erfüllt, sondern auch Befugnisse im Barangay-Justizsystem ausübt zum Beispiel bei der Beilegung von Nachbarschaftsstreitigkeiten. Marvin Castro, eines der ehrenamtlichen Mitglieder der Wahlaufsicht in seinem Barangay, betont dass die Wirksamkeit eines Barangays durch verschiedene Faktoren beeinflusst wird. Darunter seien der Mangel an Ressourcen, unzureichende Schulung, politische Unterstützung, intergouvernementale Koordination und Rechenschaftspflicht.
Die Hierarchie des Barangays umfasst den Punong Barangay (Führungsmitglieder), sieben Mitglieder des Sangguniang Barangay (Rat), den Vorsitzenden des Sangguniang Kabataan (Jugend-Rat), einen Barangay-Sekretär und einen Barangay-Schatzmeister. Zusätzlich gibt es in jedem Barangay einen Lupong Tagapayapa (Schlichter).
Barangay Officials sind lokale Verwaltungsbeamt*innen auf den Philippinen, die auf der Ebene der Barangays agieren, vergleichbar mit Stadtteilen oder Gemeinden. Der Barangay-Vorsitzende, als gewählter Anführer, leitet die Barangay-Regierung, während der Barangay-Council, bestehend aus Ratsmitgliedern und dem Vorsitzenden, lokale Entscheidungen über Angelegenheiten, Entwicklung, und Gesetze trifft. Zusätzlich sind sie in informelle Schlichtungsverfahren für Konflikte involviert und fördern die Entwicklung und Infrastruktur im Barangay. Die Koordination sozialer Dienste, wie Gesundheitsversorgung und Bildung, gehört ebenso zu ihren Aufgaben wie die Durchsetzung von Gesetzen auf lokaler Ebene. Die genaue Rolle kann je nach Barangay und lokalen Gesetzen variieren, insgesamt jedoch sichern Barangay Officials das Wohlbefinden und die Entwicklung ihrer Gemeinschaften auf lokaler Ebene.
Das Sangguniang Barangay ist das Barangay-Legislaturorgan, bestehend aus dem Barangay-Vorsitzende und gewählten Ratsmitgliedern. Diese lokale Instanz spielt eine entscheidende Rolle in der Gesetzgebung und Verwaltung auf Barangay-Ebene.
Zu den Schlüsselfunktionen gehören die Verabschiedung von Barangay-Verordnungen, die Genehmigung des Barangay-Haushalts, die Beteiligung an der Entwicklung und Umsetzung lokaler Entwicklungspläne sowie die beratende Zusammenarbeit mit höheren Verwaltungsebenen. Die Entscheidungsfindung erfolgt durch regelmäßige Treffen der Mitglieder, wobei der Barangay-Vorsitzende als Leiter eine zentrale Rolle spielt. Das Sangguniang Barangay ist somit ein integraler Bestandteil des dezentralisierten Regierungssystems, das den Bewohner*innen ermöglicht, ihre lokalen Angelegenheiten aktiv zu gestalten.
Die Pflichten und Verantwortlichkeiten des Barangay beinhalten zudem die Begleitung öffentlicher Einrichtungen durch Verbesserungsvorschläge, die Förderung von Genossenschaften, die Verwaltung von Einrichtungen, die Koordination der Mittelbeschaffung für Projekte sowie die Bereitstellung von Vergütung und Zulagen für Ratsmitglieder innerhalb des Budgets.
Die Wahlen werden lokal durch ehrenamtliche Wahlhelfer*innen überwacht. Aniles Duma, eine Lehrerin, engagierte sich in ihrem Barangay in San Pablo City, Laguna, um die Rechtmäßigkeit der Personalien und Wahlberechtigungen zu sichern.
Die Barangay-Wahlen und Kandidaturen auf den Philippinen werden durch staatliche Mittel finanziert und unterliegen den Vorschriften der Commission on Elections (COMELEC) sowie anderer einschlägiger Gesetze. Kandidat*innen können kostenfrei an den Barangay-Wahlen teilnehmen, ohne Gebühren oder Kosten für ihre Kandidatur zu tragen. Es existieren Obergrenzen für die Wahlkampfausgaben, um eine faire und ausgeglichene Teilnahme zu gewährleisten. Die Finanzierung für die Wahl und die Unterstützung von Kandidat*innen erfolgt aus staatlichen Mitteln, die bereitgestellt werden, um demokratische Prozesse zu unterstützen und sicherzustellen, dass Kandidat*innen unabhängig von ihrer finanziellen Lage an den Wahlen teilnehmen können. Die COMELEC überwacht den gesamten Wahlprozess, einschließlich der Finanzierung von Kandidaturen, und legt Regeln fest, um Transparenz und Fairness sicherzustellen.
Die Verwendung staatlich zur Verfügung gestellter Mittel für Wahlkampagnen bei Barangay-Wahlen in den Philippinen kann vielfältig sein. Beispiele für ihre Verwendung umfassen die Produktion und Verbreitung von Wahlwerbung und Druckmaterialien wie Plakate, Flyer und Broschüren. Die Mittel können auch für die Organisation von Wahlkampfveranstaltungen, Versammlungen und Town-Hall-Meetings genutzt werden, um direkten Kontakt mit den Wählern herzustellen. Des Weiteren können sie für Reisekosten und Transportmittel verwendet werden, da Kandidaten verschiedene Gemeinden besuchen müssen. Schulungen von Wahlkampfteams und die Bereitstellung von Schulungsmaterialien für Freiwillige zur effektiven Mobilisierung der Wählerschaft sind ebenso Beispiele wie die Investition in moderne Technologien, darunter die Erstellung von Websites und die Nutzung sozialer Medien. Es ist entscheidend zu betonen, dass die genaue Mittelverwendung den gesetzlichen Bestimmungen und Richtlinien der COMELEC entsprechen muss.
Es werden regelmäßig Berichte über Verstöße gegen die Verwendung von Finanzierungsmitteln bei Wahlen in den Philippinen veröffentlicht. Beispiele für derartige Missachtungen sind die Überschreitung der festgelegten Obergrenzen für Wahlkampfausgaben, nichttransparente Verwendung von Geldern durch Kandidat*innen oder Wahlkampfteams, falsche Finanzberichterstattung und das Versäumnis, Spenden ordnungsgemäß zu deklarieren. Ebenso können rechtliche Probleme durch die Annahme von Geldern aus nicht genehmigten oder illegalen Quellen entstehen.
Obwohl bekannte politische Persönlichkeiten nicht direkt an den Barangay-Wahlen teilnehmen, unterstützen sie häufig Gemeindevorsteher, um die Unterstützung der Basis für zukünftige politische Bestrebungen zu gewinnen. Es gibt kein Verbot politischer Dynastien für Barangay-Vorsitzende und Ratsmitglieder. Das Legal Network for Truthful Elections (Lente) kritisiert den Missbrauch staatlicher Ressourcen, wie die Verteilung von Sozialleistungen und Einmischung in Stipendienprogramme durch amtierende Barangay-Beamte, die sich um Wiederwahl bemühen. Diese Aktivitäten deuten auf unrechtmäßige Einmischung und mögliche Verstöße gegen Vorschriften des öffentlichen Dienstes hin. Wähler*innen werden dazu aufgefordert, Kandidat*innen, die von solchen Aktivitäten profitieren, abzulehnen und stattdessen Barangay-Vorsitzende zu wählen, die die Gemeinschaft authentisch repräsentieren und positive Veränderungen fördern, ohne politische Klientelwirtschaft und Korruption.
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